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Die wah­re Verschwörung (!)

#tldr: Eine Woche lang tobte in einigen Schweizer Zeitungen eine beispielslose mediale Hetzjagd gegen einen Schweizer Akademiker. Der Name des gejagten Historikers lautet Daniel Ganser, jener seines Jägers Roger Schawinski, ein Talkmaster, Journalist und umstrittener Buchautor. Ganser enthielt sich einer Stellungnahme. Die Schlammschlacht wurde von den Medien einseitig, inhaltslos und unreflektiert «ad hominem» geführt. Die interessanten Fragen und Fronten erschliessen sich jedoch erst bei einer genaueren Betrachtung der involvierten Verlage und deren Interessen.

Die «Schweiz am Wochenende» vom 7. April 2018 widmete der «Causa Ganser» eine ganze Doppelseite auf Seite 2 und 3. Ein Artikel handelte davon, dass die Universität St. Gallen (HSG) Historiker Gansers letzten offiziellen Lehrauftrag gestrichen hatte. Zwischen den Zeilen stand: Endlich wurde der konspirative Doktor aus den akademischen Gefilden verbannt. Ganser wurde in diesem Artikel als «Verschwörungsstar» etikettiert. Es ist nicht weit hergeholt, diese nachfolgend nicht weiter begründete Einordnung eines Menschen als grobschlächtiges oder marktschreierisches Labelling zu bezeichnen. Untermalt wurde dieser Artikel von einem Interview mit Roger Schawinski, der - es muss Zufall sein! - soeben ein Buch über Gansers vermeintliche Verschwörungstheorien geschrieben und veröffentlicht hatte. Die Doppelseite wurde schliesslich abgerundet durch eine lustlose Rezension über Schawinskis neuestes Werk «Verschwörung!». Zusammenfassung: Lesenswert, kaufen, und ja, analytische Abschnitte überspringen(!)

Generell fiel diese Doppelseite durch Ankündigungen, Teaser und in Aussicht gestellte Enthüllungen, nicht aber durch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sogenannten Verschwörungstheorien auf. Worum es bei diesen Verschwörungstheorien wirklich geht, erfährt der Leser erst später, z.B. im Tagesanzeiger, wo uns kein Geringerer als der Buchautor Schawinski ein Auszug seines Buches präsentiert. Die Inhalte lassen sich schnell zusammenfassen: Schawinski enthüllt Verschwörungstheorien, den Verschwörungsprediger Ganser, nicht nur seine grosse verblendete Anhängerschaft, sondern ein ganzes Verschwörungs-Netzwerk, ja sogar einen globalen Verschwörungs-Markt. Schawinskis Enthüllungen und Recherchen lesen sich wie ein einziges Ausrufezeichen. Den möglichen Käufern und Lesern diese Buches seien Gehörschutzstöpsel empfohlen.

Was aber von Schawinski als neu entdeckte und endlich enthüllte Verschwörungstheorien gebrandmarkt und verkauft wird, ist jedoch schon seit geraumer Zeit Gegenstand intensiver Diskussionen und Untersuchungen. Es geht da zum Beispiel um das Gebäude WTC 7, welches beim Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 wegen eines Brandes eingestürzt ist - so die offizielle Version. Ganser beschäftigt sich nebenbei auch mit diesem Detail des WTC-Anschlages, weil er sich als Historiker gemäss seinen Aussagen mit welt-verändernden Ereignissen der Geschichte befassen muss. Wer jedoch Zweifel am offiziellen Narrativ der 9/11-Ereignisse äussert, dem wird routinemässig die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten und Denken abgesprochen. Diese Gesetzesmässigkeit wird auch im Falle Ganser von Schawinski nachvollzogen: Kein vernünftiger Mensch darf an der offiziellen Erklärung der Anschläge auf das World Trade Center zweifeln. Wer es dennoch tut, ist ein Verschwörungstheoretiker. So die simplizistische Logik.

