1

Was kann Midjourney?

Diese und viele noch nicht veröffentlichte Bilder habe ich zusammen mit der bild-generierenden Software Midjourney erstellt. Ich bin mir der Kontroverse um solche von KIs generierten Bilder bewusst und nenne diese deshalb auch nicht Kunst. In einem Bild wurde der grossartige Maler Jose Royo insofern zitiert, als die KI anhand seines Malstiles und meiner textuellen Beschreibung ein bislang unbekanntes und einmaliges Portrait entworfen hat. In einem anderen Bild wurde der fantastische Jeff Koons gewürdigt. Die Entwicklung dieser KI ist so rasant, dass sie auch in Zukunft nicht nur für ungläubiges Staunen, sondern auch weitere Kontroversen sorgen wird. Die Verwendung dieser Bilder unterliegt der unten aufgeführten CC-Lizenz.




DSGVO und die Schweiz

DSVGO oder GDPR?! Ganz Europa spricht im Moment davon. Ganz? Nein, das Land der HelvetierInnen hört nichts davon, weiss nichts davon, kümmert sich wie oft nicht darum, was jenseits der geistigen Barrikaden vor sich geht. Auf der Insel der Glückseligen, wo fremde Richter gerade Gefahr laufen, entmachtet zu werden, will sich niemand um fremde Gesetze kümmern. Ein solcher Erlass ist die EU-DSGVO. In der ungekürzten Version heisst er Europäische Datenschutz-Grundverordnung. Diese tritt am 25. Mai 2018 in Kraft und wird kräftig am vermeintlichen Unbeteiligtsein von Schweizer Firmen, Institutionen und Privatpersonen rütteln.

«EU-Was?!» kann uns doch gestohlen bleiben, denkt sich der Schweizer reflexartig. Wir sind nicht in der EU, wir wollen nicht in die EU, und überhaupt, die sollen uns in Ruhe lassen! Die Frage ist aber nicht, ob uns die EU behelligt, sondern eher, wie wir mit den Daten von EU-BürgerInnen umgehen. Die Personendaten ihrer BürgerInnen will die EU mit der Datenschutz-Grundverordnung auch im Ausland besser schützen. Diese Verordnung erstreckt sich auf alle natürlichen und juristischen Personen, die weltweit Daten von EU-BürgerInnen verarbeiten. Davon gibt es eben einige in der Schweiz: Personalvermittlungen, Arbeitgeber, Spitäler, Provider, Export-Firmen und eben auch all jene, die eine Webseite betreiben.

DSGVO mit Enter-Taste
Drücken Sie «Enter»! Ab dem 25. Mai 2018 gilt die DSGVO alias GDPR. Bild Pixaby, Lizenz CC0.

Vor allem jene Schweizer Einrichtungen könnten betroffen sein, welche personenbezogene Daten von EU-BürgerInnen kommerziell verarbeiten, speichern, einordnen, zusammenführen und weitergeben. Bei diesen sensiblen Daten handelt es sich um Namen, Anschriften, Bewegungsprofile, Bewerbungsunterlagen, Anstellungsverhältnisse, Kundenlisten, Patientendaten und eben auch IP-Adressen, die beim Besuch einer Webseite in den Logs anfallen. Auch die Hürde zur kommerziellen Verarbeitung personenbezogener Daten ist sehr niedrig und schnell genommen. Dazu reichen Werbe-Einblendungen auf einer Webseite bereits aus. Doch wesentlich problematischer wird es, wenn Webseitenbetreiber BesucherInnen aus EU-Ländern einen Schwarm von Tracking-Technologien unterjubeln, die personenbezogene Daten in datenschutzrechtlich zweifelhafte Drittländer wie die USA exportieren. Viele Schweizer Medienportale mit Reichweite in die EU verwenden solche problematische Technologien.

Sie sollten über die Bücher gehen, denn allem Anschein nach meint es die EU mit dem Datenschutz ihrer BürgerInnen ernst. Mit der DSGVO will sie ihren BügerInnen die Hoheit über ihre persönlichen Daten zurückgeben. Sie verschafft Ihnen umfassende Auskunfts-, Lösch-, und Berichtigungsrechte gegenüber DatenverarbeiterInnen. Letztere werden auf der anderen Seite verpflichtet, ihre Datenverarbeitungstätigkeit zu dokumentieren, gegenüber den Betroffenen transparent kund zu tun und auf Anfragen zu reagieren. Neu gilt für Datenverarbeitungstätigkeiten das Prinzip von «Opt-In», das heisst, dass Betroffene eine ausdrückliche und vorgängige Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Personendaten abgeben müssen. Das dürfte der Werbebranche, die sich bislang auf dem «Opt-Out»-Prinzip gesonnt hat, missfallen. Die DSGVO wird etliche an Illegalität grenzende Praktiken von Datensammlern und -verkäufern scharf sanktionieren und trockenlegen. Das ist zu begrüssen.

Inwiefern EU-BürgerInnen ihre neuen Datenschutzrechte auch gegenüber Schweizer DatenverarbeiterInnen geltend machen werden, wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall zielt die DSGVO ganz klar darauf ab, diese Rechte auch gegenüber Firmen ausserhalb der EU-Grenzen durchzusetzen, also auch in der Schweiz. Im Fokus der Verordnung stehen vordergründig amerikanische Tech-Giganten wie Google, Facebook und Amazon, welche die Daten von EU-BürgerInnen im grossen Stil verarbeiten. Diese müssen sich verpflichten, die datenschutzrechtlichen Vorgaben der EU einzuhalten. Ansonsten drohen empfindliche Strafen. Alles deutet darauf hin, dass sich die IT-Riesen an die Verordnung halten werden. EU-BürgerInnen haben somit in naher Zukunft eine mächtige rechtliche Handhabe gegenüber internationalen Konzernen. Im Sinne des Rechts auf Vergessen wird eine EU-BürgerIn beispielweise gegenüber Facebook die Löschung sämtlicher personenbezogener Daten, die über sie gespeichert wurden, einfordern können. Diese Möglichkeit wird SchweizerInnen leider verwehrt bleiben, weil die DSGVO zwar unter gewissen Voraussetzungen gegen sie, aber gewiss nicht für sie gilt. Klartext: Schweizer BürgerInnen sind schlechtergestellt und gehören weiterhin der international vehökerbaren Datenmasse an.

Im Bezug auf die konkrete Umsetzung der DSGVO herrscht momentan in Europa und auch hierzulande heillose Verwirrung. Gerade kleine BetreiberInnen von Webseiten sind mit den hohen Anforderungen der DSGVO rechtlich und technisch überfordert. Sie entscheiden sich deshalb, ihr Blog oder ihre Webseite vom Netz zu nehmen, um sich keinen rechtlichen Risiken auszusetzen. Diese sind zweifellos vorhanden, da sich die DSGVO auf alle erstreckt, die personenbezogene Daten von EU-BürgerInnen verarbeiten, also auch auf WebseitenbetreiberInnen, welche lediglich die IP-Adresse ihrer BesucherInnen erfassen. Das ist bereits eine konkrete Datenverarbeitung. Kontrovers diskutiert wird auch, ob es nach Inkrafttreten der DSGVO noch zulässig sein wird, Content Delivery Networks (CDNs) oder Google Fonts einzubinden. Diese Inhalte stammen zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Drittländern und bringen womöglich eine Verarbeitung personenbezogener Daten mit sich. Es bestehen also kurz vor der rechtskräftigen Einführung der Verordnung etliche Rechtsunsicherheiten, gerade für die BetreiberInnen kleiner Webseiten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Unsicherheiten nicht zu einem wahrhaftigen Blog- und Webseiten-Sterben führen und sich Inhalte nicht bei den grossen, rechtlich und finanziell potenten Plattformen konzentrieren werden. Das Internet würde ärmer und die beabsichtigte Stärkung des Datenschutzes würde sich in das Gegenteil verkehren.

