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Face­book — das Tscher­no­byl der Daten

#tldr: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten die Menschen die Gefahr, die von radioaktiver Strahlung ausging, nicht begreifen. Die tödliche Gefahr war unsichtbar. Der Reaktorunfall von Tschernobyl rief der Welt in das Bewusstsein, dass auch Unsichtbares lebensbedrohlich sein kann. Heute ist ein weiterer Supergau in vollem Gang, dessen Ursachen und Wirkungen wir vorerst weder sehen noch fassen können: Der Daten-Supergau. Der Facebook-Skandal um die Firma «Cambridge Analytica» muss zu einem Umdenken führen und rechtliche Konsequenzen haben.

Zwei Milliarden Menschen tummeln sich auf Facebook. Sie geben höchstpersönliche Informationen an ihre Freunde und Bekannte weiter und verbinden sich mit anderen Facebook-Nutzerinnen. Diese Dienstleistung wird ihnen scheinbar kostenlos zur Verfügung gestellt. Ohne sich darüber im klaren zu sein, bezahlen Nutzerinnen Facebook jedoch mit Ihren persönlichen Daten. Diese werden von Algorithmen bearbeitet, mit externen Daten kombiniert und zu einem hochpräzisen Personenprofil gebündelt.

Diese hochsensiblen Persönlichkeitsprofile werden nun aber nicht wie ein Schatz gehütet, sondern - auf Neudeutsch - monetarisiert, sprich an alle Interessenten verkauft.

Dieses Personenprofil enthält Einkommensklasse, soziale Stellung, beruflicher Werdegang, Vorlieben, Konsum-Gewohnheiten, sexuelle Orientierung, politische Ausrichtung, Einstellungen, Freunde, Alter, Familienangehörige, Wohnsituation, Nationalität, Bildung, Finanzen, körperliche und geistige Erkrankungen, Drogenabhängigkeit, Bewegungsprofile, biometrische Daten, Surf-History, Verhaltensmuster und Persönlichkeitsmerkmale. Facebook weiss mehr über ihre Nutzerinnen als sie selber. Diese hochsensiblen Persönlichkeitsprofile werden nun aber nicht wie ein Schatz gehütet, sondern - auf Neudeutsch - monetarisiert, sprich an alle Interessenten verkauft.

Das Schadenspotenzial dieses Profilhandels ist für die Konsumentinnen enorm.

Interessenten sind alle, die für diese Daten bezahlen wollen und können, sprich Staaten, Behörden, Banken, Versicherungen, Werbetreibende, Firmen, Parteien und Politiker. Ob diese Daten zu Gunsten der Konsumentinnen weiterwendet werden, darf bezweifelt werden. Vielleicht steigt plötzlich ihre Krankenkassenprämie. Vielleicht wählen sie plötzlich eine Partei, die Sie noch vor Monaten für unwählbar hielten. Vielleicht erhalten sie keinen Kredit oder keine Zusatzversicherung. Vielleicht kaufen sie plötzlich Dinge, die ihnen vor kurzer Zeit nichts bedeutet haben. Vielleicht wird ihnen die Einreise in ein Land verwehrt. Vielleicht werden sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Das Schadenspotenzial dieses Profilhandels ist für die Konsumentinnen enorm. Abnehmer für diese Daten könnten ferner auch Kreise mit kriminellen Absichten sein.

Wer nun noch glaubt als Facebook-Nutzerin mit einem Pseudonym nicht schon lange mit Klarnamen inklusive oben erwähnten «Zusatz-Informationen» bekannt zu sein, sollte schleunigst in sich gehen.

