Ste­phen Haw­kings War­nung vor E.T.

1Durch­zuckt von Blit­zen quillt am Him­mel eine dunk­le Wol­ke vor sich hin, bis sich lang­sam eine fremd­ar­ti­ge und rie­sen­gros­se Metall­schei­be dar­aus löst und die Wol­ken­krat­zer der dar­un­ter lie­gen­den Metro­po­le mit einem Unheil ver­kün­den­den Schat­ten über­zieht. So stell­ten sich die Macher des Films «Inde­pen­dence Day2» die Ankunft feind­li­cher Aus­ser­ir­di­scher vor, die gekom­men sind, die Erde zu erobern und die Mensch­heit aus­zu­rot­ten. Die­se furcht­ein­flös­sen­den Bil­der aus dem Reich der Fik­ti­on könn­ten aber Wirk­lich­keit wer­den, warnt uns der renom­mier­te Astro­phy­si­ker Ste­phen Haw­king3 in sei­ner neu­es­ten Doku­men­tar­film-Rei­he4.

Haw­king geht davon aus, dass die Exis­tenz von aus­ser­ir­di­schem intel­li­gen­tem Leben bei einer schier unend­li­chen Zahl von Gala­xien und Son­nen äus­serst wahr­schein­lich ist. Soll­ten die­se intel­li­gen­ten Aus­ser­ir­di­schen fer­ner die Raum-Rei­se zur Erde bewäl­ti­gen, wäre ihre Tech­no­lo­gie der unse­ren um Äonen über­le­gen und wür­de uns gemäss dem Astro­phy­si­ker so aus­ser­ge­wöhn­lich erschei­nen wie eine Rake­te einem Höh­len­men­schen. Haw­king ver­steht die­se Aus­ser­ir­di­schen als Noma­den, wel­che zur Erhal­tung der eige­nen Art immer neue Ener­gie­quel­len und Res­sour­cen erschlies­sen müs­sen. Eine Ankunft die­ser feind­se­li­gen, res­sour­cen­hung­ri­gen Ali­ens auf der Erde wür­de zwangs­läu­fig zu einem Kon­flikt um die Roh­stof­fe unse­res Pla­ne­ten füh­ren. Doch ange­sichts der tech­no­lo­gi­schen Über­le­gen­heit der galak­ti­schen Ankömm­lin­ge fän­de ein Krieg der Wel­ten gar nicht statt.

5So wie die Ent­de­ckung Ame­ri­kas durch Colum­bus das Ende der india­ni­schen Bevöl­ke­rung ein­läu­te­te, bedeu­te die Ankunft von Aus­ser­ir­di­schen auf der Erde «mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit» die Til­gung der Mensch­heit, fol­gert Haw­king. Er rät des­halb, galak­ti­sche Funk­stil­le zu hal­ten, um die­se uner­wünsch­ten Gäs­te nicht auf die Erde auf­merk­sam zu machen.  Seit mehr als 60 Jah­ren sen­den wir jedoch bereits Radio­wel­len in das Welt­all. Die­se ver­brei­ten sich mit Licht­ge­schwin­dig­keit und tra­gen die Signa­tur mensch­li­cher Intel­li­genz. Soll­te sich inner­halb eines Abstan­des von 60 Licht­jah­ren von der Erde eine aus­ser­ir­di­sche Zivi­li­sa­ti­on auf­hal­ten, hät­te sie von unse­rer Exis­tenz viel­leicht in die­sem Moment Notiz genom­men. Die Wahr­schein­lich­keit dafür ist jedoch ange­sichts der gigan­ti­schen Grös­se des Uni­ver­sums ver­schwin­dend gering. Zudem wäre uns eine sol­che intel­li­gen­te Zivi­li­sa­ti­on in unse­rer unmit­tel­ba­ren galak­ti­schen Nach­bar­schaft höchst­wahr­schein­lich nicht ent­gan­gen, da die Mensch­heit im Rah­men des SETI-Pro­jek­tes6 seit mehr als 40 Jah­ren Radio­si­gna­le aus dem All auf Spu­ren von intel­li­gen­tem Leben unter­sucht. Bis auf das WOW-Signal7 ver­lief die Suche bis­lang ergebnislos.

