Rive-Rei­ne: Lob­by­ing im Geheimen

1Jähr­lich tref­fen sich die Spit­zen aus Wirt­schaft und Poli­tik am Gen­fer­see im noblen Palast Rive-Rei­ne, wel­cher heu­te als Schu­lungs­zen­trum des Gross­kon­zerns Nest­lé dient. Nest­lé ist Gast­ge­ber die­ser Ver­an­stal­tung, die unter abso­lu­tem Aus­schluss der Öffent­lich­keit und Medi­en und unter strik­ter Geheim­hal­tung statt­fin­det. Zu den gela­de­nen Gäs­ten zäh­len die Topshots der Schwei­zer Wirt­schaft, ins­be­son­de­re der Phar­ma­in­dus­trie und der Ban­ken. Ein­ge­la­den sind auch Par­la­men­ta­ri­er, die  mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit den wirt­schafts­freund­li­chen Par­tei­en der Mit­te ange­hö­ren. Die­ser Umstand erstaunt nicht, war doch Alt-Bun­des­rat und FDP-Mit­glied Kas­par Vil­li­ger, heu­te Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent der UBS, lan­ge Orga­ni­sa­tor die­ses Tref­fens. Regel­mäs­sig ist auch der Bun­des­rat mit zwei Mit­glie­dern ver­tre­ten. Auf geist­li­chen Bei­stand wird eben­falls nicht ver­zich­tet, so dass jedes Jahr zwei hohe Ver­tre­ter der bei­den Lan­des­kir­chen auf der Gäs­te­lis­te ste­hen. Die NZZ stellt zwei Mode­ra­to­ren aus der Wirt­schaft­re­dak­ti­on. Über die zur Dis­kus­si­on ste­hen­den The­men ist wenig bis nichts bekannt, da sich die Gäs­te anschei­nend uni­so­no an das Gebot der Ver­schwie­gen­heit hal­ten. So äus­ser­te sich im Jah­re 2010 ein von den Medi­en befrag­ter Teil­neh­mer aus dem Par­la­ment zu den Inhal­ten der Gesprä­che, dass die­se nicht geheim son­dern ledig­lich ver­trau­lich seien!

Die Zusam­men­set­zung der Gäs­te lässt jedoch eini­ge Rück­schlüs­se über den Sinn und Zweck der Rive-Rei­ne-Tagung zu. Ver­tre­ter aus Wirt­schaft und Politk üben den Schul­ter­schluss. In Zei­ten, in denen die Schwei­zer Wirt­schaft, die Ban­ken und in deren Kiel­was­ser auch die Poli­tik von Kri­sen geplagt wer­den, käme man vor­erst nicht auf die Idee, das Kind beim Namen zu nen­nen. Bei neu­tra­ler Betrach­tung kann die­se Annä­he­rung von Wirt­schaft und Poli­tik aber nur als das iden­ti­fi­ziert wer­den, was es im Inners­ten eben ist: Lob­by­ing. Gäbe es eine Pres­se­mit­tei­lung zu die­ser Tagung, hies­se es da, dass Ver­tre­ter der Poli­tik, der Wirt­schaft und der Kir­che gemein­sam Lösun­gen für die drin­gen­den Pro­ble­me unse­rer Zeit suchen. De fac­to geht es aber dar­um, bes­se­re Bedin­gun­gen für die Wirt­schaft zu schaf­fen oder dro­hen­den Gefah­ren wie einem Boy­kott der Schwei­zer Wirt­schaft durch isla­mi­sche Län­der zu begeg­nen. Wirt­schafts­the­men wer­den die Rive-Rei­ne-Tagung domi­nie­ren. Kaum vor­stell­bar ist, dass der Mit­glie­der­schwund der Lan­des­kir­chen Gegen­stand der Dis­kus­si­on ist, obwohl auch zwei kle­ri­ka­le Ver­tre­ter zuge­gen sind. Gera­de die­se bei­den Ver­tre­ter der Lan­des­kir­chen sol­len den Ein­druck erwe­cken, dass ein brei­ter, alle Schich­ten der Gesell­schaft durch­drin­gen­der Kon­sens gesucht wird. Damit haben die bei­den Kir­chen­ver­tre­ter ihre Schul­dig­keit getan.

Die Schwei­zer Bevöl­ke­rung hat die­ses Jahr die Rive-Rei­ne-Tagung in Fol­ge media­ler Auf­merk­sam­keit mit einem gehö­ri­gen Mass an Empö­rung wahr­ge­nom­men. Es ent­spricht nicht unse­rer direkt­de­mo­kra­ti­schen Tra­di­ti­on, dass hin­ter ver­schlos­se­nen Türen über die wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Zukunft der Schweiz ent­schie­den wird. Wahr­lich gehört es in der Schweiz zum nor­ma­len Sumpf der poli­ti­schen Ent­schei­dungs­fin­dung, dass Lob­by­is­ten auf unse­re gewähl­ten Volks­ver­tre­ter Ein­fluss zu neh­men ver­su­chen. Dass sich unse­re Regie­rung mit zwei Bun­des­rä­ten auf einer Lob­by­is­ten-Tagung bli­cken lässt, mutet hin­ge­gen schon sehr selt­sam an. Die Anwe­sen­heit zwei­er Bun­des­rä­te auf einer klan­des­ti­nen Lob­by-Tagung ist unan­ge­mes­sen, da die Regie­rung in den Ver­dacht gerät, Spiel­ball von Wirt­schafts­in­ter­es­sen zu sein. Viel­leicht trifft dies längst zu. Unser Demo­kra­tie­ver­ständ­nis stört sich auf jeden Fall dar­an, weil dies das Volk als Sou­ve­rän in Fra­ge stellt. Unge­schickt ist fer­ner, dass der Bun­des­rat mit sei­ner Anwe­sen­heit eine undurch­sich­ti­ge, nicht-öffent­li­che, gehei­me Ver­an­stal­tung offi­zia­li­siert. Zumin­dest der Bun­des­rat soll­te die­sem Tref­fen fern blei­ben, auch wenn mit einer lang­jäh­ri­gen Tra­di­ti­on gebro­chen wür­de. Es ist nicht zu befürch­ten, dass der Bun­des­rat mit einem Rück­zug den Draht zur Wirt­schaft oder den Ban­ken ver­lie­ren wür­de, da ja nam­haf­te Inter­es­sen­ver­tre­ter wie Hr. Eugen Hal­ti­ner Gre­mi­en der Regier­urg sogar vorsitzen.