Das gewaltige Ausmass dieser Datenverarbeitung und  -verwertung offenbart sich im Umstand, dass auch Daten über Menschen, die Facebook nicht nutzen, gesammelt werden. Es genügt auf Facebook erwähnt zu werden, um dort erfasst zu werden. «Shadow Profiling» wird diese Erfassung von unbeteiligten Dritten genannt. Facebook will schlicht und einfach alle Informationen über alle Menschen an sich reissen, verarbeiten und vergolden. Wer nun noch glaubt als Facebook-Nutzerin mit einem Pseudonym nicht schon lange mit Klarnamen inklusive oben erwähnten «Zusatz-Informationen» bekannt zu sein, sollte schleunigst in sich gehen.

Die Daten von Facebook-Nutzerinnen (und Unbeiligten) befinden sich in der freien Wildbahn und sind zum Abschuss freigegeben.

Die Gefahr, die von diesem Datenhandel ausgeht, betrifft jedoch nicht nur Einzelpersonen, sondern Staaten und Demokratien. Die Firma «Cambridge Analytica» soll zwecks Manipulation der US-Wahlen Millionen von Facebook-Profilen abgegriffen und verarbeitet haben, um damit Wählerinnnen gezielt zu beeinflussen. Hinter dieser Firma stehen Personen aus dem Umfeld des US-Präsidenten Trump als auch aus Russland. Der amerikanische Sonderermittler wird sich dem gewiss annehmen. Pikantes Detail: Diese Firma erhielt einen _akademischen_ Zugang zur Facebook-Schnittstelle (API). Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass sich beim Datentopf «Facebook» nicht schon andere Firmen bedient hätten. Die Daten von Facebook-Nutzerinnen (und Unbeteiligten) befinden sich in der freien Wildbahn und sind zum Abschuss freigegeben.

Geschäftsgeheimnisse sowie Privatsphäre sind dort aufgehoben, nicht im Sinne von «gewahrt», sondern im Sinne von «annuliert».

Die Bedrohung für Datenschutz und Privatsphäre geht jedoch nicht nur von Facebook aus. Weitere Datenkraken wie Google, welches seinen Nutzerinnen hoch und heilig versprochen hat, nicht Böse zu sein («Don't be evil»), verfügen über ähnliches oder grösseres Schadenspotenzial. Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass diese Firmen nicht bankrott gehen oder von Aktionären, welche das Geschäftsmodell ändern, übernommen werden. Vielmehr gibt es eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass eben dies früher oder später geschehen wird. Zudem haben wir es hier mit amerikanischen Konzernen zu tun, welche den US-Behörden und Geheimdiensten unter Geheimhaltung alle möglichen Daten herausgeben müssen. Wer - Private oder Firmen - mit vertrauenswürdigen oder sensiblen Daten arbeitet, sollte Google, Twitter, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple unbedingt meiden. Geschäftsgeheimnisse sowie Privatsphäre sind dort aufgehoben, nicht im Sinne von «aufbewahrt», sondern im Sinne von «annuliert».

Den Konsumentinnen bleibt also einmal mehr nur, sich selber zu schützen.

Edward Snowden ist der Meinung, dass Facebook eine Firma ist, die zur Massenüberwachung geschaffen und als «Social Media» getarnt wurde. Wie der aktuelle Skandal zeigt, ist auch Massenmanipulation anhand der von Facebook gesammelten Daten in greifbare Nähe gerückt. Demokratische Politiker sollten sich dieser Problematik unverzüglich annehmen und strenge Regulierungen für Firmen, welche mit Personenprofilen handeln, fordern. Leider sind Staaten wie die Schweiz mehr mit der sinnlosen Überwachung der eigenen Bevölkerung als mit dem dringend notwendigen Schutz derselben beschäftigt. Den Konsumentinnen bleibt also einmal mehr nur, sich selber zu schützen. Dieser Schutz kann nur darin bestehen, sich - wenn möglich - von solchen Dienstleistungen für immer abzumelden. Wie aber will man sich von Google oder Apple abmelden, wenn man ein Smartphone der jeweiligen Firma besitzt? Die Abhängigkeit von diesen Konzernen ist grenzenlos. Das Internet muss deshalb von Grund auf überdacht und neu konzipiert werden.