Die Stossrichtung der DSGVO stimmt. Aber eine präzisere Einschränkung der Geltung auf datenverarbeitende Firmen mit einem gewissen Mindestumsatz wäre für ein prosperierendes Internet zwingend notwendig gewesen. Von einer Stärkung des Datenschutzes würde auch die Schweiz und ihre BürgerInnen profitieren. Aber im Alleingang ist es unwahrscheinlich, einen starken Datenschutz international durchzusetzen. Die EU hat gegenüber internationalen Konzernen das notwendige Gewicht dazu. Eine Anlehnung der Schweiz an den EU-Datenschutz wäre unter diesen Umständen zu begrüssen. Das politische Klima in der Schweiz und der fehlende Rahmenvertrag mit der EU lässt eine Annäherung im Moment jedoch kaum zu. Die Auswirkungen der DSGVO werden auf jeden Fall auch in der Schweiz zu spüren sein. Ohne Panik gilt es vorerst, die künftige Rechtsprechung zu Einzelheiten der DSGVO aufmerksam abzuwarten und zu beobachten. Für nicht-kommerzielle WebseitenbetreiberInnen in der Schweiz und in der EU, die Personendaten im erlaubten Rahmen bearbeiten, sind die Risiken kalkulierbar. Datenverarbeitende Firmen mit Reichweite in die EU wiederum sollten sich schleunigst rüsten, um empfindliche Bussen zu vermeiden.

In der Schweiz aber schläft oder verweigert man. Die EU ist weit weg. Noch.

*Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigeit oder Richtigkeit.*

 




Face­book — das Tscher­no­byl der Daten

#tldr: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten die Menschen die Gefahr, die von radioaktiver Strahlung ausging, nicht begreifen. Die tödliche Gefahr war unsichtbar. Der Reaktorunfall von Tschernobyl rief der Welt in das Bewusstsein, dass auch Unsichtbares lebensbedrohlich sein kann. Heute ist ein weiterer Supergau in vollem Gang, dessen Ursachen und Wirkungen wir vorerst weder sehen noch fassen können: Der Daten-Supergau. Der Facebook-Skandal um die Firma «Cambridge Analytica» muss zu einem Umdenken führen und rechtliche Konsequenzen haben.

Zwei Milliarden Menschen tummeln sich auf Facebook. Sie geben höchstpersönliche Informationen an ihre Freunde und Bekannte weiter und verbinden sich mit anderen Facebook-Nutzerinnen. Diese Dienstleistung wird ihnen scheinbar kostenlos zur Verfügung gestellt. Ohne sich darüber im klaren zu sein, bezahlen Nutzerinnen Facebook jedoch mit Ihren persönlichen Daten. Diese werden von Algorithmen bearbeitet, mit externen Daten kombiniert und zu einem hochpräzisen Personenprofil gebündelt.

Diese hochsensiblen Persönlichkeitsprofile werden nun aber nicht wie ein Schatz gehütet, sondern - auf Neudeutsch - monetarisiert, sprich an alle Interessenten verkauft.

Dieses Personenprofil enthält Einkommensklasse, soziale Stellung, beruflicher Werdegang, Vorlieben, Konsum-Gewohnheiten, sexuelle Orientierung, politische Ausrichtung, Einstellungen, Freunde, Alter, Familienangehörige, Wohnsituation, Nationalität, Bildung, Finanzen, körperliche und geistige Erkrankungen, Drogenabhängigkeit, Bewegungsprofile, biometrische Daten, Surf-History, Verhaltensmuster und Persönlichkeitsmerkmale. Facebook weiss mehr über ihre Nutzerinnen als sie selber. Diese hochsensiblen Persönlichkeitsprofile werden nun aber nicht wie ein Schatz gehütet, sondern - auf Neudeutsch - monetarisiert, sprich an alle Interessenten verkauft.

Das Schadenspotenzial dieses Profilhandels ist für die Konsumentinnen enorm.

Interessenten sind alle, die für diese Daten bezahlen wollen und können, sprich Staaten, Behörden, Banken, Versicherungen, Werbetreibende, Firmen, Parteien und Politiker. Ob diese Daten zu Gunsten der Konsumentinnen weiterwendet werden, darf bezweifelt werden. Vielleicht steigt plötzlich ihre Krankenkassenprämie. Vielleicht wählen sie plötzlich eine Partei, die Sie noch vor Monaten für unwählbar hielten. Vielleicht erhalten sie keinen Kredit oder keine Zusatzversicherung. Vielleicht kaufen sie plötzlich Dinge, die ihnen vor kurzer Zeit nichts bedeutet haben. Vielleicht wird ihnen die Einreise in ein Land verwehrt. Vielleicht werden sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Das Schadenspotenzial dieses Profilhandels ist für die Konsumentinnen enorm. Abnehmer für diese Daten könnten ferner auch Kreise mit kriminellen Absichten sein.

Wer nun noch glaubt als Facebook-Nutzerin mit einem Pseudonym nicht schon lange mit Klarnamen inklusive oben erwähnten «Zusatz-Informationen» bekannt zu sein, sollte schleunigst in sich gehen.

Das gewaltige Ausmass dieser Datenverarbeitung und  -verwertung offenbart sich im Umstand, dass auch Daten über Menschen, die Facebook nicht nutzen, gesammelt werden. Es genügt auf Facebook erwähnt zu werden, um dort erfasst zu werden. «Shadow Profiling» wird diese Erfassung von unbeteiligten Dritten genannt. Facebook will schlicht und einfach alle Informationen über alle Menschen an sich reissen, verarbeiten und vergolden. Wer nun noch glaubt als Facebook-Nutzerin mit einem Pseudonym nicht schon lange mit Klarnamen inklusive oben erwähnten «Zusatz-Informationen» bekannt zu sein, sollte schleunigst in sich gehen.

Die Daten von Facebook-Nutzerinnen (und Unbeiligten) befinden sich in der freien Wildbahn und sind zum Abschuss freigegeben.

Die Gefahr, die von diesem Datenhandel ausgeht, betrifft jedoch nicht nur Einzelpersonen, sondern Staaten und Demokratien. Die Firma «Cambridge Analytica» soll zwecks Manipulation der US-Wahlen Millionen von Facebook-Profilen abgegriffen und verarbeitet haben, um damit Wählerinnnen gezielt zu beeinflussen. Hinter dieser Firma stehen Personen aus dem Umfeld des US-Präsidenten Trump als auch aus Russland. Der amerikanische Sonderermittler wird sich dem gewiss annehmen. Pikantes Detail: Diese Firma erhielt einen _akademischen_ Zugang zur Facebook-Schnittstelle (API). Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass sich beim Datentopf «Facebook» nicht schon andere Firmen bedient hätten. Die Daten von Facebook-Nutzerinnen (und Unbeteiligten) befinden sich in der freien Wildbahn und sind zum Abschuss freigegeben.

Geschäftsgeheimnisse sowie Privatsphäre sind dort aufgehoben, nicht im Sinne von «gewahrt», sondern im Sinne von «annuliert».

Die Bedrohung für Datenschutz und Privatsphäre geht jedoch nicht nur von Facebook aus. Weitere Datenkraken wie Google, welches seinen Nutzerinnen hoch und heilig versprochen hat, nicht Böse zu sein («Don't be evil»), verfügen über ähnliches oder grösseres Schadenspotenzial. Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass diese Firmen nicht bankrott gehen oder von Aktionären, welche das Geschäftsmodell ändern, übernommen werden. Vielmehr gibt es eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass eben dies früher oder später geschehen wird. Zudem haben wir es hier mit amerikanischen Konzernen zu tun, welche den US-Behörden und Geheimdiensten unter Geheimhaltung alle möglichen Daten herausgeben müssen. Wer - Private oder Firmen - mit vertrauenswürdigen oder sensiblen Daten arbeitet, sollte Google, Twitter, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple unbedingt meiden. Geschäftsgeheimnisse sowie Privatsphäre sind dort aufgehoben, nicht im Sinne von «aufbewahrt», sondern im Sinne von «annuliert».

