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Der gestutz­te Adler — Aar­au im gol­de­nen Käfig

In Aarau steigt gerade das Volksmusikfest unter dem Motto «Der Adler ist los«. Private Organisatoren besetzen die gesamte Innenstadt, welche wohlverstanden zum öffentlichen Raum gehört. Das Fest wird durch den Verkauf von Plaketten finanziert. Nun hat man versucht, diesen Verkauf halb-verbindlich zu gestalten. Der Eingang zur Stadt wird auf wenige Zugänge beschränkt. Dort stehen ein Zivilschützer und ein Securitas-Angestellter.

Auf die Frage, was genau ihre Aufgabe sei, haben sie geantwortet, dass sie die Besucher unverbindlich zum Kauf einer Plakette auffordern sollen. Ihre Anwesenheit und Erscheinung sprechen aber eine ziemlich verbindliche und unmissverständliche Sprache. Bewohner dieser Stadt werden wieder einmal düpiert. Das Volksmusikfest, welches zu Gast in Aarau ist, stellt das Wegrecht der Bürger - wenn auch "unverbindlich" in Frage. Es wird aber insofern eingeschränkt, dass die Einwohner nur noch durch bestimmte Zugänge in die Stadt gelangen können. Ferner müssen sie eine unverbindliche Aufforderung über sich ergehen lassen, auch wenn sie _nicht_ am Volksmusikfest teilnehmen wollen.

Wieder versäumen Organisatoren, sich mit den Einwohnern dieser Stadt zu verständigen. Erinnerungen werden wach. Vor Jahrzehnten fand in Aarau ein Fest der Superlative (auch in Sachen Verlusten) statt. Der Anlass hiess Aar-Grandissimo. Die Innenstadt wurde abgesperrt. Selbst Einwohner der Innenstadt wurden zum Kauf einer Plakette genötigt - von Kindern. Für Bewohner der Altstadt war das ein Affront sondergleichen. Natürlich war diese Abriegelung aus rechtlichen Gesichtspunkten überhaupt nicht haltbar und insofern perfid, als Kinder zu Vollstreckern gemacht wurden.

Die Verantwortlichen des Volksmusikfestes scheinen nun einen ebenso perfiden Mittelweg gefunden zu haben. Sie stellen einen Securitas-Mitarbeiter und einen Zivilschützer an die wenigen Zugänge zur Altstadt. Ihre Anwesenheit suggeriert die Pflicht, eine Plakette zu kaufen. Nur auf Nachfrage weisen sie auf die Unverbindlichkeit des Kaufes hin. Viele kaufen somit eine Plakette ohne über die Modalitäten aufgeklärt worden zu sein. Der Kauf ist nichtig, da er aufgrund eines Irrtums, bzw. einer Täuschung zustande gekommen ist. Die Plaketten können zurückgegeben werden, und der Kaufpreis muss zurückerstattet werden. Diese gilt für alle, welche unter Annahme einer Kaufpflicht eine Plakette gekauft haben.

Ferner sind sämtliche Abschrankungen zur Altstadt sofort zu entfernen. Sie beschränken das Wegrecht von Aaraus Einwohnern, die diese Altstadt mit ihren Steuern finanziert haben. Die Finanzierung dieses Festes gelingt auch ohne Täuschungen. Besucher des Volksmusikfestes kaufen ohne perfide Tricks eine Plakette. Schade, dass den Veranstaltern das Vertrauen in ihre Klientel fehlt, und dass sie die Einwohner dieser Stadt vor den Kopf stossen müssen.

Weg mit den Abschrankungen! Weg mit den «unverbindlichen» Zugangskontrollen! Der Adler muss frei sein, der Adler muss fliegen!




Gekauf­te Pres­se — über die Rol­le der Medi­en bei Wahlen

Unabhängig soll die Presse sein, lautet der Grundtenor. Die vierte Macht im Staat werden die Medien gerne genannt. Die Presse selbst bezeichnet Unabhängigkeit als ihre Maxime. Trotzdem wird sie nicht müde diese eigenhändig aufzuweichen. Nicht nur Eigenwerbung wie «meinungsstark» sondern auch tendenziöse Berichterstattung vor Nationalratswahlen werfen ein schlechtes Licht auf die Neutralität der Presse.