Das Tschernobyl der Daten hat erst begonnen. Es ist Zeit aufzuwachen und die Augen nicht länger vor dieser neuen unsichtbaren Bedrohung unseres Lebens und unserer Demokratie zu verschliessen.




Das Inter­net ist kaputt. Wir brau­chen ein neu­es: Das Internext

Dieser Artikel ist auch in Englisch verfügbar.

#tldr: Dezentrale Netzwerke spriessen wie Pilze aus dem Boden. Sie haben das Potenzial, das alte, von Monopolen und Staaten beherrschte Internet zu ersetzen und den Teilnehmerinnen ihre Freiheit zurückzugeben.

Nimmt man heute den Zustand des Internets genauer unter die Lupe, kann man nur zum Schluss kommen, dass es kaputt ist, entstellt und zweckentfremdet wurde. Was einmal als ein Projekt von Akademikern, Forschern, Programmierern und Kreativen begann, wurde von wirtschaftlicher und staatlicher Seite zu einem Sumpf des Kommerzes, der Überwachung und Zensur umfunktioniert. Auf der wirtschaftlichen Seite bestimmen wenige grosse Konzerne die Geschicke des Internets. Allen bekannt dürften Google, Facebook, Microsoft, Apple und Amazon sein: übrigens alles US-Konzerne. Sie monopolisieren Daten, Datenströme, Inhalte, Werbung, sozioökonomische Personenprofile, und nicht zuletzt die technologische Weiterentwicklung, sprich die Zukunft des Internets. Leider sind die Konsumenten bequem genug, diesen Monopolisten ihre höchstpersönlichen Daten wie E-mails, Surf- und Suchverhalten und Dokumente in den Rachen zu werfen, da sie im Gegenzug von Gratis-Diensteistungen profitieren können. Diese Daten werden in Gold umgewandelt, indem sie verkauft, gehandelt, wiederverkauft, erweitert und schliesslich in Form von massgeschneiderter Werbung (targeted&tailored Ads) auf die Konsumenten zurückgeworfen werden. Ein Milliarden-Business, bei dem der Konsument nur verliert!

Die Unkosten dieser gigantischen Überwachung tragen selbstverständlich die Überwachten selber: der reine, absolute Wahnsinn!

Die staatlichen Akteure hingegen spielen «Cyberwar» und «Räuber&Police», verminen und verwanzen die freie Kommunikation und fördern mittlerweile aktiv die Schwächung der gesamten IT-Infrastruktur, indem sie durch den Einkauf von Sicherheitslücken einen Schwarzmarkt ankurbeln. Anders ausgedrückt: Staaten kaufen mit Steuergeldern Verbrecher-Software. Um Verbrecher zu jagen, werden die Dienste von Verbrechern in Anspruch genommen. Eine verquere Logik, die gewiss noch mit vielen abstrusen Politiker-Ausreden verziert wird. Ferner lassen Staaten - mittlerweile auch die Schweiz - einen flächendeckenden, unverhältnismässigen Überwachungsapparat auf die eigene Bevölkerung, die sich damit natürlich in Unkenntnis der Materie oder aus irrationaler Panik sogar einverstanden erklärt, los. Das BÜPF sorgt in der Schweiz dafür, dass ab dem 1. März 2018 sämtliche Verbindungsdaten aller Geräte und Nutzerinnenfür ein halbes Jahr gespeichert werden. Die Unkosten dieser gigantischen Überwachung tragen selbstverständlich die Überwachten selber: der reine, absolute Wahnsinn! Würde der Staat alle unsere zwischenmenschlichen Verbindungen und Kontakte in der Realität mitschneiden wollen, wären die Verantwortlichen schon lange aus den ihnen demokratisch übertragenen Positionen entfernt worden. Die Vorgänge im digitalen Raum verstehen die Menschen, welche schon mit der Bedienung ihres Smartphones überfordert sind, einfach nicht und folgen blind ein paar Wölfen im Schafspelz. So stehen wir vor der Tatsache, dass das Internet, die Grundlage unserer modernen Kommunikation, auch von staatlicher Seite komplett untergraben wurde. Beispielsweise möge jeder für sich selber beurteilen, ob die seit Jahren bestehenden, gravierenden Sicherheitslücken (Meltdown&Spectre) in modernen Prozessoren, Recheneinheiten eines jeden Computers, ein Produkt des Zufalls, der Fehlplanung oder der bewussten staatlichen Unterwanderung sind.

