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Aus Ver­schwö­rungs­theo­rien lernen

Verschwörungstheorien gibt es wie Sand am Meer. Doch wie jedes Märchen enthalten auch Verschwörungstheorien einen Funken Wahrheit. Allzu leichtfertig werden solche Theorien als Hirngespinste oder paranoide Konstrukte gebrandmarkt und ins Lächerliche gezogen. Doch es lohnt sich, nicht nur bei jeder Verschwörungstheorie sondern auch bei der ihr widersprechenden Erklärung der Wissenschaft zwischen den Zeilen zu lesen. Denn viele Erklärungen der Wissenschaft sind nicht wasserdicht oder verstecken Unerklärliches hinter wissenschaftlichen Worthülsen.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Kontroverse um das sogenannte Atacama-Alien, welches in der gleichnamigen Wüste gefunden wurde. Für die weltweite Gemeinde der Alien-Gläubiger war sofort klar, dass der Fund dieses entstellten humanoiden Zwergskelettes der Beweis schlechthin war, dass Ausserirdische tatsächlich hier auf der Erde gelandet sind. Genforscher haben sich der Klärung dieses Falles angenommen. Das erklärte Ziel der Untersuchung war, "zu widerlegen, dass irgendetwas unüblich oder paranormal war". Die Untersuchung zielte also nicht auf eine unvoreingenommene Erklärung des Phänomens sondern auf eine Widerlegung der Verschwörungstheorie ab, sprich es musste gezeigt werden, dass das Skelett menschlich war. Mit dem Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom war schnell ein Gen-Defekt gefunden, der die Deformationen des Skelettes erklärte. Dabei handelt es sich um ein äusserst seltenes, unverstandenes Krankheitsbild. Gerade 25 bis 30 Fälle sind weltweit bekannt. Die meisten Betroffenen sterben als Fötus. Doch passte es auch in das Bild, dass das vorliegende 13 Zentimeter lange Skelett nur zehn statt der üblichen zwölf Rippen hatte? Dass die Wissenschaftler jedoch mehr an einer Widerlegung der Alientheorie als an einer wissenschaftlichen Erklärung interessiert waren, zeigte sich darin wie sie mit widersprüchlichen Ergebnissen umgingen. Eines der Untersuchungsergebnissse ergab, dass dieser entstellte Zwergmensch sechs Jahre gelebt haben musste, wohingegen ein anderes auf einen Tod als Fötus hinwies. Es steht ausser Frage, für welche Variante sich die Forscher entschieden haben. Die Erklärung der Genforscher lautete: Es handelt sich um das Skelett eines Menschen mit einem fatalen Gendefekt, welcher noch im Mutterleib gestorben ist. Anders ausgedrückt: Es ist kein Ausserirdischer. Quod erat demonstrandum - was zu beweisen war.

Die Menschheit kann also wieder zum Alltag übergehen, weiter arbeiten und weiter konsumieren. Unser rationales Weltbild wurde wieder erfolgreich bestätigt und gegen dunkle Verschwörungstheorien und Spinner verteidigt. Es gibt keinen Nikolaus, keine Monster im Schrank und schon gar keine Ausserirdischen, zumindest nicht auf der Erde. Die meisten Astronomen und Kosmologen sind sich aber mittlerweile einig, dass die Wahrscheinlichkeit für die Existenz intelligenten ausserirdischen Lebens im Kosmos hundert Prozent beträgt. Es gibt sie... irgendwo da draussen, nicht hier. Wir können durchatmen trotz Abertausenden von Spinnern, welche Ausserirdische und UFOS gesehen haben wollen oder sogar behaupten, von solchen entführt worden zu sein. Die haben halt alle einen Knall wie z.B. dieser Rentner namens Dr. Edgar Mitchell, der allen Ernstes behauptet, die us-amerikanische Regierung verfüge über ausserirdische Technologie. Es macht diesen Doktor zwar sympathischer, aber nicht glaubwürdiger, dass er Erich von Däniken "nicht für einen der herausragenden Forscher" hält. Was aber machen wir mit der Tatsache, dass eben dieser Edgar Mitchell einer der wenigen Menschen war, der über die Oberfläche des Mondes spazierte? Er war Pilot der Apollo-14-Mission. Erhöht oder schmälert dies seine Glaubwürdigkeit? Ist es nicht das Beste, wenn wir einfach davon ausgehen, dass Mr. Mitchell bei seinen Spaziergängen auf dem Mond einfach zuviel kosmische Strahlung abbekommen hat?

