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Alle lie­ben Roger! Alle?

Beim Durchblättern der Kommentare, die anlässlich des 16. Grand-Slam-Siegs im Gästebuch von Roger Federer einschlugen, fielen zwei Kommentare von indischen Fans auf. Vidhya Shankar schreibt:

What finish !! Except the commentary everything is sensational today. Heart almost stopped in the last 2 points. Congratulations and hope you show the same form in ATP Masters also.

Vidhya hat sich anscheinend am indischen Kommentator gestört und war damit nicht alleine. Bei seinem indischen Landsmann Priya löste der Kommentator sogar Brechreize aus. Er nennt ihn in seinem Beitrag beim Namen:

One indian commentator named V.J amritraj is horrible, he never praises the Roger and screams with happiness whenever Roger makes a mistake. It makes me feel like throwing up. How could a commentater undermine Roger's effort. He should be banned from the commentator box or someone should teach him how to speak, as his comments only hurt the Roger's fans.

Und hier ist also der Mann, der Roger Federer nicht liebt. Das hat durchaus Seltenheits- und damit Nachrichtenwert. Wir präsentieren Ihnen Vijay Amritraj, ehemaliger Tennisprofi und Kommentator für das indische Fernsehen:

Vijay Amritraj

Dieser Mann scheint zu jubeln, wenn Roger einen Fehler macht. Heute konnte man fast Mitleid mit Vijay haben, denn Roger Federer holte sich souverän und nahezu fehlerfrei seinen 16. Grand-Slam-Titel am Australian Open in Melbourne. Poor Vijay!

[d.z]




Direk­te Bun­des­rats­wahl — hem­mungs­lo­se Demokratie

Die Initiative, welche die direkte Wahl des Bundesrates durch das Volk in der Verfassung verankern möchte, wird die Schweizer Stimmbürger in absehbarer Zukunft beschäftigen. Seit 1848 war die Wahl des Bundesrates Sache der Vereinigten Bundesversammlung, die sich aus den beiden Kammern des Parlaments, dem National- und Ständerat, zusammensetzt. Die höchste legislative Instanz wählt die Mitglieder des höchsten exekutiven Bundesorgans. Nach über 160 Jahren will die von der SVP lancierte Initiative diese Verantwortung dem Stimmvolk übertragen. Die Schweizer Stimmbürger werden mit der heiklen Aufgabe konfrontiert, entweder die eigenen Rechte weiter auszubauen oder die vorhandene Beschränkung zu betonieren.

Diese Initiative ist das politische Nachbeben der Abwahl des SVP-Bundesrates Christoph Blocher. Von Abwahl zu sprechen ist eigentlich falsch, denn das Parlament bestätigte den Übervater der Schweizerischen Volkspartei einfach nicht im Amt. Dies hat sich in der Schweiz erst viermal zugetragen. Dementsprechend gross waren die politischen Verwerfungen, welche aus dieser Nichtwahl hervorgingen. Die neu gewählte SVP-Bundesrätin Frau Eveline Widmer-Schlumpf wurde von der eigenen Partei als Verräterin gebrandmarkt und ausgeschlossen. Eine moderate Minderheit der SVP formierte sich um die neue Bundesrätin und spaltete sich von der Mutterpartei als BDP ab. So entstand die aus demokratischen Gesichtspunkten unbefriedigende Situation, dass einerseits die wählerstärkste Partei der Schweiz im Bundesrat mit einem Sitz eindeutig untervertreten ist und andrerseits eine schwach legitimierte Vertreterin einer Minderheitspartei im Bundesrat einsitzt.

Die Empörung der SVP war grenzenlos, hatte das Parlament doch ihrem Champion, der von vielen SVP-Parteigängern eine nahezu religiöse Verehrung erfährt, die rote Karte gezeigt und des Spielfeldes verwiesen. Die populistische Schlussfolgerung der SVP-Strategen lag auf der Hand: Der Wille des Parlaments entspricht nicht mehr dem Willen des Volkes, denn die "classe politique" hat sich verselbständigt und politisiert am Volk vorbei. Also soll die Wahl des Bundesrates dem Volk übertragen werden. Bei den herrschenden Kräfteverhältnissen in der Schweiz liegt es im Bereich des Möglichen, dass die SVP damit ihre Wunschkandidaten in den Bundesrat katapultieren würde. Somit wäre auch eine Ära Blocher 2.0 nicht mehr auszuschliessen.