Die Menschen müssen die Kontrolle über ihre Kommunikation und ihre Daten zurückfordern und zurückerhalten.

Das Internet hat sich von seinem eigentlichen Zweck, der Kommunikation zwischen Menschen, entfernt, ist zu einem Selbstbedienungsladen und Handelsplatz von Personendaten verkommen. Facebook zum Beispiel, eine Plattform, die den Menschen die Möglichkeit bietet, Bilder, Interessen und Meinungen auszutauschen, verwertet und verkauft die Profile ihre Nutzerinnen an Werbe-Firmen oder sonstige Interessenten. Dem stimmen die Nutzerinnen natürlich zu, indem sie die Nutzungsbedigungen ungelesen akzeptieren. Facebook kennt ihre Teilnehmerinnen in- und auswendig, vielleicht besser als sie sich selber kennen. Ist das ein fairer Deal: Kommunikation vs. Verkauf des Personenprofils? Das ist eben die Kehrseite dieser zentralisierten und monopolisierten Kommunikationsplattformen. Die Nutzerinnen verkaufen sich eigentlich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wer ein Android-Smartphone besitzt, sollte sich einmal auf myactivity.google.com einloggen, um festzustellen, dass Google sein ganzes digitales und reales Leben protokolliert. Welche App wurde wann aktualisiert? Wo befand sich die Nutzerin? Wonach hat sie oder er gesucht? Diese Daten sind dort auf die Sekunde festgehalten. (Notiz: Achten Sie also auf ihre Login-Daten). Davon können staatliche Überwacher eigentlich nur träumen. Jedoch hat das alles tatsächlich nichts mehr mit jenem Internet zu tun, welches Tim Berners-Lee vor 27 Jahren entworfen hatte. An diesem Punkt muss ein Strich gezogen werden. Die Menschen müssen die Kontrolle über ihre Kommunikation und ihre Daten zurückfordern und zurückerhalten. Das ist in naher Zukunft möglich, ohne zentrale Monopolisten, ohne zentrale Dienste, ohne zentrale Server, ohne totale Preisgabe seines Lebens und seiner Seele.

Das nächste Netz gibt den Menschen die Kontrolle über ihre Daten und ihre Kommunikation zurück.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich vor dieser absoluten Verfolgung und Kontrolle der Kommunikation zu schützen. Jedoch offenbaren diese Flicken am Ende nur, wie kaputt das Internet bereits ist. Deshalb ist es höchste Zeit, das Internet neu zu erfinden. Das nächste Netz gibt den Menschen die Kontrolle über ihre Daten und ihre Kommunikation zurück. Dabeit handelt es sich um keine realitätsferne Zukunftsvision, da die Technologien bereit sind, und unzählige Projekte für ein dezentrales, verteiltes und verschlüsseltes Internet in den Startlöchern stehen. Die Kerntechnologie, welche dieses Internet antreiben wird, ist die Blockchain. Dabei handelt es sich um eine verschlüsselte, nicht manipulierbare, verteilte Kette von Transaktionen oder Aktionen. Gepaart wird diese Technologie mit Bittorrent, Tor, DHT, Verschlüsselung, File-Splitting und verteilten Dateisystemen. Anbei ein kleiner Überblick über diverse Projekte, die das dezentrale Internet gestalten wollen. Darunter befindet sich übrigens auch das Solid-Projekt des «Internet-Erfinders» Tim Berners-Lee.