Den Konsumentinnen bleibt also einmal mehr nur, sich selber zu schützen.

Edward Snowden ist der Meinung, dass Facebook eine Firma ist, die zur Massenüberwachung geschaffen und als «Social Media» getarnt wurde. Wie der aktuelle Skandal zeigt, ist auch Massenmanipulation anhand der von Facebook gesammelten Daten in greifbare Nähe gerückt. Demokratische Politiker sollten sich dieser Problematik unverzüglich annehmen und strenge Regulierungen für Firmen, welche mit Personenprofilen handeln, fordern. Leider sind Staaten wie die Schweiz mehr mit der sinnlosen Überwachung der eigenen Bevölkerung als mit dem dringend notwendigen Schutz derselben beschäftigt. Den Konsumentinnen bleibt also einmal mehr nur, sich selber zu schützen. Dieser Schutz kann nur darin bestehen, sich - wenn möglich - von solchen Dienstleistungen für immer abzumelden. Wie aber will man sich von Google oder Apple abmelden, wenn man ein Smartphone der jeweiligen Firma besitzt? Die Abhängigkeit von diesen Konzernen ist grenzenlos. Das Internet muss deshalb von Grund auf überdacht und neu konzipiert werden.

Das Tschernobyl der Daten hat erst begonnen. Es ist Zeit aufzuwachen und die Augen nicht länger vor dieser neuen unsichtbaren Bedrohung unseres Lebens und unserer Demokratie zu verschliessen.




Netz­sper­ren — Weh­ret den Anfängen!

#tldr: Netzsperren kennt man in der Regel von totalitären Staaten, welche den Zugang zu regime-kritischen Inhalten blockieren wollen. China hat dazu eigens die «Grosse Firewall» aufgebaut, um die Bevölkerung von misliebigen Meinungen fernzuhalten. In solchen Ländern dienen Netzsperren dazu, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Die Schweiz jedoch führt jetzt mit der Revision des Geldspielgesetzes Netzsperren ein, um der Lobby der Casinos zu mehr Umsatz zu verhelfen.

Jetzt könnten wir natürlich über diesen hilflosen Versuch, das Neuland zu reglementieren, lachen, wäre da nicht die traurige Gewissheit, dass dies erst der Anfang einer wachsenden Zensur-Maschinerie darstellt.

Die Schweiz wird nun konkurrenzierende ausländische Online-Casinos auf eine schwarze Liste setzen und den Aufruf dieser Webseiten aus der Schweiz verunmöglichen. Verunmöglichen? Nein, diese Sperren lassen sich natürlich _spielend_ umgehen, indem man ein VPN, einen Proxy, den Tor-Browser oder den eigens zur Umgehung von Netzsperren gemachten Browser «Lantern» verwendet. Jetzt könnten wir natürlich über diesen hilflosen Versuch, das Neuland zu reglementieren, lachen, wäre da nicht die traurige Gewissheit, dass dies erst der Anfang einer wachsenden Zensur-Maschinerie darstellt.

Welches sind die nächsten Lobbyisten, welche die Sperrung von ausländischen Konkurrenz-Angeboten verlangen? Welchen Lobbies folgen unsere unbestechlichen Parlamentarier das nächste Mal? Die Begehrlichkeiten sind geweckt: Weitere Interessengruppen befinden sich sicherlich bereits in der Wandelhalle des Bundeshauses. Die Cryptocurrency-Regulierer werden bald aus den Löchern kriechen und die Sperrung von nicht kontrollierbaren digitalen Währungen und den dazugehörigen Webseiten verlangen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

Regulierungswut ist in der Schweiz ein Naturgesetz. Wir regulieren (noch) nicht, um Meinungen zu unterdrücken, sondern um gewissen Kreisen zu mehr Geld zu verhelfen. Die nächsten Sperr-Forderungen sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Zensur-Maschinerie wird aufgebläht. Das löst Kosten aus. Diese werden auf die Kunden abgewälzt: finanzielle Selbstkasteiung unter dem Deckmantel der Demokratie, ähnlich dem BÜPF. Nur handelt es sich bei diesen Bemühungen um Symbol-Politik und Regulierungs-Folklore, da diese Sperren mit wenigen Klicks umgegangen werden können.

Der nächste Schritt auf dem Pfad der Regulierung und Zensur wird womöglich die Forderung nach Software-Verboten sein? Hierzulande lassen Politiker keine Peinlichkeit und keine Dummheit aus. Am Ende sind wir selber schuld, dass wir Politiker wählen, welche Demokratie mit Rechtstaat verwechseln und dem Geld mehr huldigen als der Freiheit. Wenn wir selber plötzlich hinter einer «Grossen Firewall» eingesperrt sind, muss sich niemand mehr beklagen. Meinungen werden dann auch nicht mehr gefragt sein. Noch können wir dieser Tendenz in Richtung «Volksrepublik Schweiz» an der Urne Einhalt gebieten, indem wir Vertreter der Freiheit und Demokratie anstelle von Lobbyisten und Aufsichtsräten wählen.

Und natürlich ein NEIN zum Geldspielgesetz am 10. Juni 2018 einlegen!




Das Inter­net ist kaputt. Wir brau­chen ein neu­es: Das Internext

Dieser Artikel ist auch in Englisch verfügbar.

#tldr: Dezentrale Netzwerke spriessen wie Pilze aus dem Boden. Sie haben das Potenzial, das alte, von Monopolen und Staaten beherrschte Internet zu ersetzen und den Teilnehmerinnen ihre Freiheit zurückzugeben.

Nimmt man heute den Zustand des Internets genauer unter die Lupe, kann man nur zum Schluss kommen, dass es kaputt ist, entstellt und zweckentfremdet wurde. Was einmal als ein Projekt von Akademikern, Forschern, Programmierern und Kreativen begann, wurde von wirtschaftlicher und staatlicher Seite zu einem Sumpf des Kommerzes, der Überwachung und Zensur umfunktioniert.Auf der wirtschaftlichen Seite bestimmen wenige grosse Konzerne die Geschicke des Internets. Allen bekannt dürften Google, Facebook, Microsoft, Apple und Amazon sein: übrigens alles US-Konzerne. Sie monopolisieren Daten, Datenströme, Inhalte, Werbung, sozioökonomische Personenprofile, und nicht zuletzt die technologische Weiterentwicklung, sprich die Zukunft des Internets. Leider sind die Konsumenten bequem genug, diesen Monopolisten ihre höchstpersönlichen Daten wie E-mails, Surf- und Suchverhalten und Dokumente in den Rachen zu werfen, da sie im Gegenzug von Gratis-Diensteistungen profitieren können. Diese Daten werden in Gold umgewandelt, indem sie verkauft, gehandelt, wiederverkauft, erweitert und schliesslich in Form von massgeschneiderter Werbung (targeted&tailored Ads) auf die Konsumenten zurückgeworfen werden. Ein Milliarden-Business, bei dem der Konsument nur verliert!

Die Unkosten dieser gigantischen Überwachung tragen selbstverständlich die Überwachten selber: der reine, absolute Wahnsinn!