Die Frage drängt sich auf, ob das Stimmvolk der schweren Aufgabe einer Bunderats-Direktwahl gerecht werden kann. Kann das Volk in einem emotionalen Wahlkampf tatsächlich die fachliche und menschliche Eignung der Kandidaten erkennen und würdigen? Die Befürchtung, dass das Volk womöglich den lautesten und radikalsten, nicht aber den kompetentesten und konsensfähigsten Kandidaten wählen würde, ist nicht unbegründet angesichts der emotionalen politischen Stimmungslage in der Schweiz. Konsensfähigkeit muss eine zentrale Fähigkeit eines Bundesratskandidaten oder einer Bundesratskandidatin sein, wenn wir an unserem System der Konkordanz, sprich der gemeinsamen Regierungsverantwortung aller grossen Parteien, festhalten wollen. Einen guten Grund dafür gäbe es, denn das Konkordanzsystem galt lange als Garant für wirtschaftliche und politische Stabilität.

Das Kollegialitätsprinzip im Bundesrat ist Ausdruck der Konkordanz, da Entscheidungen nach Mehrheitsbeschlüssen kollegial und einheitlich getragen werden. Ein Bundesrat muss also die Meinung des Gesamtbundesrates vertreten, auch wenn sie seiner Meinung widerspricht. Alt-Bundesrat Blocher bekundete seine liebe Mühe mit diesem ungeschriebenen Gesetz, was nicht unentscheidend für seine Nicht-Wiederwahl war. Obwohl gemäss der Schweizerischen Bundesverfassung jede/r volljährige Schweizer Bürger/in als Bundesrat wählbar ist, wählt das Parlament in der Regel Personen aus der eigenen Mitte. Die Kandidaten sind den Parlamentarieren bestens vertraut, da sie sich in langjähriger parlamentarischer Arbeit profiliert haben. Die Parlamentarier haben einen geschärften Blick für die menschlichen und fachlichen Qualitäten der Kandidaten.

Nicht zuletzt verhindert die Wahl des Bundesrates durch das Parlament, dass Personen, welche parteipolitsche Interessen über das Konkordanzsystem und das Kollegialitätsprinzip stellen in dieses Gremium einziehen. Eine Volkswahl würde den von den Parteien vorgeschlagenen Exponenten den Vorzug geben, was zu einer verstärkten parteipolitischen Ausrichtung der Bundesräte und einer Schwächung oder Aufhebung der Konkordanz führen könnte. Eine Verschärfung des politischen Klimas in der Schweiz wäre die unmittelbare Folge der direkten Bundesratswahl. Die Vereinigte Bundesversammlung scheint ganz klar besser als das Stimmvolk geeignet zu sein, den richtigen Bundesrat zu erkennen und zu wählen. Ferner spricht gegen eine Direktwahl, dass der Wahlkampf von finanzkräftigen Gruppierungen, welche schweizweit teure Kampagnen fahren können, dominiert würde. Parteien mit bescheidenen finanziellen Mitteln würden dadurch einen klaren Nachteil erfahren.

Die Verlockung, sich als Stimmberechtigter an der Urne selber neue Rechte einzuräumen, ist gross. Wer jedoch unser bewährtes politisches System nicht über den Haufen werfen will, ist gut beraten, die Initiative für eine Direktwahl des Bundesrates abzulehnen. Die direkte Bundesratswahl bedeutet nicht nur eine Erweiterung der politischen Rechte der Schweizer Stimmberechtigten sondern vor allem ein Wechsel des politischen Systems! Warum aber sollte man ein funktionierendes System mit einem experimentellen ersetzen? Die Intitiave zielt zudem ganz klar auf einen Machtausbau der SVP ab. Sie will nicht nur ihre Wunschkandidaten in den Bundesrat bringen, sondern liebäugelt insgeheim mit einem dritten Bundesratsitz. Wer weder einen Systemwechsel noch eine totale Dominanz der SVP wünscht, verzichtet besser auf die Enthemmung der Demokratie und sagt Nein zur Volkswahl des Bundesrates.

Never change a working system!

[d.z]




Inter­net Explo­rer — Ein Nekrolog

Krieg! Browserkrieg!