Verteilte Internet-Plattformen:
Beaker-Browser
Zeronet
Peergos
Substratum
Solid
Maidsafe
Blockstack

Verteilter Mobil-Messenger:
Ring

Sicherer Bittorrent-Client:
Tribler

Verteilte Handelsplattform:
Open Bazaar

Verteilte Sozial-Plattformen:
Scuttlebutt
Sphere

Verteilte Dateisysteme:
Interplanetary Filesystem (IPFS)
Dat-Projekt

Verteilter Speicherplatz:
Storij
Sia
Bitdust

Dezentralisierter Facebook-Ersatz:
Diaspora

Verteilte Rechenpower:
Golem Projekt

Die «alten» anonymen Netze:
I2P
Freenet Project (nicht zu verwechseln mit dem deutschen E-mail-Anbieter)

Eine Monetarisierung des neuen Internets kann nicht im Sinne der Nutzerinnen sein. Das findet im Moment schon zur Genüge statt.

Freilich ist nicht alles Gold, was glänzt. Viele dieser Projekte stecken noch in den Kinderschuhen. Andere derartige Projekte wiederum dienen zweifelsohne der Koppelung einer digitalen Währung an Dienstleistungen. Eine Monetarisierung des neuen Internets kann nicht im Sinne der Nutzerinnen sein. Das findet im Moment schon zur Genüge statt. Zudem müssen solche Projekte unbedingt offene Entwicklungen sein, damit die Kontrolle bei den Anwendern bleibt. Proprietäre Projekte sind nicht im Sinne eines offenen, freien Internets, weil damit eben wieder eine Zentralisierung und Monopolisierung des Internets einhergeht. Die Beurteilung, welche der obigen Projekte «Open Source» sind, sei dem Leser überlassen. Aufhorchen jedoch lässt, dass der verbreitete Browser Firefox die dezentralen Protokolle von IPFS, Dat und Secure Scuttlebutt in der Version 59 akzeptiert. Man darf deshalb gespannt sein auf zukünftige Erweiterungen, welche diese Protokolle einsetzen.

Dies stärkt den im heutigen Internet auf's Übelste aufgeweichte Daten- und Persönlichkeitsschutz.

Was sind nun jedoch die Vorteile eines dezentralen Netzes? Diese dezentralen Netze sind in erster Linie unglaublich zensur-resistent. Das wird weder demokratischen noch totalitären Staaten gefallen. Die Daten liegen eben nicht zentral auf einem Server bei einem Anbieter, sondern verschlüsselt und verteilt bei allen Teilnehmerinnen des Netzwerks. Webseiten und Dokumente werden kaum mehr zu entfernen sein, weil Hundertausende oder sogar Millionen von auf der ganzen Welt verteilten Menschen vom Netz genommen werden müssten. Daten werden eben auch redundant gespeichert, so dass der Verlust persönlicher Daten nahezu auszuschliessen ist. Ferner haben die Teilnehmerinnen eine verstärkte Kontrolle über ihre persönlichen Daten und darüber, was sie von sich preisgeben. Möglicherweise wird sogar eine Form der Anonymität oder Pseudonymität gegeben sein. Dies stärkt den im heutigen Internet auf's Übelste aufgeweichte Daten- und Persönlichkeitsschutz. Strafverfolgung wird dadurch auf jeden Fall nicht vereitelt, wie die Aushebung des Drogen- und Waffenportals «Silkroad» gezeigt hat. Solide, gezielte und althergebrachte Ermittlungsarbeit wird die unsinnige Massenüberwachung unschuldiger Bürgerinnen ersetzen müssen. Die Demokratie wird auf jeden Fall gestärkt. Für Urheber dürfte sich nicht viel ändern, da sie ja jetzt schon mit einer Flut von Urheberrechtsverletzungen konfrontiert sind. Die Verfolgung und Unterdrückung von Urheberrechtsverletzungen dürfte sich jedoch einiges schwieriger gestalten. Vielleicht führt dies zu einem Umdenken bei den Content-Anbietern, welche die Fans ihrer Produkte bislang als Feinde betrachteten.