8Haw­kings düs­te­rem Sze­na­rio las­sen sich eini­ge Argu­men­te ent­ge­gen­hal­ten. Zum einen besagt die Phy­sik nach Ein­stein, dass sich nichts schnel­ler als das Licht fort­be­we­gen kann. Dem­ge­mäss wären die gewal­ti­gen Distan­zen zwi­schen den Pla­ne­ten auch für eine Spe­zi­es, wel­che über die Tech­no­lo­gie der anä­hernd licht­schnel­len Fort­be­we­gung ver­fügt, nahe­zu unüber­wind­bar. Wenn 8’000 Licht­jah­re ent­fern­te Ali­ens ein mensch­li­ches Signal auf­fin­gen, wür­den sie die Erde frühs­tens in 8’000 Jah­ren errei­chen. In astro­no­mi­schen Dimen­sio­nen han­delt es sich dabei um eine Kurz­stre­cke, wenn man bedenkt, dass schon unse­re Milch­stras­se einen Durch­mes­ser von unge­fähr 100’000 Licht­jah­ren hat. In 8’000 Jah­ren kann sich wie­der­um sehr viel ändern. Die raum­fah­ren­den Inva­so­ren könn­ten sowohl phy­si­schen als auch psy­chi­schen Schiffs­bruch erlei­den. Ihre Moti­va­ti­on zur gene­ra­ti­ons­über­grei­fen­den Raum­durch­que­rung und ihr Inter­es­se an den Res­sour­cen der Erde könn­ten erlö­schen. Soll­ten sie die Rei­se trotz­dem schad­los über­ste­hen, gäbe es auf dem Ziel­pla­ne­ten womög­lich weder Mensch­heit noch Roh­stof­fe mehr, denn die aus­ser­ir­di­schen Besu­cher errei­chen die Erde 16’000 Jah­re, nach­dem das ver­rä­te­ri­sches Signal die Erde ver­las­sen hat.

9Haw­king kon­tert das Argu­ment der schein­ba­ren Unüber­wind­bar­keit von Raum und Zeit mit der hypo­the­ti­schen Mög­lich­keit von Wurm­lö­chern, wel­che Raum- und Zeit­sprün­ge ermög­li­chen wür­den. Gäbe es die­se Tech­no­lo­gie, könn­ten uns Ali­ens tat­säch­lich von jedem Ort und Zeit­punkt aus errei­chen. Eine sol­che Zivi­li­sa­ti­on wäre räum­lich und zeit­lich omni­prä­sent und hät­te über­all und zu jeder Zeit sicht­ba­re Spu­ren hin­ter­las­sen. Ein Blick in die Tie­fen und somit die Ver­gan­gen­heit des Welt­alls zeigt uns aber kei­ne Anzei­chen einer sol­chen Super-Zivi­li­sa­ti­on. Gewiss wür­de eine der­mas­sen über­mäch­ti­ge Spe­zi­es ihre Spu­ren ver­wi­schen kön­nen. War­um aber soll­ten sie sich ange­sichts ihrer gott­glei­chen Herr­schaft über Raum und Zeit vor weni­ger ent­wi­ckel­ten Zivi­li­sa­tio­nen ver­ste­cken? Wahr­schein­li­cher als eine all­mäch­ti­ge Ras­se von Aus­ser­ir­di­schen ist die Exis­tenz von unzäh­li­gen Zivi­li­sa­tio­nen, wel­che alle in einem ande­ren Zeit­fens­ter an einem ande­ren Ort leben. Die Geburt und Lebens­zeit einer aus­ser­ir­di­schen Zivi­li­sa­ti­on muss zeit­lich nicht mit unse­rer Exis­tenz koin­zi­die­ren. So ent­stün­den und stür­ben Zivi­li­sa­tio­nen wie Myria­den von zeit­lich und räum­lich zufäl­lig auf­flam­men­den und erlö­schen­den Streich­höl­zern — Glüh­würm­chen im end­lo­sen Dun­kel. Eine inter­stel­la­re Kon­takt­auf­nah­me wäre nahe­zu aus­ge­schlos­sen. Die­ses Modell wür­de erklä­ren, war­um da draus­sen die abso­lu­te Stil­le herrscht.