Als Anfang der Neunziger Jahre das Internet zunehmend Bedeutung gewann, entwickelte eine junge Firma eine Software, welche es ermöglichte, strukturierte Inhalte von einem entfernten Server abzurufen und darzustellen. Die Firma hiess Netscape und die Software Netscape Navigator. Es war der erste Webbrowser, der sich rasant verbreitete und schon bald auf jedem internettauglichen Computer lief. In den Anfängen beherrschte Netscape Navigator nur die rudimentäre Darstellung von Text und Bild. Aber das grenzte schon fast an ein Wunder! Die Software-Firma Microsoft war in kürzester Zeit zu einem Riesenkonzern gewachsen und reagierte dementsprechend behäbig auf die Zeichen der Zeit. Es dauerte Jahre, bis die Chefetage von Microsoft das gewaltige Potential des Internets erkannte. Dann aber begriffen die Entscheider von Microsoft, dass der Schlüssel zur Herrschaft über das junge Internet besitzt, wer die Technologien und Standards dieses Mediums kontrolliert. Mircosoft startete die Entwicklung eines eigenen Webbrowsers und gab ihm den Namen Internet Explorer. Damit begann, was als Browserkrieg in die Geschichte eingehen sollte. Netscape, welche den Browser-Markt jahrelang dominierte, wurde vom Giganten Microsoft in einem ungleichen Kampf niedergerungen. Der Netscape Navigator versank langsam in der Bedeutungslosigkeit. Die Entwicklerfirma Netscape wurde von AOL geschluckt, welche später selber im sich konsolidierenden IT-Markt vom Medienkonzern Time Warner übernommen wurde. Der Internet Explorer ging vorerst als unangefochtener Sieger aus dem Browserkrieg hervor.

Die Geister, die ich rief...

Der Internet Explorer verdankte seinen Siegeszug vorest nicht seinen Qualitäten, sondern Microsofts Strategie, den Browser mit dem hauseigenen Betriebsystem Windows zu bündeln. Der Browser des Monopolisten und Marktführers für Betriebsysteme lag nun als Kernkomponente von Windows jedem neu gekauften Computer bei. Netscape Navigator hingegen hätte nachinstalliert werden müssen. Die Installation von Software war damals - verständlicherweise - vielen Computernutzern ein Gräuel. Man liess lieber die Finger davon und nutzte, was vorinstalliert war. So nistete sich der IE auf den Heim-PCs ein. Die Bündelung des IE mit dem Betriebssystem Windows wurde jedoch nicht nur im Marketing und der Logistik, sondern auch in der Software-Entwicklung selber vollzogen. Der Internet Explorer wurde nicht als alleinstehendes Programm, sondern als Komponente des Betriebssystems entworfen. Die Wurzeln dieses Browsers reichten bis tief in den Kern des Betriebssystems Windows. Dieses Konzept galt damals als modern, wurde aber schon bald zum Sicherheitsproblem schlechthin. Denn sollte es einem Angreifer gelingen, eine Schwachstelle im Browser zu finden, wäre eine feindliche Übernahme des Systems, sprich des Computers, nur noch eine Frage der Zeit. In der Folge musste Microsoft Hunderte von Sicherheitslöchern im Internet Explorer stopfen, welche ohne Zutun des Benutzers das Einschleusen von ausführbarem Programmcode ermöglichten. Meist genügte schon das Ansurfen einer vermeintlich harmlosen Webseite, um sich Computerviren, die Pest des digitalen Zeitalters, an Bord zu holen. Microsoft entwickelte neue Versionen des Internet Explorer und versuchte dem Problem Herr zu werden, ohne aber die fatale Verzahnung mit dem Betriebssystem aufzulösen. Das Problem wurde trotz zahlreicher Nachbesserungen nie richtig gelöst, so dass noch im Januar 2010 eine gravierende Sicherheitslücke in den Versionen 6, 7 und 8 des Internet Explorer aktiv ausgenutzt wurde und wird. Software ist generell nicht gefeit vor Sicherheitslücken. In den meisten Fällen können diese behoben werden. Die Geschichte des IE lässt jedoch nur einen Schluss zu: Diese Software ist nicht mehr zu retten. Sie war, ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko für jeden Nutzer des Betriebsystems Windows.