Die gesellschaftlichen Folgen von dezentralen Netzen werden nicht unbedeutend sein und im besten Fall die eine oder andere Diktatur stürzen als auch «Demokratien auf Abwegen» stärken.




Will­kom­men im Über­wa­chungs­staat Schweiz!

Ich heisse Sie ganz herzlich im Überwachungsstaat Schweiz willkommen! Seit dem ersten März 2018 dürfen Sie sich nun ganz sicher fühlen, denn die gesamte Kommunikation aller Terroristen und Verbrecher wird nun in der Schweiz lückenlos überwacht. Ganz nebenbei wird auch Ihre gesamte Internetkommunikation aufgezeichnet und für ein halbes Jahr gespeichert. Der Staat weiss nun, dass sie dieses «aufrührerische» Blog lesen. Fühlen Sie sich nun immer noch so sicher? Aber ja doch, wer ja nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu verlieren! Denken Sie nur einmal an unsere Firmen; die haben doch nichts zu verbergen. Oder vielleicht doch? Firmengeheimnisse? Gut, der Überwachungsstaat Schweiz garantiert uns, dass er keine Inhalte durchschnüffelt. Nein, er lässt ja nur Meta- und Verbindungsdaten speichern. Kaum ist das neue BÜPF in Kraft getreten, zeigen Recherchen des Schweizer Fernsehens, dass die Provider jedoch viel mehr speichern, nämlich die gesamte Surf-History von Internetanwendern. Somit lässt sich lückenlos nachvollziehen, wer was wo wann und wie aufgerufen hat, also auch Inhalte, sofern sich diese in keinem geschützten Bereich befinden. Das betrifft die grosse Mehrheit aller Internet-Inhalte, welche heute "zum Glück" mit permanenten Adressen versehen sind, d.h., sie verschwinden nicht einfach so.

Schönheit liegt im Auge des Überwachers
I see you, I hear you, I'm interested in you.

Kaum hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gekippt, stürzt sich die Schweiz in das aussichtslose Abenteuer der flächendeckenden Überwachung. Alle Internet-Nutzerinnnen sind nun auf dem Radar der staatlichen Überwachung angekommen. Alle? Nein, Technologie-Versierte können sich dieser Überwachung mit Leichtigkeit entziehen. Diese Technologien stehen auch Otto Normalverbraucher zur Verfügung. Dazu später mehr. Die Überwachung trifft also zuallerst einmal die grosse Mehrheit der unbedarften Internet-Surfer. Die Verbindungsinformationen von Herrn oder Frau Musterbürger, die manchmal klammheimlich ihren Sex-Fantasien auf dem Internet nachgehen, sind nun nachvollziehbar gespeichert. Wer dort die dünnne Linie überschreitet, könnte schon bald Probleme bekommen. Sie fühlen sich jetzt gewiss immer noch sicher vor den bösen Terroristen, die auf dem Internet Anschläge planen, oder vor den fiesen Hacker-Verbrechern, welche die IT-Infrastruktur des Bundes angreifen. Wir haben anscheinend schon vergessen, dass es für solche Planungen gar kein Internet braucht. Tatsächlich gibt es noch - wir staunen - die Offline-Kommunikation.

Jetzt klebt ihnen der eigene Staat sprichwörtlich am Arsch.

