WTF smar­te Lautsprecher

#tldr: Die Tech-Gigan­ten drän­gen in unse­rer Wohn- und Schlaf­zim­mer. Der «Point-of-Sale» wird mit­tels smar­ten Laut­spre­chern noch näher an die Kon­su­men­tin­nen her­an­ge­rückt. Die­se Gerä­te ver­spre­chen «smart», also schlau zu sein und laut zu spre­chen. Doch um über­haupt zu spre­chen, das weiss jedes Kind, muss man zuerst ein­mal zuhören.

Die­se schein­bar «smar­ten Laut­spre­cher» sind auf Zuhö­ren getrimmt, um über­haupt Sprach­be­feh­le zu emp­fan­gen. Sie las­sen sich per Akti­vie­rungs­wort ein­schal­ten oder mit einem Knopf­druck stumm­schal­ten. Wenn sie aber ein­mal ein­ge­schal­tet sind, hören sie den Men­schen, die sich im Haus­halt befin­den zu, also auch Freun­den, Nach­barn, Bekann­ten und Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen, die sich gera­de zufäl­lig im Emp­fangs­be­reich die­ser Hör­ge­rä­te befin­den. So wer­den Unbe­tei­lig­te unwis­sent­lich in die Matrix der Big Data inte­griert. Face­book lässt grüssen.

Gewiss ver­spre­chen die Anbie­ter die­ser Hör­ge­rä­te, dass nur spe­zi­fi­sche Ein­ga­ben über­tra­gen und gespei­chert wer­den. Dabei geht schnell ver­ges­sen, dass es sich bei die­sen spre­chen­den Mikro­fo­nen, um anfäl­li­ge Com­pu­ter han­delt, wel­che auch mal fern- und fremd­ge­steu­ert wer­den kön­nen. Selbst der gröss­te Freund der Pri­vat­sphä­re, Mark Zucker­berg, deckt sei­ne Lap­top-Kame­ra ab, weil er nur zu gut weiss, dass man nie ganz Herr sei­ner digi­ta­len Arbeits­ge­rä­te sein kann.

Zuckerbergs abgedeckte Laptop-Kamera
War­um nur deckt Zuck sei­ne Lap­top-Kame­ra ab?

Men­schen stel­len sich nun frei­wil­lig «smar­te Laut­spre­cher» in Ihre intims­ten vier Wän­de, ohne über­haupt zu wis­sen, wer die­se kon­trol­liert, was sie wei­ter­ge­ben, wie die­se wei­ter­ge­ge­be­nen Daten ver­ar­bei­tet wer­den oder wie lan­ge die­se Daten gespei­chert wer­den. Wer den IT-Kon­zer­nen sein eige­nes iden­ti­fi­zier­ba­res Stimm­mus­ter schen­ken möch­te, liegt mit der Anschaf­fung eines «smar­ten Laut­spre­chers» sicher­lich rich­tig. Womög­lich schenkt er Ihnen zugleich sämt­li­che Meta­da­ten sei­nes Lebens: Tages­ab­lauf, Wochen­ab­lauf, Vor­lie­ben, Gewohn­hei­ten und vie­les mehr. Weni­ger smart ist der Umstand, dass sol­che Gerä­te auch die Stimm­mus­ter und Namen von Drit­ten ver­ra­ten, falls sie mal aus Ver­se­hen ein­ge­schal­tet sein soll­ten. In eini­gen Län­dern Euro­pas könn­te dies sogar ver­bo­ten sein.

Den­ken wir aber ein­mal an die Vor­tei­le die­ser Abhör­ge­rä­te. Beim bes­ten Wil­len fällt mir nichts ein, wozu nicht auch ein Smart­phone oder ein Tablet imstan­de wäre. Es gibt doch bereits Laut­spre­cher, die Musik draht­los von Tablets und Smart­phones abspie­len. Die­se Laut­spre­cher funk­tio­nie­ren und sind gera­de so smart, wie sie sein müs­sen: gar nicht. War­um also wol­len uns IT-Kon­zer­ne unbe­dingt die­se «Smart Spea­k­ers» auf­drän­gen? Ein Grund dafür ist sicher­lich, dass die Tech-Gigan­ten noch wei­ter in das Pri­vat­le­ben der Nut­ze­rinn­nen ein­drin­gen wol­len. Es geht dar­um, eine Ver­kaufs- und Wer­be­platt­form direkt bei den Kun­den ein­zu­rich­ten. Eine freund­lich klin­gen­de Stim­me wird die Umsät­ze von digi­ta­len und rea­len Pro­duk­ten «sky­ro­cke­ten», sprich durch die Decke gehen lassen.

In ers­ter Linie geht es den Kon­zer­nen also um Geld. Hin­ter­grün­dig jedoch trai­nie­ren sie mit den mensch­li­chen Sprach­in­puts auch ihre KIs, die sprach­li­che Äus­se­run­gen immer bes­ser ver­ste­hen ler­nen. Der Kon­su­ment trai­niert kos­ten­los die KIs der Tech­no­lo­gie-Rie­sen. Die sprach­li­chen Ein­ga­ben von Mil­lio­nen Men­schen wer­den die­se künst­li­chen Intel­li­gen­zen sehr schnell per­fek­tio­nie­ren. Bald wird man Siri, Cort­a­na, Ale­xa — und wie sie alle heis­sen — nicht mehr von Men­schen unter­schei­den kön­nen. Bald wer­den wir den Laut­spre­cher Freun­din nen­nen und ihr alles abneh­men, anver­trau­en, abkau­fen. Die Kun­din­nen ver­lie­ren Geld, Daten und ihr Pri­vat­le­ben. Die Kon­zer­ne hin­ge­gen ver­die­nen sich eine gol­de­ne Nase. Das ist der Plan.

Bei die­sem ein­sei­ti­gen Spiel soll­ten wir nicht mit­spie­len. Die Kon­su­men­tin­nen soll­ten tun­lichst die Fin­ger von die­sen Gerä­ten las­sen. Las­sen wir uns nicht von Mar­ke­ting-Sprech täu­schen und nen­nen die­se Gerä­te bei ihrem rich­ti­gen Namen: Die­se «smar­ten Laut­spre­cher» sind nichts Ande­res als fie­se Abhör­wan­zen, die unser Kon­sum­ver­hal­ten len­ken wol­len. Dar­über hin­aus ver­fü­gen sie über ein enor­mes Miss­brauchs­po­ten­zi­al im Bezug auf Daten­schutz und Pri­vat­sphä­re. Noch vor zehn Jah­ren hät­ten Men­schen sol­che Gerä­te für eine Orwell­sche Dys­to­pie gehalten.

Das kür­zes­te Fazit aller Zei­ten: Nicht kaufen.

Update vom 20.12.2018: Es kommt, wie es kom­men muss­te. Ama­zon gibt inti­me Ale­xa-Sprach­da­tei­en preis1. (heise.de2)

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