Die staatlichen Akteure hingegen spielen «Cyberwar» und «Räuber&Police», verminen und verwanzen die freie Kommunikation und fördern mittlerweile aktiv die Schwächung der gesamten IT-Infrastruktur, indem sie durch den Einkauf von Sicherheitslücken einen Schwarzmarkt ankurbeln. Anders ausgedrückt: Staaten kaufen mit Steuergeldern Verbrecher-Software. Um Verbrecher zu jagen, werden die Dienste von Verbrechern in Anspruch genommen. Eine verquere Logik, die gewiss noch mit vielen abstrusen Politiker-Ausreden verziert wird. Ferner lassen Staaten - mittlerweile auch die Schweiz - einen flächendeckenden, unverhältnismässigen Überwachungsapparat auf die eigene Bevölkerung, die sich damit natürlich in Unkenntnis der Materie oder aus irrationaler Panik sogar einverstanden erklärt, los. Das BÜPF sorgt in der Schweiz dafür, dass ab dem 1. März 2018 sämtliche Verbindungsdaten aller Geräte und Nutzerinnenfür ein halbes Jahr gespeichert werden. Die Unkosten dieser gigantischen Überwachung tragen selbstverständlich die Überwachten selber: der reine, absolute Wahnsinn! Würde der Staat alle unsere zwischenmenschlichen Verbindungen und Kontakte in der Realität mitschneiden wollen, wären die Verantwortlichen schon lange aus den ihnen demokratisch übertragenen Positionen entfernt worden. Die Vorgänge im digitalen Raum verstehen die Menschen, welche schon mit der Bedienung ihres Smartphones überfordert sind, einfach nicht und folgen blind ein paar Wölfen im Schafspelz. So stehen wir vor der Tatsache, dass das Internet, die Grundlage unserer modernen Kommunikation, auch von staatlicher Seite komplett untergraben wurde. Beispielsweise möge jeder für sich selber beurteilen, ob die seit Jahren bestehenden, gravierenden Sicherheitslücken (Meltdown&Spectre) in modernen Prozessoren, Recheneinheiten eines jeden Computers, ein Produkt des Zufalls, der Fehlplanung oder der bewussten staatlichen Unterwanderung sind.

Die Menschen müssen die Kontrolle über ihre Kommunikation und ihre Daten zurückfordern und zurückerhalten.

Das Internet hat sich von seinem eigentlichen Zweck, der Kommunikation zwischen Menschen, entfernt, ist zu einem Selbstbedienungsladen und Handelsplatz von Personendaten verkommen. Facebook zum Beispiel, eine Plattform, die den Menschen die Möglichkeit bietet, Bilder, Interessen und Meinungen auszutauschen, verwertet und verkauft die Profile ihre Nutzerinnen an Werbe-Firmen oder sonstige Interessenten. Dem stimmen die Nutzerinnen natürlich zu, indem sie die Nutzungsbedigungen ungelesen akzeptieren. Facebook kennt ihre Teilnehmerinnen in- und auswendig, vielleicht besser als sie sich selber kennen. Ist das ein fairer Deal: Kommunikation vs. Verkauf des Personenprofils? Das ist eben die Kehrseite dieser zentralisierten und monopolisierten Kommunikationsplattformen. Die Nutzerinnen verkaufen sich eigentlich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wer ein Android-Smartphone besitzt, sollte sich einmal auf myactivity.google.com einloggen, um festzustellen, dass Google sein ganzes digitales und reales Leben protokolliert. Welche App wurde wann aktualisiert? Wo befand sich die Nutzerin? Wonach hat sie oder er gesucht? Diese Daten sind dort auf die Sekunde festgehalten. (Notiz: Achten Sie also auf ihre Login-Daten). Davon können staatliche Überwacher eigentlich nur träumen. Jedoch hat das alles tatsächlich nichts mehr mit jenem Internet zu tun, welches Tim Berners-Lee vor 27 Jahren entworfen hatte. An diesem Punkt muss ein Strich gezogen werden. Die Menschen müssen die Kontrolle über ihre Kommunikation und ihre Daten zurückfordern und zurückerhalten. Das ist in naher Zukunft möglich, ohne zentrale Monopolisten, ohne zentrale Dienste, ohne zentrale Server, ohne totale Preisgabe seines Lebens und seiner Seele.

Das nächste Netz gibt den Menschen die Kontrolle über ihre Daten und ihre Kommunikation zurück.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich vor dieser absoluten Verfolgung und Kontrolle der Kommunikation zu schützen. Jedoch offenbaren diese Flicken am Ende nur, wie kaputt das Internet bereits ist. Deshalb ist es höchste Zeit, das Internet neu zu erfinden. Das nächste Netz gibt den Menschen die Kontrolle über ihre Daten und ihre Kommunikation zurück. Dabeit handelt es sich um keine realitätsferne Zukunftsvision, da die Technologien bereit sind, und unzählige Projekte für ein dezentrales, verteiltes und verschlüsseltes Internet in den Startlöchern stehen. Die Kerntechnologie, welche dieses Internet antreiben wird, ist die Blockchain. Dabei handelt es sich um eine verschlüsselte, nicht manipulierbare, verteilte Kette von Transaktionen oder Aktionen. Gepaart wird diese Technologie mit Bittorrent, Tor, DHT, Verschlüsselung, File-Splitting und verteilten Dateisystemen. Anbei ein kleiner Überblick über diverse Projekte, die das dezentrale Internet gestalten wollen. Darunter befindet sich übrigens auch das Solid-Projekt des «Internet-Erfinders» Tim Berners-Lee.

Verteilte Internet-Plattformen:
Beaker-Browser
Zeronet
Peergos
Substratum
Solid
Maidsafe
Blockstack

Verteilter Mobil-Messenger:
Ring

Sicherer Bittorrent-Client:
Tribler

Verteilte Handelsplattform:
Open Bazaar

Verteilte Sozial-Plattformen:
Scuttlebutt
Sphere

Verteilte Dateisysteme:
Interplanetary Filesystem (IPFS)
Dat-Projekt

Verteilter Speicherplatz:
Storij
Sia
Bitdust

Dezentralisierter Facebook-Ersatz:
Diaspora

Verteilte Rechenpower:
Golem Projekt

Die «alten» anonymen Netze:
I2P
Freenet Project (nicht zu verwechseln mit dem deutschen E-mail-Anbieter)

Eine Monetarisierung des neuen Internets kann nicht im Sinne der Nutzerinnen sein. Das findet im Moment schon zur Genüge statt.

Freilich ist nicht alles Gold, was glänzt. Viele dieser Projekte stecken noch in den Kinderschuhen. Andere derartige Projekte wiederum dienen zweifelsohne der Koppelung einer digitalen Währung an Dienstleistungen. Eine Monetarisierung des neuen Internets kann nicht im Sinne der Nutzerinnen sein. Das findet im Moment schon zur Genüge statt. Zudem müssen solche Projekte unbedingt offene Entwicklungen sein, damit die Kontrolle bei den Anwendern bleibt. Proprietäre Projekte sind nicht im Sinne eines offenen, freien Internets, weil damit eben wieder eine Zentralisierung und Monopolisierung des Internets einhergeht. Die Beurteilung, welche der obigen Projekte «Open Source» sind, sei dem Leser überlassen. Aufhorchen jedoch lässt, dass der verbreitete Browser Firefox die dezentralen Protokolle von IPFS, Dat und Secure Scuttlebutt in der Version 59 akzeptiert. Man darf deshalb gespannt sein auf zukünftige Erweiterungen, welche diese Protokolle einsetzen.

Dies stärkt den im heutigen Internet auf's Übelste aufgeweichte Daten- und Persönlichkeitsschutz.