Konsequenterweise müsste der schweizerische Total-Überwachungsstaat also sämtliche Offline-Verbindungs-Daten aller Schweizerinnen registrieren: Blocher trifft Mörgeli am Mittwoch, dem 14. März 2018, um 19:15 Uhr in der Kronenhalle in Zürich (Typ: Verbindungsdaten) - zwecks Besprechung einer Doppelkandidatur für den Bundesrat (Typ: Inhaltsdaten). Beruhigen Sie sich gleich wieder: das war nur ein fiktives Beispiel. Aber warum überwacht denn unser Staat all diese potenziell konspirativen und mutmasslich terroristischen Offline-Aktivitäten nicht mit aller Härte, wie das doch auch im Internet schon praktiziert wird? Es gibt zwei Antworten auf diese Frage. Erstens ist es nicht möglich und zweitens würde eine solche Überwachung den Schweizerinnen zu weit gehen. Im Internet ist diese Totalüberwachung jedoch technisch einfach zu realisieren. Zudem scheinen die Schweizerinnen diesen Eingriff in ihre digitale Privatsphäre hinzunehmen, obwohl sich ihre Kommunikation heute grösstenteils im Internet abspielt. Gut, die Stimmbürgerinnen haben es so - oder nicht anders - gewollt. Jetzt klebt ihnen der eigene Staat sprichwörtlich am Arsch. Ja, diese Formulierung trifft es. Immerhin betrifft diese Total-Überwachung auch die Law&Order-Fraktion, welche manchmal mehr zu verbergen hat, als wir gemeinhin annehmen. Da lohnt sich manchmal nur schon ein Blick in geleakte Datenbanken, z.B. in jene von Ashley Madison (Washington Post, engl.).

Wer halt nichts zu verbergen hat, hat halt auch nichts verlieren, oder?

"Den Luxemburger Richtern zufolge greift die Speicherung von Telekommunikationsdaten so sehr in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens ein, dass die Datenspeicherung „auf das absolut Notwendige“ beschränkt werden muss." (Zitat: faz.net)
Wieder verfalle ich und Sie in ungläubiges Staunen: Die Europäer schützen ihre Bürger besser als wir Schweizer. Wir Deppen hingegen beschneiden unsere Grundrechte freiwillig auf demokratischer Basis. Gut, das muss man als Demokrat akzeptieren. Sicher werden Sie es auch akzeptieren, wenn der grosse Bruder aus Übersee an die Türe klopft und die Herausgabe von Daten verlangt. Keine Sorge, wir werden nicht Nein sagen. Sicher werden Sie es auch akzeptieren, wenn eine Hacker-Gruppe die halbe Schweiz de-anonymisiert und ihre Verbindungsdaten offenlegt. Wer garantiert Ihnen, dass genau dies nicht geschieht? Der Überwachungsstaat Schweiz auf jeden Fall garantiert das nicht, zumal er die Daten ja bei privaten oder halb-privaten Providern erheben lässt. Fühlen Sie sich noch immer sicher vor Terroristen und Online-Verbrechern? Wer halt nichts zu verbergen hat, hat halt auch nichts verlieren, oder? Sind Sie schon ein bisschen unsicher geworden? Empfinden Sie schon ein gewisses Unbehagen dem Staat gegenüber? Gut, dann schauen wir weiter.

Wir haben unsere Freiheit einer trügerischen Sicherheit geopfert.

Unsere digitale Wirtschaft, die nun im Kanton Zug soeben zum Cryptocurrency-Eldorado werden möchte, preist gerne die Sicherheit ihrer Infrastruktur an. Damit ist nun leider Schluss, denn der Staat kann nun von jedem Anbieter von Telekommunikations-Dienstleistungen die Erhebung und Herausgabe von Verbindungsdaten verlangen. Organisationen und Firmen, welche ihre berechtigten Geheimnisse Schweizer Firmen anvertrauen möchten, werden es sich jetzt zwei Mal überlegen. Standortvorteile, ganz zu schweigen von unseren Grundrechten, haben wir also auch gleich einer zweifelhaften Sicherheit geopfert. So, jetzt sollten wir langsam an den Punkt gekommen sein, an dem wir feststellen, dass wir einen riesigen Fehler gemacht haben: Wir haben unsere Freiheit einer trügerischen Sicherheit geopfert. Ja, diese Sicherheit ist trügerisch, denn ich zeige Ihnen nun, wie Terroristen oder auch Sie als unbescholtene Bürgerin dieser Überwachung spielend und legal entgehen können. Wenn Sie Ihre Privatsphäre zurück haben wollen, lesen Sie weiter! Nein, das ist keine Anleitung zu Straftaten, nein, das ist digitale Selbstverteidigung für rechtskonforme Bürgerinnen.