Der IE und die Standards

Auf dem Höhepunkt des Browserkriegs gelang es Microsoft qualitative Akzente zu setzen, indem sie moderne Webstandards in die Entwicklung des IE einfliessen liessen. So wurde auch der technologische Vorsprung auf den Konkurrenten Netscape grösser. Kaum aber war die Schlacht gewonnen, schlief der Riese Microsoft und die Entwicklung des Internet Explorers ein. Nach der Fertigstellung der Version 6, wurde im Jahre 2001 das Entwicklerteam entlassen. Damit war gemäss den Strategen von Mircosoft auch die Entwicklung des Internets abgeschlossen. Dies war eine gewaltige Fehleinschätzung, denn das eigendynamische Web suchte neue Ausdrucksmöglichkeiten und neue  Wege der Vernetzung und Kommunikation. Zu diesem Zweck entwickelte das W3C, ein Verbund von Industriegrössen, die vorhandenen Standards weiter. Doch Microsoft ignorierte diese Bestrebungen und verzichtete bewusst, Neuerungen in den Internet Explorer 6 einzubauen. Da gab es zwar zwei kleine Konkurrenten, welche einen eigenen Browser entwickelten. Microsoft aber nahm diese nicht ernst und trieb den Ausbau des Software-Monopols voran. Zum einen arbeitete die Norwegische Firma Opera am gleichnamigen Browser, welcher die neuesten Standards umsetzte und mit seinem Aussehen und mit seiner Schlankheit Webdesigner und Internet-Entwickler zu begeistern vermochte. Der Sprung in den Massenmarkt blieb Opera aus ähnlichen Gründen, welche den Untergang des Netscape Navigator besiegelten, verwehrt. Gleichzeitig versuchte eine Gruppe von freien Entwicklern, aus dem Programm-Quelltext des tot geglaubten Netscape Navigator einem modernen Browser zu machen. Sie nannten ihre Entwicklung Phoenix.

Der Phönix aus der Asche

Phoenix sollte ein innovativer, schlanker und schneller Webbrowser werden, der sich an die neuesten Standards hält und Anwenderfreundlichkeit und Erweiterbarkeit bietet. Diesem Ziel näherten sie sich an. Nur musste der Name aufgrund markenrechtlicher Probleme zwei Mal gewechselt werden. Aus Phoenix wurde Firebird, aus Firebird schliesslich Firefox. Firefox gelang es, eine schnell wachsende Zahl von Anwendern zu erreichen. Damit wurde klar, dass Microsoft damals bloss eine Schlacht, nicht den Krieg gewonnen hatte. Die zweite Runde des Browserkrieges war eröffnet! Microsoft reagierte und versuchte, mit Adrenalinspritzen und Stromstössen den bewusstlosen Internet Explorer wiederzubeleben. Die Entwicklung wurde wieder aufgenommen. Mit der Veröffentlichung des Internet Explorer 7 im Jahre 2006 scheiterte der erste Versuch sich gegen Trend zu stemmen. Microsoft hatte die technologische Entwicklung über Jahre verschlafen. Ganz abgesehen von Sicherheitsbedenken waren aber weder Anwender noch Entwickler bereit, auf die faszinierenden Möglichkeiten des kommenden Web 2.0 zu verzichten. Während sich Privatanwender massenhaft vom Internet Explorer abwandten, hielt sich der neunjährige Internet Explorer 6, ein Dinosaurier der Softwaregeschichte, bis heute hartnäckig im Firmenumfeld. Angesichts fortgesetzer Sicherheitsprobleme findet auch dort ein Umdenken statt.

In den letzten Atemzügen

Der Internet Explorer liegt im Sterben. Und das ist gut so. Fast ein ganzes Jahrzehnt behinderte er die Evolution des Internets. Er war eine Kette an den Füssen und Händen von Webdesignern und Internet-Entwicklern, die Tausende von Überstunden für die Anpassung, sprich Beugung von Standards an einen kaputten Browser aufgewendet haben. Er war die Hölle für Computernutzer, denen er Viren, Trojaner und Würmer ungefragt installierte. Er war eine Qual für alle Freiwilligen, welche diese Sauerei bei Bekannten und Verwandten in stundenlanger, meist unbezahlter Arbeit wieder aufräumen mussten. Wenig Gutes kann man über ihn sagen. Nur punktuelle Verwendungszwecke hat er noch: Erstens lässt sich damit ein anderer Browser installieren. Davon gibt es heute eine Vielzahl, die alle mehr zu bieten haben haben als der sterbende IE. Finden Sie den Browser ihrer Wahl:





Ferner sollten Sie sich jedoch davor hüten, den Internet Explorer aus ihrem System zu entfernen. Dies könnte Windows unbrauchbar machen. Lassen Sie ihn einfach in Frieden ruhen in seinem Grab. Als Untoter wird er zuweilen ein Windows-Update vornehmen, um danach in die Gruft zurückzukehren. Internet Explorer, wir weinen Dir keine Träne nach. R.I.P.