Wer ist eigentlich Philipp Müller? Noch vor Wochen hätten viele geantwortet, dass sie diesen Namen schon einmal gehört hätten, dass sie aber keine Ahnung hätten, was der eigentlich tut. Mittlerweile kennen alle die Farbe von Müllers Unterhosen. Müller, der Hemdsärmlige. Müller, der Anpacker. Müller, der Macher. Müller, der Problemlöser. Müller, der Erlöser. Mit solchen Schlagzeilen hat uns die Presse in den letzten Wochen zuge-müll-ert.

Sogar das SVP-Blatt «Weltwoche» widmet der FDP eine prominente Titelstory: "Die FDP gibt Gas". Die Titelseite zeigt einen karikierten Müller, der im Kinderauto den Konkurrenten davonbraust. Müller ist im Trend, reitet auf der Welle des Erfolges und gibt sofort das sportliche Ziel von 18 Prozent Wähleranteil heraus. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den 18-Prozent-Möllemann (FDP) aus Deutschland? Tief ist er gefallen, in Prozenten. Unser Müllermann aber startet raketenhaft durch und kennt nur eine Richtung. Hoffentlich spielt ihm die politische Gravitation keinen Streich.

Auf der anderen Seite tobt die Köppel-Mania. Medien werden von diesem Polarisierer angezogen wie die Motten vom Licht. Nicht nur seine Anhänger sondern auch seine politischen Gegner sind fasziniert und angewidert zugleich von seiner Art und seinen Aussagen. Köppel ist gefragt. Er repräsentiert die neue intellektuelle Elite der SVP, einer ehemaligen Bauernpartei. Dieser Reizfigur wird eine mediale Plattform nach der anderen geboten. Köppel garantiert Einschaltquoten. Es ist aus Sicht der Medienverantwortlichen ziemlich egal, was er inhaltlich absondert.

Sind es nur die Quoten, welche zählen und die Omnipräsenz solcher Figuren ausmachen? Es gibt einen anderen Faktor, der gerne übersehen wird. Die grossen Parteien pumpen Unmengen Geld in die Verlage und Medienhäuser - in Form von Werbung und Inseraten. Die gebeutelte Presse schwimmt endlich wieder im Geld. Inserate-Abteilung und Redaktion sind strikte getrennt, lautet das Mantra der Medienschaffenden. Doch psychologisch ist es mehr als wahrscheinlich, dass man die politischen Investoren nicht verägern wird oder ihnen sogar zusätzlichen Raum verschafft - in der Hoffnung auf weitere Investitionen.

Das erklärt, warum Kleinparteien sozusagen aus der politischen Berichterstattung verschwinden. Vor den Wahlen veranstaltet die Presse gerne ein Kleinparteien-Schauen. Dort stellt man diese Wilden in Käfigen vor das belustigte Publikum. Vielleicht bittet man sie, ein Tänzchen aufzuführen: «Tanz, Exot, tanz!». In der entscheidenden Wahlphase blendet die Presse diese Parteien dann komplett aus. Plötzlich gibt es beispielsweise im Aargau nur noch sieben Parteien, obwohl 16 Listen zur Wahl antreten. Umfragen ignorieren Kleinparteien generell oder führen komplett falsche Listen. Nach einer 20-Minuten-Umfrage treten im Aargau die AL (Alternative Liste) und die SD (Schweizer Demokraten) an. Das ist absoluter Unsinn. Parteien, welche tatsächlich antreten, werden nicht genannt. Ist das Kalkül oder Stümperei? Beides ist nicht zu entschuldigen.

Der Wähler kann sich ein Bild der politischen Landschaft machen, heisst es. Leider zeigt die Presse dem Wähler aber nur einen kleinen Ausschnitt. Die Presse schwört den Leser und Wähler auf die etablierten Parteien ein. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Kleinparteien auch in Zukunft klein bleiben. Die "unabhängige" Presse trägt ihren Teil dazu bei. Nun bleibt die grosse Frage: Ist die Presse käuflich?

Ja. Nur handelt es sich nicht um Korruption sondern um ein intertemporales Tauschgeschäft. Verliererin ist die Demokratie.