  •  Surfen Sie in einem öffentlichen Netz! Easy 😉
  • Nutzen Sie den Tor-Browser. Er anonymisiert ihre IP-Adresse. Empfohlen gerade oder auch in öffentlichen Netzen.
  • Betreten Sie ganz legal das Dark Web mit I2P oder freenetproject.org. Das sind getarnte und verschlüsselte Netze auf der bestehenden Internet-Infrastruktur. Dort lässt sich ganz legal und sicher kommunizieren. Verbrechen sind dort natürlich auch möglich, aber damit wollen wir nichts zu tun haben, wie im richtigen Leben halt.
  • Für ein bisschen Fortgeschrittenere: Nutzen sie die tor-basierte Linux-Distribution Whonix in virtuellen Maschinen auf einem dedizierten Computer. Da gucken Überwacher wirklich in die Röhre. Da spielt es fast keine Rolle in welchem Netz Sie sich bewegen. Edward Snowden empfiehlt die Linux-Distribution «Tails».
  • Mieten Sie sich ein VPN bei einem vertrauenswürdigen Anbieter! Ihre Aktivitäten lassen sich nicht nachvollziehen. Anmerkung: Schweizer VPN-Anbieter müssen nun natürlich Verbindungsdaten erheben. (Ade Standortvorteil!) Wichtig: Meiden Sie den Gratis-VPN-Anbieter hola.org. Er macht Sie ungefragt zu einem Exit-Knoten, der ihre IP-Adresse mit den Handlungen anderer in Verbindung bringt.
  • Nutzen Sie das relativ neue Zeronet in Verbindung mit Tor. Die Daten sind überall und nirgends. Ziemlich kreativer Ansatz, der die Anfänge eines dezentralen Netzes ohne Server skizziert! Horror für Überwachungs-Freaks.
  • Nutzen Sie für vertrauliche Kommunikation einen sicheren verschlüsselten Messenger auf ihrem Mobilgerät. Nein, Whatsapp ist nicht sicher, Skype ist nicht sicher. Nutzen Sie: Signal, Telegram oder Threema. Bei letztem Messenger muss man jetzt leider, leider sagen: Achtung, Standort Schweiz! Etliche vielversprechende Messenger-Apps sind in Arbeit.
  • Am besten leiten Sie die ganze Kommunikation Ihres Mobilgerätes über Tor oder ein VPN Ihrer Wahl.
  • Achten Sie bei Webseiten darauf, dass die Verbindung verschlüsselt über HTTPS hergestellt wird.
  • Deaktivieren Sie Plug-Ins wie Adobe Flash. Diese Software ist unsicher und fehlerhaft. Videos können heute ohne dieses Plug-in abgespielt werden. (Der Tor-Brower schliesst solche Lücken von Vorherein aus.)
  • Zum Schluss: INFORMIEREN SIE SICH ÜBER DIE SOFTWARE, DIE SIE EINSETZEN! Vertrauen Sie weder mir noch den Anbietern von Software blind.

So, nun sind Sie einigermassen vor staatlicher Verfolgung geschützt. Merken Sie sich ferner: Sollten Geheimdienste oder Hacker gezielt auf ihre Geräte zugreifen wollen, können Sie sich dagegen nahezu nicht wehren. Gehen Sie nun trotzdem ganz anonym und entspannt Ihrer ehrlichen Arbeit nach. Noch was: Wenn Sie wissen wollen, wie Sie sich gegen die penetrante Online-Werbe-Industrie schützen können, lesen Sie meinen letzten Beitrag.

Ansonsten viel Spass im Überwachungsstaat!