[d.z]

Weiterführende Links:
IE bleibt Sorgenkind
Neue Lücke im Internet Explorer




Rive-Rei­ne: Lob­by­ing im Geheimen

Jährlich treffen sich die Spitzen aus Wirtschaft und Politik am Genfersee im noblen Palast Rive-Reine, welcher heute als Schulungszentrum des Grosskonzerns Nestlé dient. Nestlé ist Gastgeber dieser Veranstaltung, die unter absolutem Ausschluss der Öffentlichkeit und Medien und unter strikter Geheimhaltung stattfindet. Zu den geladenen Gästen zählen die Topshots der Schweizer Wirtschaft, insbesondere der Pharmaindustrie und der Banken. Eingeladen sind auch Parlamentarier, die  mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den wirtschaftsfreundlichen Parteien der Mitte angehören. Dieser Umstand erstaunt nicht, war doch Alt-Bundesrat und FDP-Mitglied Kaspar Villiger, heute Verwaltungsratspräsident der UBS, lange Organisator dieses Treffens. Regelmässig ist auch der Bundesrat mit zwei Mitgliedern vertreten. Auf geistlichen Beistand wird ebenfalls nicht verzichtet, so dass jedes Jahr zwei hohe Vertreter der beiden Landeskirchen auf der Gästeliste stehen. Die NZZ stellt zwei Moderatoren aus der Wirtschaftredaktion. Über die zur Diskussion stehenden Themen ist wenig bis nichts bekannt, da sich die Gäste anscheinend unisono an das Gebot der Verschwiegenheit halten. So äusserte sich im Jahre 2010 ein von den Medien befragter Teilnehmer aus dem Parlament zu den Inhalten der Gespräche, dass diese nicht geheim sondern lediglich vertraulich seien!

Die Zusammensetzung der Gäste lässt jedoch einige Rückschlüsse über den Sinn und Zweck der Rive-Reine-Tagung zu. Vertreter aus Wirtschaft und Politk üben den Schulterschluss. In Zeiten, in denen die Schweizer Wirtschaft, die Banken und in deren Kielwasser auch die Politik von Krisen geplagt werden, käme man vorerst nicht auf die Idee, das Kind beim Namen zu nennen. Bei neutraler Betrachtung kann diese Annäherung von Wirtschaft und Politik aber nur als das identifiziert werden, was es im Innersten eben ist: Lobbying. Gäbe es eine Pressemitteilung zu dieser Tagung, hiesse es da, dass Vertreter der Politik, der Wirtschaft und der Kirche gemeinsam Lösungen für die dringenden Probleme unserer Zeit suchen. De facto geht es aber darum, bessere Bedingungen für die Wirtschaft zu schaffen oder drohenden Gefahren wie einem Boykott der Schweizer Wirtschaft durch islamische Länder zu begegnen. Wirtschaftsthemen werden die Rive-Reine-Tagung dominieren. Kaum vorstellbar ist, dass der Mitgliederschwund der Landeskirchen Gegenstand der Diskussion ist, obwohl auch zwei klerikale Vertreter zugegen sind. Gerade diese beiden Vertreter der Landeskirchen sollen den Eindruck erwecken, dass ein breiter, alle Schichten der Gesellschaft durchdringender Konsens gesucht wird. Damit haben die beiden Kirchenvertreter ihre Schuldigkeit getan.