Der Bundesrat 20102

Immer waren der Öffent­lich­keit Tref­fen, wel­che sub rosa3 statt­fan­den, suspekt. Hängt auch eine Rose an der Decke des Rive-Rei­ne-Palas­tes, wenn sich die Spit­zen aus Wirt­schaft und Poli­tik all­jähr­lich tref­fen? Dumm sind jene Wirt­schaft­len­ker, wel­che in ihren Kon­zer­nen über Abtei­lun­gen für trans­pa­ren­te Fir­men­kom­mu­ni­ka­ti­on ver­fü­gen, zugleich aber der Mei­nung sind, ein undurch­sich­ti­ger, gehei­mer Anlass wür­de in der Öffent­lich­keit auf Akzep­tanz oder gar Ver­ständ­nis stos­sen. Die Geheim­nis­krä­me­rei rund um die­se Ver­an­stal­tung ist kon­tra­pro­duk­tiv. Immer wur­den geheim­nis­krä­me­ri­sche Ver­ei­ni­gun­gen wie die Rosen­kreu­zer oder Frei­mau­rer arg­wöh­nisch und kri­tisch beur­teilt in der öffent­li­chen Mei­nung. Die Rive-Rei­ne-Tagung reiht sich naht­los in die­se Tra­di­ton ein. Eine geschlos­se­ne Gesell­schaft der Mäch­ti­gen stösst fern­ab von Ver­schwö­rungs­theo­rien auf Ableh­nung, die in einen poli­ti­schen Wil­len umschla­gen kann. Der poli­ti­sche Wil­le des Schwei­zer Vol­kes scheut sich nicht vor Irra­tio­na­li­tät, wie die Mina­ret­t­in­itia­ve gezeigt hat. Herrn Peter Bra­beck, sei­nes Zei­chens Kon­zern­chef von Nest­lé und Haus­herr der Rive-Rei­ne-Tagung, wäre es zu emp­feh­len, dass er vor­über­ge­hend sei­ne PR-Maschi­ne­rie zweck­ent­frem­det oder zumin­dest aus­ge­wähl­ten Jour­na­lis­ten den Zutritt zur Tagung gewährt. Die Öffent­lich­keit begehrt Einlass!

Abge­se­hen von die­ser sin­gu­lä­ren Ver­an­stal­tung soll­te das The­ma Lob­by­ing ver­stärkt dis­ku­tiert wer­den in der Schweiz. Lob­by­ing und Bestechung sind nicht weit von­ein­ader ent­fernt. Lob­by­ing ist Bestechung der raf­fi­nier­ten Art. Direkt­zah­lun­gen wer­den ver­mie­den, Zuwen­dun­gen ver­las­sen nicht den Rah­men des All­täg­li­chen, Ver­spre­chun­gen wer­den nicht expli­zit geäus­sert, ein klei­ner Tipp erfüllt zuwei­len sei­nen Zweck, Andeu­tun­gen über eine frei wer­den­de Stel­le erschei­nen unver­bind­lich, eine Par­tei­spen­de wird in Aus­sicht gestellt. Lob­by­ing als Ein­fluss­nah­me der Wirt­schaft auf die Poli­tik wird pro­fes­sio­nell betrie­ben. In der Wan­del­hal­le unse­res Bun­des­hau­ses trifft man nicht sel­ten Inter­es­sen­ver­tre­ter der Wirt­schaft, der Ban­ken und der Indus­trie. Lob­by­ing unter­gräbt aber demo­kra­ti­sche Pro­zes­se, da die poli­ti­sche Ent­schei­dungs­fin­dung mani­pu­liert wird mit zwie­lich­ti­gen Mit­teln, wel­che dem Volk nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. In den Ver­ei­nig­ten Staa­ten gab es schon eine Rei­he hand­fes­ter Lob­by­ing-Skan­da­le. Auch in Euro­pa kennt man die Pro­ble­ma­tik, da in Brüs­sel und Strass­burg Lob­by­is­ten wie Flie­gen um die Zen­tren der Macht schwir­ren. Lob­by­ing gehört auf die poli­ti­sche Trak­tan­den­lis­te, ganz abge­se­hen von der unge­schickt (nicht-)inszenierten Rive-Reine-Tagung.

[d.z]

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