Das Gebäude WTC 7 ist, ohne von einem Flugzeug getroffen worden zu sein, eingestürzt. Die offizielle Untersuchung ergab, dass es sich dabei um den ersten massiven Stahl-Hochbau handelt, der infolge eines Brandes symmetrisch und im freien Fall eingestürzt ist. Die forensische Computer-Rekonstruktion der offiziellen Untersuchungsbehörde NIST konnte den Einsturz jedoch nicht nachbilden. Zahlreiche renommierte - 3000 an der Zahl - Architekten, Ingenieure und auch Sprengmeister sind der Meinung, dass eine massive Stahlkonstruktion nie infolge eines Brandes symmetrisch und im freien Fall kollabieren kann. Sie tendieren zur Erklärung, dass besagter Einsturz von einer kontrollierten Sprengung verursacht wurde. Natürlich wurden auch diese Experten wie jetzt auch der Historiker Ganser als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Die Implikation einer kontrollierten Sprengung des WTC 7 würde die Vorgänge und Hintergründe der Anschläge des 11. Septembers insgesamt in Frage stellen. Eine neue unabhängige Universitäts-Studie will die Ursache für den Einsturz von WTC 7 abschliessend mittels modernster Computer-Simulation klären. Vielleicht werden die Ergebnisse dieser Untersuchung das Weltbild einiger Wahrheits-Fanatiker zum Einsturz bringen.

Ohne sich zu fest in den Einzelheiten der 9/11-Theorien und -Deutungen zu verlieren, lässt sich festhalten, dass es politischen Sprengstoff birgt, das offizielle US-Narrativ der 9/11-Anschläge in Frage zu stellen. Ganser wagt sich auf dieses Minenfeld. Er zeigt in seinen Vorträgen vorwiegend auf, wie medial fabrizierte Lügen Kriege ausgelöst und in der westlichen Bevölkerung Kriegsbereitschaft erzeugt haben. Ganser wurde in seiner akademischen Tätigkeit auf Intervention und Druck der US-Botschaft bereits zurückgepfiffen. Es ist gefährlich, sich mit der NATO und den USA anzulegen. Damit geht der nächste Trugschluss oder die nächste böswillige Unterstellung einher: Wer gegen den Westen ist, ist für Putin. Auch diesen Übersprung lässt Schawinski in seinem Buch «Verschwörung» natürlich nicht aus. Fast entsteht der Eindruck, Ganser wäre ein Handlanger und Fakenews-Bot Vladimir Putins. Ganser selbst hat sich nie dahingehend geäussert und würde sich wahrscheinlich dagegen verwehren, wie auch seinen auf Youtube erhältlichen Vorträgen zu entnehmen ist.

Im Kielwasser der Werbekampagne für Schawinskis Buch haben etliche Verlage eine unvergleichliche Schmutzkampagne gegen Ganser kolportiert unter gänzlichem Verzicht auf eine korrekte journalistische Aufarbeitung. Auf inhaltliche Fragen wurde nicht eingegangen. Grobschlächtiges Labelling machte aus einem Akademiker einen Verschwörungsstar. Ein Mensch und seine Arbeit wurden für ungültig erklärt, seine Ansichten als Verschwörungstheorien abgetan. Ein historischer Forscher wurde für akademisch tot erklärt. Das geschichtswissenschaftliche Prinzip der Kontroversität, dass nämlich sich widersprechende Theorien ein wesentlicher Bestandteil der Auseinandersetzung mit Geschichte sind, wurde komplett ignoriert. Wie kommt ein Grossteil der Schweizer Presse dazu, eine mediale Hasswoche gegen eine Person zu inszenieren?