10Soll­ten allen Schran­ken zum Trotz Aus­ser­ir­di­sche unse­re Erde errei­chen, müss­ten sie nicht unbe­dingt feind­li­che Absich­ten hegen. Schliess­lich könn­te ihre mora­li­sche Ent­wick­lung eben­so weit gedie­hen sein wie ihre tech­no­lo­gi­sche. Die­se Mög­lich­keit ver­wirft der Kul­tur­pes­si­mist11 Haw­king mit dem vor­erst sku­r­ill anmu­ten­dem Argu­ment, dass die Ankömm­lin­ge uns zu ähn­lich sei­en. Die Kon­se­quenz die­ser Logik ist jedoch so ein­fach wie geni­al: die krie­ge­ri­schen Noma­den ste­hen auf einer spä­te­ren Stu­fe der­sel­ben Ent­wick­lung, wel­che die Mensch­heit durch­macht. Nach­dem sie ihren Hei­mat­pla­ne­ten aus­ge­beu­tet und unbe­wohn­bar gemacht haben, maro­die­ren sie durch das Uni­ver­sum. Womög­lich blüht uns in einer fer­nen Zukunft das­sel­be Schick­sal, denn unse­re Anstren­gun­gen zur Ver­nich­tung unse­rer Erde sind nicht von der Hand zu wei­sen. Soll­ten uns aus­ser­ir­di­sche Inva­so­ren nicht aus­lö­schen, wer­den womög­lich wir der­einst brand­schat­zend durch die Gala­xie zie­hen. Wir erken­nen, dass wir zur Heu­schre­cken­pla­ge für das gan­ze Uni­ver­sum wer­den könn­ten, gesetzt den Fall, dass wir uns zuvor nicht selbst aus­lö­schen. Die­se düs­te­ren Zukunfts­sze­na­ri­en könn­ten sich rea­li­sie­ren, wenn die Mensch­heit den längst über­fäl­li­gen mora­li­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lungs­sprung ver­säumt. Die Mora­li­tät des heu­ti­gen Homo Sapi­ens Sapi­ens ist wahr­schein­lich weni­ger ent­wi­ckelt als die des ers­ten Men­schen­af­fen, wohin­ge­gen unse­re Waf­fen und Werk­zeu­ge ver­gleichs­wei­se erschre­ckend mäch­tig sind.

Ste­phen Haw­kings War­nung vor einer dunk­len Zukunft geht viel wei­ter. Er meint: Fürch­tet Euch vor Euch selbst!

[d.z]

Wei­ter­füh­ren­de Links:
Ste­phen Hawking’s «Into the Uni­ver­se»4 (Eng­lisch)
Arti­kel auf Spie­gel Online12

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CC BY-NC 4.0 Ste­phen Haw­kings War­nung vor E.T. von Domi­nic Zschok­ke ist lizen­ziert unter Crea­ti­ve Com­mons Namens­nen­nung-Nicht­Kom­mer­zi­ell 4.0 inter­na­tio­nal.

Ein Kommentar

  1. Da bleibt mir nur noch ein uni­ver­sel­les “wow”! Obwohl mir die Vor­stel­lung einer maro­die­ren­den und brand­schat­zen­den Mensch­heit als galak­ti­sche Heu­schre­cken ziem­lich sym­pa­thisch ist.

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