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Das zwei­te Wun­der von Bern

Es ist kaum zu glauben. Pünktlich zu Weihnachten meldet das BAG (Bundesamt für Gesundheit) keine Neuinfektionen in der Schweiz. Die Schweiz ist somit das erste europäische Land, welches als vollständig corona-befreit gilt. Niemand wollte oder konnte kommentieren, wie es zu diesem Wunder gekommen ist. Sämtliche Mitarbeiter des Bundesamtes waren nicht zu erreichen. Ein Insider verriet, dass sich die meisten nun eine wohlverdiente Auszeit auf den Skipisten des Wallis gönnen.

Aus diesem erfreulichen Anlass lädt die Schweiz nun die ganze Welt ein, mit ihr zu feiern. Auch Flieger aus dem Pandemie geschüttelten Vereinigten Königreich landen wieder auf Schweizer Flughäfen. Die Befürchtung, dass mit den internationalen Besuchern das Virus wieder in die Schweiz importiert werde, teilt Maul- und Klauenseuchen-Experte Hörbi Figglistaler nicht. Es sei mittlerweile erwiesen, dass sich das Virus in der Schweizer Luft, insbesondere der Bergluft, nicht entfalten könne, so Figglistaler. Er bezeichnet die Schweiz sogar als «Virenfilter» für die ganze Welt.

Feiernde Menschen liegen sich auf den Strassen in den Armen. Der schwyzerische Jodlerchor «Ischglich» gibt einen spontanen Gig im Sääli des Leuen von Nottiswil. Das Schweizer Fernsehen übeträgt live. Die Kirchen des Landes füllen sich mit seelisch ausgehungerten Menschen. In den Pubs und Bars prustet die 24-Stunden-Spassgesellschaft wieder fröhlich Bier in die Runde. Zuschauer aus der ganzen Schweiz besuchen spontan einen Match des FC Aarau im nostalgisch anmutenden Brügglifeld. Der FC Aarau bedankt sich bei 15‘742 Zuschauer. Ein Rekord!

Noch kämpfen aber die Spitäler mit zahlreichen Grippe-Patienten. Doch die Ärzte sind optimistisch, dass bei der momentanen Sterberate bald wieder genügend Betten für die Ski-Unfallopfer frei werden. „Wir werden unseren Saison-Auftrag erfüllen können.“, sagt Rita Dumbel, Chef-Lobbyistin der kranken Kassen. Sie betont auch, dass gerade Ski-Unfälle wichtig für die Gesundheit seien. Ueli Mauer, Bundesrat für finanzielle Werte, sieht sich in seiner kritischen Haltung bestätigt. Die Güterabwägung sei richtig gewesen, er könne jetzt immerhin Christoph Blochers Rente bezahlen, so ein sichtlich zufriedener Maurer.

In der Schweiz pulsiert das Leben wieder. Der Dank gebührt vor allem unserem Krankenminister, Alain Berserc, der unermüdlich die Eigenverantwortung der EinwohnerInnen und der Kantone einforderte. Diese haben ihrerseits alles richtig unterlassen. Politologe Claude Courtchampagne spricht von einem veritablen Siegeszug des Föderalismus. „Die Strahlkraft des schweizerischen Erfolgsmodelles sei nie grösser gewesen“, schliesst Courtchampagne. „Ende gut, alles gut“, titelt das Schweizer Hochglanz-Blatt «Block». Wir von der Redaktion «GAGA» können uns dem natürlich nur anschliessen und wünschen allen EinwohnerInnen dieses grossartigen Landes frohe und ausgelassene Festtage im Kreise der Grossfamilie. Prosit!




Gekauf­te Pres­se — über die Rol­le der Medi­en bei Wahlen

Unabhängig soll die Presse sein, lautet der Grundtenor. Die vierte Macht im Staat werden die Medien gerne genannt. Die Presse selbst bezeichnet Unabhängigkeit als ihre Maxime. Trotzdem wird sie nicht müde diese eigenhändig aufzuweichen. Nicht nur Eigenwerbung wie «meinungsstark» sondern auch tendenziöse Berichterstattung vor Nationalratswahlen werfen ein schlechtes Licht auf die Neutralität der Presse.

