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Ren­ten­al­ter individualisieren!

Die Schweizer Bevölkerung lebt länger und gesünder. Jedoch ist nicht nur die Gesundheit sondern auch die Möglichkeit zu arbeiten ab einem gewissen Alter sehr individuell.

Einige sind beispielsweise ab dem 63. Altersjahr aus mannigfaltigen Gründen nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Andere wiederum können ihren Beruf problemlos bis 75 ausüben. Weder die einen noch die anderen sollten für ihre individuelle Situation bestraft werden. Ein fixes Rentenalter aber läuft genau darauf hinaus. Diejenigen, die arbeiten wollen, dürfen dies nicht mehr, während diejenigen, die es nicht mehr können, durch Kürzung ihrer Renten bestraft werden.

Das Rentenalter kann nach dem Solidaritätsprinzip individualisiert und flexibilisiert werden. Wer länger arbeiten will, kann das und entrichtet einen Solidaritätsbeitrag an jene, welche nicht mehr arbeiten wollen oder können. Die Annahme ist, dass diejenigen, welche länger arbeiten wollen, nicht mehr finanziell sondern beruflich motiviert sind. Diese Modell würde ein minimales und ein maximales Rentenalter erfordern. Als unverbindlicher Vorschlag könnte eine Alters-Spanne von 63 bis 75 Jahren genannt werden.

Man kann zwei Argumente dagegen halten. Gibt es überhaupt Menschen, die länger als notwendig arbeiten wollen? Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen die Pensionierung als abruptes Ende ihres Berufslebens empfinden. Die Pensionierung kann Sinnverlust und Desorientierung auslösen. Die Umstellung in den "Freizeit-Modus" gelingt nicht allen gleich gut. Viele Menschen wären noch in der Lage und willens, aus dem breiten Fundus ihrer Erfahrung heraus wertvolle Arbeit zu verrichten.

Zweitens lässt sich erwidern, dass länger Arbeitende jüngeren ArbeitnehmerInnen Jobs wegnehmen. Wenn diese in einem Bereich eingesetzt werden, wo ihre Berufserfahrung zum Tragen kommt, wird diese Befürchtung nicht eintreffen. Hier böte sich zum Beispiel speziell die Weitergabe der Erfahrung und des Wissens an jüngere ArbeitnehmerInnen an. Eine Pensionierung eines Mitarbeiters ist für eine Firma immer auch mit dem Verlust von Wissen und Erfahrung verbunden. Wenn diese jedoch weitergegeben und erhalten werden, kann dies zu einer Qualitätssteigerung führen. Der Wirtschaft, Auflagen über das Betätigungsfeld länger Arbeitender zu machen, ist jedoch nicht sinnvoll. Wenn eine Firma oder Institution einen Mitarbeiter über das minimale Rentenalter hinaus halten möchte, gibt es gute Gründe dafür.

Um die Position von jüngeren als auch älteren ArbeitnehmerInnen zu stärken, müsste in erster Linie das altersabhängige Lohnmodell hinterfragt werden. Dass jemand, der länger gearbeitet hat zwangsläufig mehr verdienen muss, schwächt gerade die Stellung von ArbeitnehmerInnen über 50 Jahren. Zudem steht jüngeren ArbeitnehmerInnen im Lebensabschnitt der Familiengründung nicht genug Geld zur Verfügung. Die Wirtschaft wäre gut beraten, über alternative Lohnmodelle nachzudenken. Eine Anpassung der altersabhängigen Löhne müsste keine höheren Lohnkosten mit sich bringen.

Die Flexibilisierung des Rentenalters ist kein ausgearbeitetes Modell. Es handelt sich um einen Denkanstoss, der eine gangbare Alternative zum festgesetzten (erhaltenem oder erhöhtem) Rentenalter aufzeigen möchte.