Zur Klärung dieser Frage lohnt es sich aufzuzeigen, wer Schawinskis Buch veröffentlicht und «pusht». Sein zwölftes Buch wurde im «NZZ Libro»-Verlag verlegt. Die Wege zur NZZ sind kurz. Dort waltet noch immer der Geheimdienst-Kreisen nahestehende Chefredaktor Eric Gujer. Nachrichtendienst bedeutet einen schnellen Informations-Draht zu westlichen Geheimdiensten. Dort werden Nachrichten überwacht und gemacht. Dort werden Feinde des Westens ausgemacht. Wurde Daniel Ganser als ein solcher identifiziert? Wir wissen es am Ende nicht. Fragwürdig bis gefährlich aber scheint nach wie vor, dass Medienschaffende mit Geheimdiensten verbandelt sind. Was den heiligen Westen, einschliesslich der NATO, in ein schlechtes Licht rückt, war der NZZ schon immer zuwider. Die blinde Unterstützung der NATO scheut auch den Pakt mit dem Teufel nicht. Wie äusserte sich Chefredaktor Eric Gujer über den türkischen Diktator Erdogan gleich nochmal: Erdogan bleibt ein Partner! Anmerkung: Die Türkei ist NATO-Partner. So kommt es sehr gelegen, dass ein Buch über «Verschwörung!» mit der Entlassung eines unliebsamen NATO-Kritikers zusammenfällt. An diesem Punkt kann im Doppelpack Deutungshoheit hergestellt und kritische Stimmen mundtot gemacht werden. Ganser ist so eine kritische Stimme. Er ist gefährlich für unsere Sicht auf das harmonische Bündnis des Westens, welches freilich von den USA dominiert - besser gesagt - beherrscht wird. Ob mit der Wahl Schawinskis als Ankläger die richtige Wahl getroffen wurde, muss bezweifelt werden. Schawinski ist nicht glaubwürdig. Sein Worte sind von jenem Fanatismus und Narzissmus durchdrungen, welche er Verschwörungstheoretikern selbst zum Vorwurf macht.

Zitat Roger Schawinski
Auszug aus dem Interview in der «Schweiz am Wochenende» mit Roger Schawinski. Er erklärt uns Narzissmus.

Die NZZ ihrerseits hat einen guten Draht zu den AZ-Medien, welche die Hasswoche gegen Ganser eingeläutet haben. Die beiden Medienhäuser haben sich auf eine Zusammenarbeit im regional-lokalen Markt geeinigt. Wurde mit dieser Schmutzkampagne zum ersten Mal die überregionale Zusammenarbeit geübt? Man kommt sich auf jeden Fall näher, auch in der Senkung journalistischer Standards. Die restlichen Medienhäuser haben die mit publizistischer Werbung verbundene politische Propaganda unisono und unaufgearbeitet übernommen. Der zur Tamediagruppe gehörende Tagesanzeiger bietet Schawinski für sein Buch «Verschwörung!» sogar eine Gratis-Werbeplattform an (sh. oben, 3. Absatz). Die Schweizer Medien geben in der «Causa Ganser» insgesamt ein erbärmliches Bild ab. Glaubwürdiger Journalismus muss den Menschen die Möglichkeit geben, sich eine Meinung zu bilden. Das ist in diesem Fall nicht geschehen. Wenn traditionelle Medien ihre Glaubwürdigkeit nicht vollends verlieren wollen, sollten sie in Zukunft auf propagandistische Berichterstattung verzichten. Auch Herr Gansers Ansichten und Theorien sind nicht vor Kritik gefeit. Sie sollten aber einer denkenden Leserschaft unterbreitet werden, bevor inhaltsleerer journalistischer Rufmord geübt wird. Gelingt es den traditionellen Medien nicht, das Ausrufezeichen wieder einmal weniger defizitär und am richtigen Ort zu setzen, machen sie sich selber überflüssig.