Wer ist eigentlich Philipp Müller? Noch vor Wochen hätten viele geantwortet, dass sie diesen Namen schon einmal gehört hätten, dass sie aber keine Ahnung hätten, was der eigentlich tut. Mittlerweile kennen alle die Farbe von Müllers Unterhosen. Müller, der Hemdsärmlige. Müller, der Anpacker. Müller, der Macher. Müller, der Problemlöser. Müller, der Erlöser. Mit solchen Schlagzeilen hat uns die Presse in den letzten Wochen zuge-müll-ert.

Sogar das SVP-Blatt «Weltwoche» widmet der FDP eine prominente Titelstory: "Die FDP gibt Gas". Die Titelseite zeigt einen karikierten Müller, der im Kinderauto den Konkurrenten davonbraust. Müller ist im Trend, reitet auf der Welle des Erfolges und gibt sofort das sportliche Ziel von 18 Prozent Wähleranteil heraus. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den 18-Prozent-Möllemann (FDP) aus Deutschland? Tief ist er gefallen, in Prozenten. Unser Müllermann aber startet raketenhaft durch und kennt nur eine Richtung. Hoffentlich spielt ihm die politische Gravitation keinen Streich.

Auf der anderen Seite tobt die Köppel-Mania. Medien werden von diesem Polarisierer angezogen wie die Motten vom Licht. Nicht nur seine Anhänger sondern auch seine politischen Gegner sind fasziniert und angewidert zugleich von seiner Art und seinen Aussagen. Köppel ist gefragt. Er repräsentiert die neue intellektuelle Elite der SVP, einer ehemaligen Bauernpartei. Dieser Reizfigur wird eine mediale Plattform nach der anderen geboten. Köppel garantiert Einschaltquoten. Es ist aus Sicht der Medienverantwortlichen ziemlich egal, was er inhaltlich absondert.

Sind es nur die Quoten, welche zählen und die Omnipräsenz solcher Figuren ausmachen? Es gibt einen anderen Faktor, der gerne übersehen wird. Die grossen Parteien pumpen Unmengen Geld in die Verlage und Medienhäuser - in Form von Werbung und Inseraten. Die gebeutelte Presse schwimmt endlich wieder im Geld. Inserate-Abteilung und Redaktion sind strikte getrennt, lautet das Mantra der Medienschaffenden. Doch psychologisch ist es mehr als wahrscheinlich, dass man die politischen Investoren nicht verägern wird oder ihnen sogar zusätzlichen Raum verschafft - in der Hoffnung auf weitere Investitionen.

Das erklärt, warum Kleinparteien sozusagen aus der politischen Berichterstattung verschwinden. Vor den Wahlen veranstaltet die Presse gerne ein Kleinparteien-Schauen. Dort stellt man diese Wilden in Käfigen vor das belustigte Publikum. Vielleicht bittet man sie, ein Tänzchen aufzuführen: «Tanz, Exot, tanz!». In der entscheidenden Wahlphase blendet die Presse diese Parteien dann komplett aus. Plötzlich gibt es beispielsweise im Aargau nur noch sieben Parteien, obwohl 16 Listen zur Wahl antreten. Umfragen ignorieren Kleinparteien generell oder führen komplett falsche Listen. Nach einer 20-Minuten-Umfrage treten im Aargau die AL (Alternative Liste) und die SD (Schweizer Demokraten) an. Das ist absoluter Unsinn. Parteien, welche tatsächlich antreten, werden nicht genannt. Ist das Kalkül oder Stümperei? Beides ist nicht zu entschuldigen.

Der Wähler kann sich ein Bild der politischen Landschaft machen, heisst es. Leider zeigt die Presse dem Wähler aber nur einen kleinen Ausschnitt. Die Presse schwört den Leser und Wähler auf die etablierten Parteien ein. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Kleinparteien auch in Zukunft klein bleiben. Die "unabhängige" Presse trägt ihren Teil dazu bei. Nun bleibt die grosse Frage: Ist die Presse käuflich?

Ja. Nur handelt es sich nicht um Korruption sondern um ein intertemporales Tauschgeschäft. Verliererin ist die Demokratie.