Die Schweizer Bevölkerung hat dieses Jahr die Rive-Reine-Tagung in Folge medialer Aufmerksamkeit mit einem gehörigen Mass an Empörung wahrgenommen. Es entspricht nicht unserer direktdemokratischen Tradition, dass hinter verschlossenen Türen über die wirtschaftliche und politische Zukunft der Schweiz entschieden wird. Wahrlich gehört es in der Schweiz zum normalen Sumpf der politischen Entscheidungsfindung, dass Lobbyisten auf unsere gewählten Volksvertreter Einfluss zu nehmen versuchen. Dass sich unsere Regierung mit zwei Bundesräten auf einer Lobbyisten-Tagung blicken lässt, mutet hingegen schon sehr seltsam an. Die Anwesenheit zweier Bundesräte auf einer klandestinen Lobby-Tagung ist unangemessen, da die Regierung in den Verdacht gerät, Spielball von Wirtschaftsinteressen zu sein. Vielleicht trifft dies längst zu. Unser Demokratieverständnis stört sich auf jeden Fall daran, weil dies das Volk als Souverän in Frage stellt. Ungeschickt ist ferner, dass der Bundesrat mit seiner Anwesenheit eine undurchsichtige, nicht-öffentliche, geheime Veranstaltung offizialisiert. Zumindest der Bundesrat sollte diesem Treffen fern bleiben, auch wenn mit einer langjährigen Tradition gebrochen würde. Es ist nicht zu befürchten, dass der Bundesrat mit einem Rückzug den Draht zur Wirtschaft oder den Banken verlieren würde, da ja namhafte Interessenvertreter wie Hr. Eugen Haltiner Gremien der Regierurg sogar vorsitzen.

Der Bundesrat 2010

Immer waren der Öffentlichkeit Treffen, welche sub rosa stattfanden, suspekt. Hängt auch eine Rose an der Decke des Rive-Reine-Palastes, wenn sich die Spitzen aus Wirtschaft und Politik alljährlich treffen? Dumm sind jene Wirtschaftlenker, welche in ihren Konzernen über Abteilungen für transparente Firmenkommunikation verfügen, zugleich aber der Meinung sind, ein undurchsichtiger, geheimer Anlass würde in der Öffentlichkeit auf Akzeptanz oder gar Verständnis stossen. Die Geheimniskrämerei rund um diese Veranstaltung ist kontraproduktiv. Immer wurden geheimniskrämerische Vereinigungen wie die Rosenkreuzer oder Freimaurer argwöhnisch und kritisch beurteilt in der öffentlichen Meinung. Die Rive-Reine-Tagung reiht sich nahtlos in diese Traditon ein. Eine geschlossene Gesellschaft der Mächtigen stösst fernab von Verschwörungstheorien auf Ablehnung, die in einen politischen Willen umschlagen kann. Der politische Wille des Schweizer Volkes scheut sich nicht vor Irrationalität, wie die Minarettinitiave gezeigt hat. Herrn Peter Brabeck, seines Zeichens Konzernchef von Nestlé und Hausherr der Rive-Reine-Tagung, wäre es zu empfehlen, dass er vorübergehend seine PR-Maschinerie zweckentfremdet oder zumindest ausgewählten Journalisten den Zutritt zur Tagung gewährt. Die Öffentlichkeit begehrt Einlass!

Abgesehen von dieser singulären Veranstaltung sollte das Thema Lobbying verstärkt diskutiert werden in der Schweiz. Lobbying und Bestechung sind nicht weit voneinader entfernt. Lobbying ist Bestechung der raffinierten Art. Direktzahlungen werden vermieden, Zuwendungen verlassen nicht den Rahmen des Alltäglichen, Versprechungen werden nicht explizit geäussert, ein kleiner Tipp erfüllt zuweilen seinen Zweck, Andeutungen über eine frei werdende Stelle erscheinen unverbindlich, eine Parteispende wird in Aussicht gestellt. Lobbying als Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik wird professionell betrieben. In der Wandelhalle unseres Bundeshauses trifft man nicht selten Interessenvertreter der Wirtschaft, der Banken und der Industrie. Lobbying untergräbt aber demokratische Prozesse, da die politische Entscheidungsfindung manipuliert wird mit zwielichtigen Mitteln, welche dem Volk nicht zur Verfügung stehen. In den Vereinigten Staaten gab es schon eine Reihe handfester Lobbying-Skandale. Auch in Europa kennt man die Problematik, da in Brüssel und Strassburg Lobbyisten wie Fliegen um die Zentren der Macht schwirren. Lobbying gehört auf die politische Traktandenliste, ganz abgesehen von der ungeschickt (nicht-)inszenierten Rive-Reine-Tagung.

[d.z]




Hal­lo, ich bin neu hier!

Hier werde ich Gedanken zu aktuellen Themen festhalten und versuchen, meine alte und fast eingerostete Leidenschaft für das Schreiben wieder zu entfachen. Ich werde mich auf eine Vielzahl von Themen einlassen, seien es tagespolitsche, seien es philosophische oder fachspezifische.

[d.z]