Was auch immer dieser Mitchell da von Roswell und abgestürzten UFO faselt, ist doch Unsinn und Urban Legend. Jedes Kind weiss doch, dass es keine fliegenden Untertassen gibt. Manche gestandene Jet-Piloten - darunter auch ehemalige Swissair-Piloten - können sich dieser Meinung jedoch nicht mehr anschliessen. UFO-Sichtungen von Piloten sind keine Seltenheit. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass UFOs nicht gleichbedeutend sind mit ausserirdischen Flugkörpern. Es handelt sich primär um Unbekannte, nicht-identifizierte FlugObjekte. Das US-Militär weiss meistens sofort, dass es sich bei vermeintlichen UFOS um Wetterballone oder Leuchtspur-Munition handeln muss. Der Wetterballon hat seit dem Roswell-Zwischenfall von 1947 als Erklärung für UFO-Sichtungen grosse Tradition. Das US-Militär hat sich bei Medienmitteilungen zu diesem Vorfall mehrfach in Widersprüche verstrickt und somit wesentlich dazu beigetragen, dass eine der wohl grössten Verschwörungstheorien überhaupt entstanden ist. Roswell-Verschwörungstheoretiker sind absolut überzeugt, dass ein ausserirdisches UFO in der Wüste von New Mexico abgestürzt ist und dies von der US-Regierung oder mächtigen Kreisen seit Jahrzehnten vertuscht wird. Einer, der von diesem Regierungs-Komplott fest überzeugt ist, ist eben jener Apollo-14-Astronaut, Dr. Edgar Mitchell.

Die Anhänger der Roswell-Verschwörungstheorie sind zahlreich. Sie drücken mit dem Glauben an den Roswell- Absturz zuallererst einmal ein tiefes Misstrauen gegenüber der Zentralregierung in Washington aus. Sie trauen der Regierung, Verschwörung, Vertuschung, Manipulation, Täuschung, Intransparenz und Geheimniskrämerei ohne weiteres zu. Zugegebenermassen ist dieses Misstrauen stark begründet und aktueller denn je angesichts des gigantischen Überwachungsapparates, den die us-amerikanische Regierung nicht nur gegen die Welt sondern das eigene Land gerichtet hat. Edward Snowden hat der Welt die Augen geöffnet. Es scheint nur plausibel, dass ein Land, welches immer geheimere Institutionen und Gremien züchtet, an demokratischer Legitimation und Glaubwürdigkeit verliert. Wie sieht es eigentlich bei uns aus? Vertrauen wir denen da oben in Bern noch? Und was macht die Bande in Brüssel eigentlich?

Es stellt sich die Frage, ob wir den Glauben an unsere demokratischen Institutionen nicht schon lange verloren haben, und es scheint fast, dass wir ohnmächtig von einem unbarmherzigen Räderwerk des Überwachungs- und Verwaltungsstaates zermalmt werden. Ohnmacht ist ein sehr geeigneter Nährboden für Verschwörungstheorien, welche vorwiegend Regierungen oder geheime Gruppierungen für Vertuschungen und Manipulationen verantwortlich machen. Verschwörer täuschen und manipulieren die Menschen zu einem bestimmten Zweck, wie z.B. zu nichts Geringerem als der Erlangung der Weltherrschaft. Dies ist die gängige Ansicht von Verschwörungstheoretikern, die durch Arkanpolitik der Bilderberg-Konferenz oder der Rive-Reine-Tagung in ihrem Glauben nur bestärkt werden. Es zweifelsfrei nicht nur ungeschickt sondern auch dumm, wenn die Mächtigen der Welt sich in Geheimpolitik versuchen. Solche Gruppierungen schreien förmlich danach in den Kontext einer Verschwörung gestellt zu werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Illuminati-Verschwörungstheorie zu nennen. Die Illuminati sollen ein Kreis von mächtigen Verschwörern sein, welche in diesem Moment die Weltherrschaft an sich reissen wollen. Die historische Sicht sieht freilich ein bisschen anders aus. Bevor wir diese Verschwörungstheorie als Unsinn abtun, muss die Frage erlaubt sein, was das Siegel des Illuminatenordens auf der Ein-Dollar-Note verloren hat. Sogar das Motto (Novus ordo seclorum) und das Gründungsdatum (1776) des Geheimordens sind darauf einwandfrei zu identifizieren. Das sind harte Fakten und keine Verschwörungstheorie. Würde man dem Pfad der Verschwörungstheorie folgen, befände man sich alsbald in einem halluzinierten Dickicht von Geheimbünden, welche zur Erlangung der Weltherrschaft auch vor den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahre 2001 nicht zurückgeschreckt wären. Dort tun sich nicht nur Abgründe sondern auch Unkenntnisse und Wahrnehmungsstörungen auf. Dehalb endet dieser Pfad hier.