Was sind nun jedoch die Vorteile eines dezentralen Netzes? Diese dezentralen Netze sind in erster Linie unglaublich zensur-resistent. Das wird weder demokratischen noch totalitären Staaten gefallen. Die Daten liegen eben nicht zentral auf einem Server bei einem Anbieter, sondern verschlüsselt und verteilt bei allen Teilnehmerinnen des Netzwerks. Webseiten und Dokumente werden kaum mehr zu entfernen sein, weil Hundertausende oder sogar Millionen von auf der ganzen Welt verteilten Menschen vom Netz genommen werden müssten. Daten werden eben auch redundant gespeichert, so dass der Verlust persönlicher Daten nahezu auszuschliessen ist. Ferner haben die Teilnehmerinnen eine verstärkte Kontrolle über ihre persönlichen Daten und darüber, was sie von sich preisgeben. Möglicherweise wird sogar eine Form der Anonymität oder Pseudonymität gegeben sein. Dies stärkt den im heutigen Internet auf's Übelste aufgeweichte Daten- und Persönlichkeitsschutz. Strafverfolgung wird dadurch auf jeden Fall nicht vereitelt, wie die Aushebung des Drogen- und Waffenportals «Silkroad» gezeigt hat. Solide, gezielte und althergebrachte Ermittlungsarbeit wird die unsinnige Massenüberwachung unschuldiger Bürgerinnen ersetzen müssen. Die Demokratie wird auf jeden Fall gestärkt. Für Urheber dürfte sich nicht viel ändern, da sie ja jetzt schon mit einer Flut von Urheberrechtsverletzungen konfrontiert sind. Die Verfolgung und Unterdrückung von Urheberrechtsverletzungen dürfte sich jedoch einiges schwieriger gestalten. Vielleicht führt dies zu einem Umdenken bei den Content-Anbietern, welche die Fans ihrer Produkte bislang als Feinde betrachteten.

Die gesellschaftlichen Folgen von dezentralen Netzen werden nicht unbedeutend sein und im besten Fall die eine oder andere Diktatur stürzen als auch «Demokratien auf Abwegen» stärken.




Will­kom­men im Über­wa­chungs­staat Schweiz!

Ich heisse Sie ganz herzlich im Überwachungsstaat Schweiz willkommen! Seit dem ersten März 2018 dürfen Sie sich nun ganz sicher fühlen, denn die gesamte Kommunikation aller Terroristen und Verbrecher wird nun in der Schweiz lückenlos überwacht. Ganz nebenbei wird auch Ihre gesamte Internetkommunikation aufgezeichnet und für ein halbes Jahr gespeichert. Der Staat weiss nun, dass sie dieses «aufrührerische» Blog lesen. Fühlen Sie sich nun immer noch so sicher?Aber ja doch, wer ja nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu verlieren! Denken Sie nur einmal an unsere Firmen; die haben doch nichts zu verbergen. Oder vielleicht doch? Firmengeheimnisse? Gut, der Überwachungsstaat Schweiz garantiert uns, dass er keine Inhalte durchschnüffelt. Nein, er lässt ja nur Meta- und Verbindungsdaten speichern. Kaum ist das neue BÜPF in Kraft getreten, zeigen Recherchen des Schweizer Fernsehens, dass die Provider jedoch viel mehr speichern, nämlich die gesamte Surf-History von Internetanwendern. Somit lässt sich lückenlos nachvollziehen, wer was wo wann und wie aufgerufen hat, also auch Inhalte, sofern sich diese in keinem geschützten Bereich befinden. Das betrifft die grosse Mehrheit aller Internet-Inhalte, welche heute "zum Glück" mit permanenten Adressen versehen sind, d.h., sie verschwinden nicht einfach so.

Schönheit liegt im Auge des Überwachers
I see you, I hear you, I'm interested in you.

Kaum hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gekippt, stürzt sich die Schweiz in das aussichtslose Abenteuer der flächendeckenden Überwachung. Alle Internet-Nutzerinnnen sind nun auf dem Radar der staatlichen Überwachung angekommen. Alle? Nein, Technologie-Versierte können sich dieser Überwachung mit Leichtigkeit entziehen. Diese Technologien stehen auch Otto Normalverbraucher zur Verfügung. Dazu später mehr. Die Überwachung trifft also zuallerst einmal die grosse Mehrheit der unbedarften Internet-Surfer. Die Verbindungsinformationen von Herrn oder Frau Musterbürger, die manchmal klammheimlich ihren Sex-Fantasien auf dem Internet nachgehen, sind nun nachvollziehbar gespeichert. Wer dort die dünnne Linie überschreitet, könnte schon bald Probleme bekommen. Sie fühlen sich jetzt gewiss immer noch sicher vor den bösen Terroristen, die auf dem Internet Anschläge planen, oder vor den fiesen Hacker-Verbrechern, welche die IT-Infrastruktur des Bundes angreifen. Wir haben anscheinend schon vergessen, dass es für solche Planungen gar kein Internet braucht. Tatsächlich gibt es noch - wir staunen - die Offline-Kommunikation.

Jetzt klebt ihnen der eigene Staat sprichwörtlich am Arsch.

Konsequenterweise müsste der schweizerische Total-Überwachungsstaat also sämtliche Offline-Verbindungs-Daten aller Schweizerinnen registrieren: Blocher trifft Mörgeli am Mittwoch, dem 14. März 2018, um 19:15 Uhr in der Kronenhalle in Zürich (Typ: Verbindungsdaten) - zwecks Besprechung einer Doppelkandidatur für den Bundesrat (Typ: Inhaltsdaten). Beruhigen Sie sich gleich wieder: das war nur ein fiktives Beispiel. Aber warum überwacht denn unser Staat all diese potenziell konspirativen und mutmasslich terroristischen Offline-Aktivitäten nicht mit aller Härte, wie das doch auch im Internet schon praktiziert wird? Es gibt zwei Antworten auf diese Frage. Erstens ist es nicht möglich und zweitens würde eine solche Überwachung den Schweizerinnen zu weit gehen. Im Internet ist diese Totalüberwachung jedoch technisch einfach zu realisieren. Zudem scheinen die Schweizerinnen diesen Eingriff in ihre digitale Privatsphäre hinzunehmen, obwohl sich ihre Kommunikation heute grösstenteils im Internet abspielt. Gut, die Stimmbürgerinnen haben es so - oder nicht anders - gewollt. Jetzt klebt ihnen der eigene Staat sprichwörtlich am Arsch. Ja, diese Formulierung trifft es. Immerhin betrifft diese Total-Überwachung auch die Law&Order-Fraktion, welche manchmal mehr zu verbergen hat, als wir gemeinhin annehmen. Da lohnt sich manchmal nur schon ein Blick in geleakte Datenbanken, z.B. in jene von Ashley Madison (Washington Post, engl.).

Wer halt nichts zu verbergen hat, hat halt auch nichts verlieren, oder?

"Den Luxemburger Richtern zufolge greift die Speicherung von Telekommunikationsdaten so sehr in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens ein, dass die Datenspeicherung „auf das absolut Notwendige“ beschränkt werden muss." (Zitat: faz.net)
Wieder verfalle ich und Sie in ungläubiges Staunen: Die Europäer schützen ihre Bürger besser als wir Schweizer. Wir Deppen hingegen beschneiden unsere Grundrechte freiwillig auf demokratischer Basis. Gut, das muss man als Demokrat akzeptieren. Sicher werden Sie es auch akzeptieren, wenn der grosse Bruder aus Übersee an die Türe klopft und die Herausgabe von Daten verlangt. Keine Sorge, wir werden nicht Nein sagen. Sicher werden Sie es auch akzeptieren, wenn eine Hacker-Gruppe die halbe Schweiz de-anonymisiert und ihre Verbindungsdaten offenlegt. Wer garantiert Ihnen, dass genau dies nicht geschieht? Der Überwachungsstaat Schweiz auf jeden Fall garantiert das nicht, zumal er die Daten ja bei privaten oder halb-privaten Providern erheben lässt. Fühlen Sie sich noch immer sicher vor Terroristen und Online-Verbrechern? Wer halt nichts zu verbergen hat, hat halt auch nichts verlieren, oder? Sind Sie schon ein bisschen unsicher geworden? Empfinden Sie schon ein gewisses Unbehagen dem Staat gegenüber? Gut, dann schauen wir weiter.

