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Gölä — der Pro­let irrt

"Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten". Diese harte Redewendung sollte nur in absoluten Ausnahmefällen bemüht werden. Dem Gölä, der sich im Blick zur Lage der Nation geäussert hat, lasse ich sie jedoch angedeihen. Er bombardiert uns mit Clichés, Halbwissen, Irrtümern und Binsenweisheiten, dass einem Galle hochkommt. Ich möchte an dieser Stelle zeigen, warum Göla besser geschwiegen hätte.

1. Aussage von Gölä: Der Staat gibt allen vorbehaltslos Sozialhilfe

Antwort: Nein, es gibt klare Voraussetzungen für den Bezug von Sozialhilfe und der Staat erwartet, dass Sozialhilfe zurückerstattet wird.

2. Aussage von Gölä: Junge Leute beziehen Sozialhilfe aus Faulheit

Antwort: Nein, viele junge Leute haben heute auf dem Arbeitsmarkt schlicht keine Chance. Der Dienstleistungssektor ist der grösste Wirtschaftszweig der Schweiz. Dieser braucht gut ausgebildete Spezialisten. Diesen Anforderungen genügen längstens nicht mehr alle Stellensuchenden.

3. Aussage von Gölä: Psychische Krankheiten sind kein Grund für Arbeitslosigkeit und Bezug von Sozialhilfe.

Antwort: Ich wünsche Gölä einen Bipolaren oder einen Schizofrenen als Arbeitskollegen. Ferner vergisst unser singender Prolet, dass bei solchen Krankheitsbildern intensive Abklärungen vorgenommen werden. Leute, die von einem Burnout betroffen sind, sind weder arbeits- noch handlungsfähig. Sie sind dermassen gebremst, dass an Arbeit nicht mehr zu denken ist. Gölä sollte sich mit Betroffenen auseinandersetzen, bevor er Psychisch-Kranke auf den Bau schickt.

4. Aussage von Gölä: Die Arbeitswelt seiner Grosseltern war härter.

Antwort: Die Arbeitswelt seiner Grosseltern auf die heutige Zeit zu übertragen, ist ein verfehltes Unterfangen. Alles, aber wirklich alles hat sich verändert. Mit Fleiss und Eifer alleine gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. Die Anforderungen, die an heutige Arbeitnehmer gestellt werden, sind um ein Vielfaches höher. Heute werden fachliche, menschliche, intellektuelle und kommunikative Fähigkeiten gefordert. Seine Grosseltern würden heute Sozialhilfe beziehen, wenn man diesen historischen Vergleich der Arbeitswelten schon anstellen möchte.

5. Aussage von Gölä: Das Pack von Bern...

Antwort: Damit meint er wohl unsere gewählten Volksvertreter. Egal, ob es sich um Vertreter der SVP oder der SP handelt: diese Politiker sind rechtmässig gewählte Repräsentanten des Volkes. Sie als Pack zu bezeichnen, ist eine Ohrfeige für alle WählerInnen und zeugt von mangelnder demokratischer Gesinnung.

6. Aussage von Gölä: Kein Lehrer rät seinen Schülern eine Lehre zu machen.

Antwort: Völlig falsch. Lehrstellensuche ist das A und O der Sekundarstufe. Lehrpersonen reissen sich den Arsch auf, damit ihre Schüler Lehrstellen finden. Das war ein bisschen salopp ausgedrückt. Aber vielleicht versteht Gölä ja nur diese Sprache.

7. Aussage von Gölä: Die EU ist ein künstliches Gebilde. Verschiedene Völker und Kulturen werden gewaltsam vereint, müssen nach denselben Regeln leben.

Antwort: Die Schweiz ist auch ein künstliches Gebilde. Abgesehen davon leben die "Völker" der EU nicht nach denselben Regeln. Es gilt nationales Recht. Aha... da staunt der Prolet.

8. Aussage von Gölä: Ich freue mich auch auf den Moment, wo es auf der Welt nur noch eine Hautfarbe gibt, weil alle Menschen sich untereinander vermischt haben.