Verschwörungstheorien als puren Unsinn zu verurteilen, wird dem Phänomen aber nicht gerecht. Darin enthalten sind ein ernstzunehmendes Misstrauen und eine grosse Ohnmacht gegenüber dem Staat und den Mächtigen. Dieses Misstrauen ist nach der Enthüllung der globalen, massenhaften, verdachtsunabhängigen Überwachung durch Geheimdienste mehr als gerechtfertigt. Und dann gibt es immer noch Dinge und Ereignisse, die sich nicht einfach in unsere rationales wissenschaftliches Weltbild einordnen lassen. Denn manchmal erklärt die Wissenschaft das Aussergewöhnliche bloss mit einer kryptischen Bezeichnung für das Unerklärliche. Davon gibt es immer noch genug. Voreilige Schlussfolgerungen führen jedoch nur zur nächsten abstrusen Verschwörungstheorie. Es ist davon auszugehen, dass Anhänger von Verschwörungstheorien nicht willens oder nicht in der Lage sind, die erschreckende Komplexität der Welt zu erkennen. Verschwörungstheorien werden weiterleben als tiefer Ausdruck menschlicher Ängste und Hoffnungen. Wiederum bleibt die Realität zuweilen rätselhafter als uns manche Wissenschaftler und Wissenschaftsgläubige weismachen wollen.

Weiterführende Links:
- 10 Verschwörungstheorien, die sich als wahr herausgestellt haben
- Perhaps the world's conspiracy theorists have been right all along (16. Juni 2015, Englisch)




Ste­phen Haw­kings War­nung vor E.T.

Durchzuckt von Blitzen quillt am Himmel eine dunkle Wolke vor sich hin, bis sich langsam eine fremdartige und riesengrosse Metallscheibe daraus löst und die Wolkenkratzer der darunter liegenden Metropole mit einem Unheil verkündenden Schatten überzieht. So stellten sich die Macher des Films «Independence Day» die Ankunft feindlicher Ausserirdischer vor, die gekommen sind, die Erde zu erobern und die Menschheit auszurotten. Diese furchteinflössenden Bilder aus dem Reich der Fiktion könnten aber Wirklichkeit werden, warnt uns der renommierte Astrophysiker Stephen Hawking in seiner neuesten Dokumentarfilm-Reihe.

Hawking geht davon aus, dass die Existenz von ausserirdischem intelligentem Leben bei einer schier unendlichen Zahl von Galaxien und Sonnen äusserst wahrscheinlich ist. Sollten diese intelligenten Ausserirdischen ferner die Raum-Reise zur Erde bewältigen, wäre ihre Technologie der unseren um Äonen überlegen und würde uns gemäss dem Astrophysiker so aussergewöhnlich erscheinen wie eine Rakete einem Höhlenmenschen. Hawking versteht diese Ausserirdischen als Nomaden, welche zur Erhaltung der eigenen Art immer neue Energiequellen und Ressourcen erschliessen müssen. Eine Ankunft dieser feindseligen, ressourcenhungrigen Aliens auf der Erde würde zwangsläufig zu einem Konflikt um die Rohstoffe unseres Planeten führen. Doch angesichts der technologischen Überlegenheit der galaktischen Ankömmlinge fände ein Krieg der Welten gar nicht statt.

So wie die Entdeckung Amerikas durch Columbus das Ende der indianischen Bevölkerung einläutete, bedeute die Ankunft von Ausserirdischen auf der Erde «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» die Tilgung der Menschheit, folgert Hawking. Er rät deshalb, galaktische Funkstille zu halten, um diese unerwünschten Gäste nicht auf die Erde aufmerksam zu machen.  Seit mehr als 60 Jahren senden wir jedoch bereits Radiowellen in das Weltall. Diese verbreiten sich mit Lichtgeschwindigkeit und tragen die Signatur menschlicher Intelligenz. Sollte sich innerhalb eines Abstandes von 60 Lichtjahren von der Erde eine ausserirdische Zivilisation aufhalten, hätte sie von unserer Existenz vielleicht in diesem Moment Notiz genommen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch angesichts der gigantischen Grösse des Universums verschwindend gering. Zudem wäre uns eine solche intelligente Zivilisation in unserer unmittelbaren galaktischen Nachbarschaft höchstwahrscheinlich nicht entgangen, da die Menschheit im Rahmen des SETI-Projektes seit mehr als 40 Jahren Radiosignale aus dem All auf Spuren von intelligentem Leben untersucht. Bis auf das WOW-Signal verlief die Suche bislang ergebnislos.