Wir haben unsere Freiheit einer trügerischen Sicherheit geopfert.

Unsere digitale Wirtschaft, die nun im Kanton Zug soeben zum Cryptocurrency-Eldorado werden möchte, preist gerne die Sicherheit ihrer Infrastruktur an. Damit ist nun leider Schluss, denn der Staat kann nun von jedem Anbieter von Telekommunikations-Dienstleistungen die Erhebung und Herausgabe von Verbindungsdaten verlangen. Organisationen und Firmen, welche ihre berechtigten Geheimnisse Schweizer Firmen anvertrauen möchten, werden es sich jetzt zwei Mal überlegen. Standortvorteile, ganz zu schweigen von unseren Grundrechten, haben wir also auch gleich einer zweifelhaften Sicherheit geopfert. So, jetzt sollten wir langsam an den Punkt gekommen sein, an dem wir feststellen, dass wir einen riesigen Fehler gemacht haben: Wir haben unsere Freiheit einer trügerischen Sicherheit geopfert. Ja, diese Sicherheit ist trügerisch, denn ich zeige Ihnen nun, wie Terroristen oder auch Sie als unbescholtene Bürgerin dieser Überwachung spielend und legal entgehen können. Wenn Sie Ihre Privatsphäre zurück haben wollen, lesen Sie weiter! Nein, das ist keine Anleitung zu Straftaten, nein, das ist digitale Selbstverteidigung für rechtskonforme Bürgerinnen.

  •  Surfen Sie in einem öffentlichen Netz! Easy 😉
  • Nutzen Sie den Tor-Browser. Er anonymisiert ihre IP-Adresse. Empfohlen gerade oder auch in öffentlichen Netzen.
  • Betreten Sie ganz legal das Dark Web mit I2P oder freenetproject.org. Das sind getarnte und verschlüsselte Netze auf der bestehenden Internet-Infrastruktur. Dort lässt sich ganz legal und sicher kommunizieren. Verbrechen sind dort natürlich auch möglich, aber damit wollen wir nichts zu tun haben, wie im richtigen Leben halt.
  • Für ein bisschen Fortgeschrittenere: Nutzen sie die tor-basierte Linux-Distribution Whonix in virtuellen Maschinen auf einem dedizierten Computer. Da gucken Überwacher wirklich in die Röhre. Da spielt es fast keine Rolle in welchem Netz Sie sich bewegen. Edward Snowden empfiehlt die Linux-Distribution «Tails».
  • Mieten Sie sich ein VPN bei einem vertrauenswürdigen Anbieter! Ihre Aktivitäten lassen sich nicht nachvollziehen. Anmerkung: Schweizer VPN-Anbieter müssen nun natürlich Verbindungsdaten erheben. (Ade Standortvorteil!) Wichtig: Meiden Sie den Gratis-VPN-Anbieter hola.org. Er macht Sie ungefragt zu einem Exit-Knoten, der ihre IP-Adresse mit den Handlungen anderer in Verbindung bringt.
  • Nutzen Sie das relativ neue Zeronet in Verbindung mit Tor. Die Daten sind überall und nirgends. Ziemlich kreativer Ansatz, der die Anfänge eines dezentralen Netzes ohne Server skizziert! Horror für Überwachungs-Freaks.
  • Nutzen Sie für vertrauliche Kommunikation einen sicheren verschlüsselten Messenger auf ihrem Mobilgerät. Nein, Whatsapp ist nicht sicher, Skype ist nicht sicher. Nutzen Sie: Signal, Telegram oder Threema. Bei letztem Messenger muss man jetzt leider, leider sagen: Achtung, Standort Schweiz! Etliche vielversprechende Messenger-Apps sind in Arbeit.
  • Am besten leiten Sie die ganze Kommunikation Ihres Mobilgerätes über Tor oder ein VPN Ihrer Wahl.
  • Achten Sie bei Webseiten darauf, dass die Verbindung verschlüsselt über HTTPS hergestellt wird.
  • Deaktivieren Sie Plug-Ins wie Adobe Flash. Diese Software ist unsicher und fehlerhaft. Videos können heute ohne dieses Plug-in abgespielt werden. (Der Tor-Brower schliesst solche Lücken von Vorherein aus.)
  • Zum Schluss: INFORMIEREN SIE SICH ÜBER DIE SOFTWARE, DIE SIE EINSETZEN! Vertrauen Sie weder mir noch den Anbietern von Software blind.

So, nun sind Sie einigermassen vor staatlicher Verfolgung geschützt. Merken Sie sich ferner: Sollten Geheimdienste oder Hacker gezielt auf ihre Geräte zugreifen wollen, können Sie sich dagegen nahezu nicht wehren. Gehen Sie nun trotzdem ganz anonym und entspannt Ihrer ehrlichen Arbeit nach. Noch was: Wenn Sie wissen wollen, wie Sie sich gegen die penetrante Online-Werbe-Industrie schützen können, lesen Sie meinen letzten Beitrag.

Ansonsten viel Spass im Überwachungsstaat!




Die Ver­schleie­rung der Werte

Die Burka, ein orientalischer Ganzkörper-Schleier, erregt im Moment die Gemüter. Die einen sehen darin einen Angriff auf die Kultur und die Werte des «Abendlandes». «Abendland» ist übrigens ein perfider Kampfbegriff, der seinen Gegner bereits in sich trägt: das Morgenland. Andere erkennen in der Burka die Unterdrückung der Frau, ein Anachronismus im Kampf für Gleichberechtigung. Gleichstellung von Mann und Frau ist ein unverhandelbarer Wert, den wir bereits mit unserer Muttermilch aufgesogen und verinnerlicht zu haben scheinen, wobei die Muttermilch einiger Generationen noch weniger Freiheit enthielt. Die Debatte um die Burka wird grundsätzlich unter Ausschluss der Betroffenen geführt. Wir unterstellen, dass sie in ihrem System gefangen sind und deshalb nicht objektiv urteilen können. Die Beurteilung übernehmen wir aus der Warte unserer scheinbaren moralischen Überlegenheit.

Bei genauerer Betrachtung steht diese Moral jedoch auf schwachen Beinen. Der Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau war steinig und holprig und wäre fast an der Trutzburg des Säntis zum Stillstand gekommen. Die Appenzell-Innerrhoder Männer mussten 1990! vom Bundesgericht gezwungen werden, den Frauen das Stimmrecht zuzugestehen, nachdem 19 Jahre zuvor das Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene beschlossen wurde. In Sachen Lohngleichheit schwächelt die Gleichstellung der Geschlechter heute noch. Der unverhandelbare Wert der Gleichberechtigung ist im Gegensatz zu anderen Werten jung und noch nicht vollständig verfestigt in den Köpfen der SchweizerInnen. Nun stellt sich aber die grundsätzliche Frage, inwiefern die Burka gegen das Prinzip der Gleichberechtigung verstösst. Auch diesbezüglich unterstellen wir, dass die verschwindend geringe Zahl von Burka-Trägerinnen von Männern gezwungen werden, sich so zu kleiden. Der Mann steckt seine Frau ins Gefängnis, nimmt ihr die Identität und versteckt sie vor der (Männer-)Welt, glauben viele. Was aber machen wir mit der Tatsache, dass viele Burka-Trägerinnen sich freiwillig für diese Ganzkörperverhüllung entscheiden? Wir ignorieren diese Entscheidung oder nehmen sie nicht ernst. Das Argument der Freiwilligkeit wird mit dem ominösen Konstrukt des kulturell-sozial-psychischen Zwanges, welche auf diese Frauen ausgeübt werde, weggewischt. Es kann unmöglich einen freien Willen unter der Burka geben, und wenn es diesen dann doch gäbe, hätte er sich gesellschaftlichen Wertvorstellungen unterzuordnen.