Antwort: Wenn das die Lösung für Rassismus ist, dann gute Nacht. Rassismus darf es gerade wegen ethnischer Unterschiede nicht geben. Nein, diese Welt wird sich nicht zu einer Herrenrasse durchmischen, lieber Gölä.

Göläs Aussagen entpuppen sich als proletarische Phrasendrescherei, die schnell widerlegt ist. Lieber Gölä, ich wiederhole: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten".




Ren­ten­al­ter individualisieren!

Die Schweizer Bevölkerung lebt länger und gesünder. Jedoch ist nicht nur die Gesundheit sondern auch die Möglichkeit zu arbeiten ab einem gewissen Alter sehr individuell.

Einige sind beispielsweise ab dem 63. Altersjahr aus mannigfaltigen Gründen nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Andere wiederum können ihren Beruf problemlos bis 75 ausüben. Weder die einen noch die anderen sollten für ihre individuelle Situation bestraft werden. Ein fixes Rentenalter aber läuft genau darauf hinaus. Diejenigen, die arbeiten wollen, dürfen dies nicht mehr, während diejenigen, die es nicht mehr können, durch Kürzung ihrer Renten bestraft werden.

Das Rentenalter kann nach dem Solidaritätsprinzip individualisiert und flexibilisiert werden. Wer länger arbeiten will, kann das und entrichtet einen Solidaritätsbeitrag an jene, welche nicht mehr arbeiten wollen oder können. Die Annahme ist, dass diejenigen, welche länger arbeiten wollen, nicht mehr finanziell sondern beruflich motiviert sind. Diese Modell würde ein minimales und ein maximales Rentenalter erfordern. Als unverbindlicher Vorschlag könnte eine Alters-Spanne von 63 bis 75 Jahren genannt werden.

Man kann zwei Argumente dagegen halten. Gibt es überhaupt Menschen, die länger als notwendig arbeiten wollen? Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen die Pensionierung als abruptes Ende ihres Berufslebens empfinden. Die Pensionierung kann Sinnverlust und Desorientierung auslösen. Die Umstellung in den "Freizeit-Modus" gelingt nicht allen gleich gut. Viele Menschen wären noch in der Lage und willens, aus dem breiten Fundus ihrer Erfahrung heraus wertvolle Arbeit zu verrichten.

Zweitens lässt sich erwidern, dass länger Arbeitende jüngeren ArbeitnehmerInnen Jobs wegnehmen. Wenn diese in einem Bereich eingesetzt werden, wo ihre Berufserfahrung zum Tragen kommt, wird diese Befürchtung nicht eintreffen. Hier böte sich zum Beispiel speziell die Weitergabe der Erfahrung und des Wissens an jüngere ArbeitnehmerInnen an. Eine Pensionierung eines Mitarbeiters ist für eine Firma immer auch mit dem Verlust von Wissen und Erfahrung verbunden. Wenn diese jedoch weitergegeben und erhalten werden, kann dies zu einer Qualitätssteigerung führen. Der Wirtschaft, Auflagen über das Betätigungsfeld länger Arbeitender zu machen, ist jedoch nicht sinnvoll. Wenn eine Firma oder Institution einen Mitarbeiter über das minimale Rentenalter hinaus halten möchte, gibt es gute Gründe dafür.

Um die Position von jüngeren als auch älteren ArbeitnehmerInnen zu stärken, müsste in erster Linie das altersabhängige Lohnmodell hinterfragt werden. Dass jemand, der länger gearbeitet hat zwangsläufig mehr verdienen muss, schwächt gerade die Stellung von ArbeitnehmerInnen über 50 Jahren. Zudem steht jüngeren ArbeitnehmerInnen im Lebensabschnitt der Familiengründung nicht genug Geld zur Verfügung. Die Wirtschaft wäre gut beraten, über alternative Lohnmodelle nachzudenken. Eine Anpassung der altersabhängigen Löhne müsste keine höheren Lohnkosten mit sich bringen.

Die Flexibilisierung des Rentenalters ist kein ausgearbeitetes Modell. Es handelt sich um einen Denkanstoss, der eine gangbare Alternative zum festgesetzten (erhaltenem oder erhöhtem) Rentenalter aufzeigen möchte.