Hawkings düsterem Szenario lassen sich einige Argumente entgegenhalten. Zum einen besagt die Physik nach Einstein, dass sich nichts schneller als das Licht fortbewegen kann. Demgemäss wären die gewaltigen Distanzen zwischen den Planeten auch für eine Spezies, welche über die Technologie der anähernd lichtschnellen Fortbewegung verfügt, nahezu unüberwindbar. Wenn 8'000 Lichtjahre entfernte Aliens ein menschliches Signal auffingen, würden sie die Erde frühstens in 8'000 Jahren erreichen. In astronomischen Dimensionen handelt es sich dabei um eine Kurzstrecke, wenn man bedenkt, dass schon unsere Milchstrasse einen Durchmesser von ungefähr 100'000 Lichtjahren hat. In 8'000 Jahren kann sich wiederum sehr viel ändern. Die raumfahrenden Invasoren könnten sowohl physischen als auch psychischen Schiffsbruch erleiden. Ihre Motivation zur generationsübergreifenden Raumdurchquerung und ihr Interesse an den Ressourcen der Erde könnten erlöschen. Sollten sie die Reise trotzdem schadlos überstehen, gäbe es auf dem Zielplaneten womöglich weder Menschheit noch Rohstoffe mehr, denn die ausserirdischen Besucher erreichen die Erde 16'000 Jahre, nachdem das verräterisches Signal die Erde verlassen hat.

Hawking kontert das Argument der scheinbaren Unüberwindbarkeit von Raum und Zeit mit der hypothetischen Möglichkeit von Wurmlöchern, welche Raum- und Zeitsprünge ermöglichen würden. Gäbe es diese Technologie, könnten uns Aliens tatsächlich von jedem Ort und Zeitpunkt aus erreichen. Eine solche Zivilisation wäre räumlich und zeitlich omnipräsent und hätte überall und zu jeder Zeit sichtbare Spuren hinterlassen. Ein Blick in die Tiefen und somit die Vergangenheit des Weltalls zeigt uns aber keine Anzeichen einer solchen Super-Zivilisation. Gewiss würde eine dermassen übermächtige Spezies ihre Spuren verwischen können. Warum aber sollten sie sich angesichts ihrer gottgleichen Herrschaft über Raum und Zeit vor weniger entwickelten Zivilisationen verstecken? Wahrscheinlicher als eine allmächtige Rasse von Ausserirdischen ist die Existenz von unzähligen Zivilisationen, welche alle in einem anderen Zeitfenster an einem anderen Ort leben. Die Geburt und Lebenszeit einer ausserirdischen Zivilisation muss zeitlich nicht mit unserer Existenz koinzidieren. So entstünden und stürben Zivilisationen wie Myriaden von zeitlich und räumlich zufällig aufflammenden und erlöschenden Streichhölzern - Glühwürmchen im endlosen Dunkel. Eine interstellare Kontaktaufnahme wäre nahezu ausgeschlossen. Dieses Modell würde erklären, warum da draussen die absolute Stille herrscht.

Sollten allen Schranken zum Trotz Ausserirdische unsere Erde erreichen, müssten sie nicht unbedingt feindliche Absichten hegen. Schliesslich könnte ihre moralische Entwicklung ebenso weit gediehen sein wie ihre technologische. Diese Möglichkeit verwirft der Kulturpessimist Hawking mit dem vorerst skurill anmutendem Argument, dass die Ankömmlinge uns zu ähnlich seien. Die Konsequenz dieser Logik ist jedoch so einfach wie genial: die kriegerischen Nomaden stehen auf einer späteren Stufe derselben Entwicklung, welche die Menschheit durchmacht. Nachdem sie ihren Heimatplaneten ausgebeutet und unbewohnbar gemacht haben, marodieren sie durch das Universum. Womöglich blüht uns in einer fernen Zukunft dasselbe Schicksal, denn unsere Anstrengungen zur Vernichtung unserer Erde sind nicht von der Hand zu weisen. Sollten uns ausserirdische Invasoren nicht auslöschen, werden womöglich wir dereinst brandschatzend durch die Galaxie ziehen. Wir erkennen, dass wir zur Heuschreckenplage für das ganze Universum werden könnten, gesetzt den Fall, dass wir uns zuvor nicht selbst auslöschen. Diese düsteren Zukunftsszenarien könnten sich realisieren, wenn die Menschheit den längst überfälligen moralischen und gesellschaftlichen Entwicklungssprung versäumt. Die Moralität des heutigen Homo Sapiens Sapiens ist wahrscheinlich weniger entwickelt als die des ersten Menschenaffen, wohingegen unsere Waffen und Werkzeuge vergleichsweise erschreckend mächtig sind.

Stephen Hawkings Warnung vor einer dunklen Zukunft geht viel weiter. Er meint: Fürchtet Euch vor Euch selbst!

[d.z]

Weiterführende Links:
Stephen Hawking's «Into the Universe» (Englisch)
Artikel auf Spiegel Online