Schon ist die Forderung nach einem Burka-Verbot auf dem Tisch. Eine Initiative will das Burka-Verbot in der Verfassung festschreiben. Neben den Schwergewichten der persönlichen Freiheit und der Religionsfreiheit soll auch das Burka-Verbot konstitutionell verankert werden. Die Leitlinie unseres Zusammenlebens wird zu einem kontradiktorischen Flickwerk. Es besteht kein Zweifel, dass die Schweizer StimmbürgerInnen diese Initiative annehmen würden. Nur ein Verbot auf Gesetzesstufe könnte diese Verwässerung unserer Verfassung verhindern. Das Verbot wird kommen, so oder so, obwohl sich viele bewusst sind, dass es sich um «Symbolpolitik im besten Sinne» (Eric Gujer, NZZ) handelt. Dass aus dem ganzen tagespolitischen Gekreische sofort Gesetze hervorgehen, ist bedauernswert. Da es sich hier um ein symbolisches Gesetz handelt, ist eine konsequente Durchsetzung unwahrscheinlich. Symbolpolitik, Zeichen setzen! Übermorgen fragen wir uns dann, ob eine Burka als Fasnachts-Verkleidung zulässig ist, und dann weitergehend, ob Maskierungen an der Fasnacht oder im Wintersturm mit Kapuze und Schal zulässig sind. Auf die Party folgt unweigerlich das Kopfweh.

Die Party der Islamophobie, die der Burka-Debatte zugrunde liegt, wird neben der SVP auch von christ-demokratischen Kreisen gefeiert. Die Christ-Demokraten erhoffen sich wieder Zuwachs, und schon posaunt der Präsident der CVP, Gerhard Pfister: "Entweder wird Europa wieder christdemokratisch, oder Europa wird scheitern." Er ruft die totale Überlegenheit der christlichen Werte aus und gibt den Propheten des Untergangs. Das nimmt schon fast biblische Dimensionen an. Die katholische Kirche, welche hinter der CVP steht, hat Europa tatsächlich massgeblich geprägt. Wir erinnern uns an Hexenverbrennungen, Inquisition, Verfolgung und Ermordung von Wissenschaftlern, Duldung des Holocaust, systematischen sexuellen Missbrauch von Kindern, um nur einige zu nennen. Auch der heutige Katholizismus ist nicht in der Position, sich als Hüter von Moral und Werten aufzuspielen. Die katholische Kirche verschliesst sich noch immer allgemein akzeptierten westlichen Werten. Priester dürfen noch immer nicht heiraten. Abtreibung und Verhütung wird verteufelt. Frauen dürfen kein Priesteramt ausüben. Mitten unter uns existiert eine mittelalterlich geprägte Parallelgesellschaft, die sich um Werte wie Gleichstellung und Persönlichkeitsrechte foutiert. Umso mehr erstaunt es, dass hier niemand die Keule des Gesetzes schwingt. Im Fall der katholischen Kirche scheinen wir zu tolerieren, dass unsere Werte mit Füssen getreten werden. Wahrscheinlich leben wir schon so lange mit dieser Absurdität an unserer Seite, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen.

Den Islam nehmen wir wahr, er hat ein Gesicht oder eben einen Schleier. Die Burka empört oder befremdet. Tatsächlich passt sie nicht in unsere offene Gesellschaft. Sie passt nicht an Schulen, sie passt nicht an den Arbeitsplatz, sie passt nicht vor Gericht. Sie passt eigentlich nirgendwohin, wo die Identität des Menschen im Vordergrund steht. Ein Burkaverbot in den eigenen vier Wänden wäre absurd. Ein Verbot auf der Strasse wird umgangen oder in Kauf genommen, weil ein reicher Scheich die Busse bezahlt. Wenn wir sinnlose Symbolpolitik in Gesetze fassen, dann soll es halt so sein. Feststeht, dass die Burka in der Schweiz nie ein Massenphänomen sein wird. Die Burka-Debatte ist viel Lärm um Nichts. Wie üblich wird sie von Trittbrettfahrern der Politik missbraucht, um Ängste in der Bevölkerung zu bewirtschaften. Dabei sollten Herren wie Gerhard Pfister aber zuerst vor der eigenen Haustüre kehren. Und die Posaunen des Untergangs sollte er besser einpacken.




Der gestutz­te Adler — Aar­au im gol­de­nen Käfig

In Aarau steigt gerade das Volksmusikfest unter dem Motto «Der Adler ist los«. Private Organisatoren besetzen die gesamte Innenstadt, welche wohlverstanden zum öffentlichen Raum gehört. Das Fest wird durch den Verkauf von Plaketten finanziert. Nun hat man versucht, diesen Verkauf halb-verbindlich zu gestalten. Der Eingang zur Stadt wird auf wenige Zugänge beschränkt. Dort stehen ein Zivilschützer und ein Securitas-Angestellter.

Auf die Frage, was genau ihre Aufgabe sei, haben sie geantwortet, dass sie die Besucher unverbindlich zum Kauf einer Plakette auffordern sollen. Ihre Anwesenheit und Erscheinung sprechen aber eine ziemlich verbindliche und unmissverständliche Sprache. Bewohner dieser Stadt werden wieder einmal düpiert. Das Volksmusikfest, welches zu Gast in Aarau ist, stellt das Wegrecht der Bürger - wenn auch "unverbindlich" in Frage. Es wird aber insofern eingeschränkt, dass die Einwohner nur noch durch bestimmte Zugänge in die Stadt gelangen können. Ferner müssen sie eine unverbindliche Aufforderung über sich ergehen lassen, auch wenn sie _nicht_ am Volksmusikfest teilnehmen wollen.

Wieder versäumen Organisatoren, sich mit den Einwohnern dieser Stadt zu verständigen. Erinnerungen werden wach. Vor Jahrzehnten fand in Aarau ein Fest der Superlative (auch in Sachen Verlusten) statt. Der Anlass hiess Aar-Grandissimo. Die Innenstadt wurde abgesperrt. Selbst Einwohner der Innenstadt wurden zum Kauf einer Plakette genötigt - von Kindern. Für Bewohner der Altstadt war das ein Affront sondergleichen. Natürlich war diese Abriegelung aus rechtlichen Gesichtspunkten überhaupt nicht haltbar und insofern perfid, als Kinder zu Vollstreckern gemacht wurden.

Die Verantwortlichen des Volksmusikfestes scheinen nun einen ebenso perfiden Mittelweg gefunden zu haben. Sie stellen einen Securitas-Mitarbeiter und einen Zivilschützer an die wenigen Zugänge zur Altstadt. Ihre Anwesenheit suggeriert die Pflicht, eine Plakette zu kaufen. Nur auf Nachfrage weisen sie auf die Unverbindlichkeit des Kaufes hin. Viele kaufen somit eine Plakette ohne über die Modalitäten aufgeklärt worden zu sein. Der Kauf ist nichtig, da er aufgrund eines Irrtums, bzw. einer Täuschung zustande gekommen ist. Die Plaketten können zurückgegeben werden, und der Kaufpreis muss zurückerstattet werden. Diese gilt für alle, welche unter Annahme einer Kaufpflicht eine Plakette gekauft haben.

Ferner sind sämtliche Abschrankungen zur Altstadt sofort zu entfernen. Sie beschränken das Wegrecht von Aaraus Einwohnern, die diese Altstadt mit ihren Steuern finanziert haben. Die Finanzierung dieses Festes gelingt auch ohne Täuschungen. Besucher des Volksmusikfestes kaufen ohne perfide Tricks eine Plakette. Schade, dass den Veranstaltern das Vertrauen in ihre Klientel fehlt, und dass sie die Einwohner dieser Stadt vor den Kopf stossen müssen.

Weg mit den Abschrankungen! Weg mit den «unverbindlichen» Zugangskontrollen! Der Adler muss frei sein, der Adler muss fliegen!