 

 




Die Akti­on «Mir lan­gets» und ihre KritikerInnnen

Ein ganzseitiges Wahl-Inserat einer schweizerischen Partei auf der Titelseite der Pendlerzeitung "20 Minuten" war für Donat Kaufmann, einen 26 jährigen Studenten, Anstoss, mittels Crowdfunding ein Projekt zu lancieren. Sein Intention war, mittels unzähliger Mikro-Spenden die Titelseite von "20 Minuten" zu kaufen, um eine Zeichen gegen undurchsichtige Parteifinanzierung und Inhaltslosigkeit im Wahlkampf zu setzen. Die Spender sollten die ungeheure Summe von ungefähr 138'000 Franken für die Schaltung des Titelseiten-Inserates aufbringen. Jeder Spender würde namentlich erwähnt und auf der Rückseite stünde die Botschaft: Aufmerksamkeit kann man kaufen. Unsere Stimmen nicht.

Das Crowdfunding-Projekt traf den Nerv der Zeit und der Spender. Innert kürzester Zeit wurde das Ziel übertroffen. Das Inserat wurde am 14. Oktober termingerecht geschaltet. Auch organisatorisch hat der junge Mann alles richtig gemacht. 12'000 Menschen haben sich unter einer simplen, aber verständlichen Botschaft versammelt und ein starkes Zeichen gegen inhaltslose und verschwenderische Parteienwerbung gesetzt. Damit, so könnte man meinen, wäre eine belebende Episode des schweizerischen Wahlkampfes abgeschlossen.

Doch nun bricht die Zeit der Nörgler, Besserwisser, Miesmacher, Kritiker und Polemiker an. Sie zaubern sofort das dümmste, oberflächlichste, naivste und erbärmlichste Null-Argument aller Zeiten aus dem Hut. Dieses Geld hätte man besser für humanitäre Zwecke, für Flüchtlinge, für Arme und Bedürftige eingesetzt, bemängeln sie. Dieses Argument hätte am richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt durchaus seine Berechtigung. Nur kommt es zu spät und verfehlt die eigentlichen Adressaten. Diese Kritik hätte sich viel früher gegen alle Parteien, die Millionen für sinnbefreite Wahlwerbung verschwendet haben, richten sollen. Dass nun Zeitungen, welche sich daran gemästet haben, wagen, die einzige Protest-Aktion gegen genau diese sinnlose Wahlwerbung naiv-polemisch zu kritisieren, grenzt an bodenlose Frechheit oder totale Ignoranz.

Diese naive Kritik ist auch eine Beleidigung des Willens Tausender Spender. Die Spender haben bei vollem Bewusstsein und klarem Verstand entschieden, diese und genau diese Aktion zu unterstützen. Es war Ihnen ein tiefes Bedürfnis, mit einem kleinen Beitrag auf einen grossen Missstand unserer Demokratie aufmerksam zu machen. Sie wollten keine Flüchtlingshilfe leisten. Sie wollten nicht das AHV-Loch stopfen. Sie wollten kein neues Smartphone finanzieren und sie wollten nicht Armut und Ungerechtigkeit beseitigen. Nein, sie wollten nur Donats Aktion «Mir langets» unterstützen. Wer das nicht akzeptieren kann, verhöhnt und verspottet den Willen von 12'000 urteilsfähigen Spendern.

Nun leiden Besserwisser eben auch an einer bedauernswerten Passivität. Es stände Ihnen frei, alle ihre hochtrabenden Ideen selber mittels eines Crowdfunding-Projektes zu realisieren. Donat hat vorgemacht, dass es sich nicht um Hexerei handelt. Aber sie tun es nicht. Es ist einfacher, Donats erfolgreiches Projekt zu verschreien als selber aktiv zu werden gegen die von ihnen bemängelten Missstände. Wer anderen vorwirft das Falsche zu tun, sollte zuerst das Richtige getan haben. Doch gerade die schreibende Zunft bekundet grosse Mühe, wenn es darum geht, Worten Taten folgen zu lassen. Sie betrachten Worte als Selbstzweck und Spaltenfüller. Auch daran krankt der Journalismus.

Bevor selbsternannte PolemikerInnen und KritikerInnen das nächste Mal versucht sind, in die Tasten zu hauen, sollten sie zuerst das Hirn einschalten, und wenn sie keines haben, wenigstens das Maul halten.