Kopf­tuch-Ver­bo­te an Schulen

Ein 14-jähriges Mädchen, von den Medien Leyla genannt, wird von der Schule Thun verwiesen, weil es entschlossen hat, ein Kopftuch gemäss seiner religiösen und kulturellen Überzeugung zu tragen. Der Reflex, hier eine Kultur- und Integrations-Debatte loszutreten, ist fehlgeleitet und falsch.

Die Verfassung garantiert uns allen nach Art. 10 BV persönliche Freiheit und das Recht auf Selbstentfaltung und -verwirklichung. Dies umfasst unter anderem das Recht, dass jeder selber über seine Kleidung und sein Outfit entscheiden kann. Dieses Grundrecht gilt natürlich nicht uneingeschränkt. Sobald sexuelle Aspekte das Äussere eines Menschen dominieren, kann das Recht auf persönliche Freiheit gewissen Einschränkungen unterliegen.

Wir sprechen hier nicht über eine Burka. Es geht um ein Kopftuch, welches das Gesicht des Mädchens nicht verdeckt. Burkas an Schulen sind dagegen nicht zu tolerieren, nur schon weil die Identität des Menschen nicht mehr erkennbar ist. Aber es geht in diesem Fall nicht darum, über Burkaverbote zu diskutieren. Ein Kopftuch ist der Stein des Anstosses.

Wir könnten vergleichsweise über Verbote von T-Shirts mit Aufschrift, über Verbote von Mützen, über Verbote von zerissenen Jeans, über Verbote von Piercings und Tattoos debattieren. Dann wird uns allen schnell klar, dass ein Verbot eines Kopftuches eine unverhältnismässige Einschränkung unseres eigenen Rechtes, die Erscheinung zu bestimmen, bedeutet. Hier liegt des Pudels Kern begraben.

Das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, ist ein unverhältnismässiger Eingriff in die Selbstbestimmung dieser Jugendlichen. Darüber hinaus ist ein ein Eingriff in unsere verfassungsmässigen Rechte. Kopftuchverbote an Schulen sind mit unserer Verfassung nicht vereinbar. Das Bundesgericht wird sich dieser Meinung hoffentlich anschliessen.




Ein Ver­rat an der Stadt Aarau

Live-Musik war die Seele des Volksfestes "Maienzug-Vorabend". Darin sind sich fast alle Aarauer und regelmässigen Besucher dieses Anlasses einig. Der Stadtrat von Aarau hat nun entschieden, aus Sicherheitsgründen diesem Anlass die Seele zu entreissen, sprich Live-Musik zu verbieten. Noch ein paar Jahre werden die Festbänke zum ersten Donnerstag im Juli aufgestellt, dann kommt plötzlich keiner mehr und der Maienzug-Vorabend verschwindet, als hätte es ihn nie gegeben. So haben sich das einige militante Stadtverbesserer und -verschönerer seit Jahren gewünscht. Genau diese Fraktion wird aber jubilieren, wenn im Oktober Hundertausende Volksmusikfans nach Aarau strömen, und in der Innenstadt an allen Ecken und Enden Volksmusik live dargeboten wird. Konsequenterweise würde der Stadtrat ein Live-Musik-Verbot auch für das gigantische Volksmusikfest erlassen müssen. Darauf wird er jedoch verzichten.

Diese Inkonsequenz entlarvt das Live-Musik-Verbot am Maienzug-Vorabend als politisch. Der Maienzug-Vorabend war gewissen Kreisen schon von Anbeginn ein Dorn im Auge. Historische Argumente wurden bemüht, um dem Vorabend die Existenzberechtigung abzusprechen. Stichprobenartige Alkoholtests hinsichtlich der Abgabe von Alkohol an Kinder wurden durchgeführt, mit dem Resultat, dass dies in Einzelfällen natürlich nicht zu vermeiden war. Wie auch an einem Anlass, wo Hunderte Freiwillige unter Zeitdruck ein Bier nach dem anderen über die Theke reichen? Der historisch unberechtigte Anlass, an dem Kinder in Einzelfällen Alkohol konsumieren, hat sich aber 26 Jahre lang standhaft gehalten. Nun scheint gemäss zuverlässigen Quellen das Gutachten eines namentlich nicht genannten Juristen diesem Anlass den Garaus zu machen. Weder ein Panikforscher noch ein Sicherheitsexperte sondern ein Jurist hat als Wurzel allen Übels die Wagen, auf denen Live-Musik gespielt wird, ausgemacht. Nicht von ungefähr ist aber genau die Live-Musik der eigentliche Anziehungspunkt für Besucher des Maienzug-Vorabends.

Auch Fakten und Zahlen sprechen gegen den Entscheid des Stadtrats. Der Maienzug-Vorabend hat seit Jahren rückläufige Besucherzahlen. Die Gassen der Altstadt sind seit einigen Jahren auch bei gutem Wetter begehbar. Das Gedränge hält sich im Rahmen. Gewiss würde eine Massenpanik trotzdem zu Verletzten oder Toten führen. Seit 26 Jahren hat sich jedoch nichts dergleichen zugetragen. Der Grund dafür ist der friedliche Volksfest-Charakter des Maienzug-Vorabends. Auf keinen Fall lässt sich dieser Anlass mit dem Supergau einer Duisburger Love Parade vergleichen. Der Jurist, der das betreffende Gutachten verfasst hat, hat jedoch nicht nur Sicherheitsrisiken sondern vor allem Verantwortlichkeiten ausgemacht. Dies betrifft die Sicherheitsverantwortliche der Stadt Aarau, eine ehemalige Coiffeuse, und natürlich den Chef der Stadtpolizei Aarau. Letzterer habe an Informationsveranstaltungen für Aarauer Wirte den Teufel an die Wand gemalt: Er sähe sich und seine Familie schon in einer Ein-Zimmer-Wohnung hausen, falls etwas passiere. (Wer denkt denn schon an die Opfer...)

Verantwortung zu tragen, bedeutet nicht, ihr aus dem Weg zu gehen. Wer so denkt und handelt, ist nicht geeignet, Posten mit Verantwortung zu besetzen. 26 Jahre lang waren die Verantwortlichen in der Lage, mit dieser Verantwortung umzugehen. 26 Jahre lang ist der Maienzug-Vorabend ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Nur weil ein namentlich nicht genannter Jurist, ein Gutachten verfasst, soll im Jahre 2015 alles anders sein. Das ist für denkende Menschen schwer nachzuvollziehen. Der Stadtrat Aarau hält auch nach Erhalt einer Petition an diesem Verbot fest und verliert damit seine Glaubwürdigkeit. Wer meint, es ginge nur um das Verbot von Live-Musik, täuscht sich. Es geht tatsächlich um die stille Abschaffung des Maienzug-Vorabends. Der Vorabend passt nicht mehr in die biedere Ausrichtung des Stadtmarketings.

Konserven-Musik (DJs) sollen nach wie vor erlaubt sein, weil diese scheinbar nicht zu sicherheitsgefährdenden Menschenansammlungen führen würden. Das ist ein Trugschluss. Zwei, drei leicht bekleidete Damen, die zu Konservenmusik auf der Theke tanzen, werden denselben Effekt haben. Der kommende Maienzug-Vorabend wird viele Scheinargumente Lügen strafen und zeigen, ob es sich beim jetztigen Live-Musik-Verbot um Dummheit oder politisches Kalkül handelt. Ich glaube, dass politisches Kalkül im Spiel ist, und komme deshalb nicht umhin, das Verbot von Live-Musik am Maienzug-Vorabend als stille Abschaffung dieses Volksfestes und als Verrat an dieser Stadt, ihrer Bürger, Einwohner und Freunde zu bezeichnen.

Dominic Zschokke

Weiterführende Links:
Kommentar in der Aargauer Zeitung von H. Keller