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Was kann Midjourney?

Diese und viele noch nicht veröffentlichte Bilder habe ich zusammen mit der bild-generierenden Software Midjourney erstellt. Ich bin mir der Kontroverse um solche von KIs generierten Bilder bewusst und nenne diese deshalb auch nicht Kunst. In einem Bild wurde der grossartige Maler Jose Royo insofern zitiert, als die KI anhand seines Malstiles und meiner textuellen Beschreibung ein bislang unbekanntes und einmaliges Portrait entworfen hat. In einem anderen Bild wurde der fantastische Jeff Koons gewürdigt. Die Entwicklung dieser KI ist so rasant, dass sie auch in Zukunft nicht nur für ungläubiges Staunen, sondern auch weitere Kontroversen sorgen wird. Die Verwendung dieser Bilder unterliegt der unten aufgeführten CC-Lizenz.




Das zwei­te Wun­der von Bern

Es ist kaum zu glauben. Pünktlich zu Weihnachten meldet das BAG (Bundesamt für Gesundheit) keine Neuinfektionen in der Schweiz. Die Schweiz ist somit das erste europäische Land, welches als vollständig corona-befreit gilt. Niemand wollte oder konnte kommentieren, wie es zu diesem Wunder gekommen ist. Sämtliche Mitarbeiter des Bundesamtes waren nicht zu erreichen. Ein Insider verriet, dass sich die meisten nun eine wohlverdiente Auszeit auf den Skipisten des Wallis gönnen.

Aus diesem erfreulichen Anlass lädt die Schweiz nun die ganze Welt ein, mit ihr zu feiern. Auch Flieger aus dem Pandemie geschüttelten Vereinigten Königreich landen wieder auf Schweizer Flughäfen. Die Befürchtung, dass mit den internationalen Besuchern das Virus wieder in die Schweiz importiert werde, teilt Maul- und Klauenseuchen-Experte Hörbi Figglistaler nicht. Es sei mittlerweile erwiesen, dass sich das Virus in der Schweizer Luft, insbesondere der Bergluft, nicht entfalten könne, so Figglistaler. Er bezeichnet die Schweiz sogar als «Virenfilter» für die ganze Welt.

Feiernde Menschen liegen sich auf den Strassen in den Armen. Der schwyzerische Jodlerchor «Ischglich» gibt einen spontanen Gig im Sääli des Leuen von Nottiswil. Das Schweizer Fernsehen übeträgt live. Die Kirchen des Landes füllen sich mit seelisch ausgehungerten Menschen. In den Pubs und Bars prustet die 24-Stunden-Spassgesellschaft wieder fröhlich Bier in die Runde. Zuschauer aus der ganzen Schweiz besuchen spontan einen Match des FC Aarau im nostalgisch anmutenden Brügglifeld. Der FC Aarau bedankt sich bei 15‘742 Zuschauer. Ein Rekord!

Noch kämpfen aber die Spitäler mit zahlreichen Grippe-Patienten. Doch die Ärzte sind optimistisch, dass bei der momentanen Sterberate bald wieder genügend Betten für die Ski-Unfallopfer frei werden. „Wir werden unseren Saison-Auftrag erfüllen können.“, sagt Rita Dumbel, Chef-Lobbyistin der kranken Kassen. Sie betont auch, dass gerade Ski-Unfälle wichtig für die Gesundheit seien. Ueli Mauer, Bundesrat für finanzielle Werte, sieht sich in seiner kritischen Haltung bestätigt. Die Güterabwägung sei richtig gewesen, er könne jetzt immerhin Christoph Blochers Rente bezahlen, so ein sichtlich zufriedener Maurer.

In der Schweiz pulsiert das Leben wieder. Der Dank gebührt vor allem unserem Krankenminister, Alain Berserc, der unermüdlich die Eigenverantwortung der EinwohnerInnen und der Kantone einforderte. Diese haben ihrerseits alles richtig unterlassen. Politologe Claude Courtchampagne spricht von einem veritablen Siegeszug des Föderalismus. „Die Strahlkraft des schweizerischen Erfolgsmodelles sei nie grösser gewesen“, schliesst Courtchampagne. „Ende gut, alles gut“, titelt das Schweizer Hochglanz-Blatt «Block». Wir von der Redaktion «GAGA» können uns dem natürlich nur anschliessen und wünschen allen EinwohnerInnen dieses grossartigen Landes frohe und ausgelassene Festtage im Kreise der Grossfamilie. Prosit!




Ganz kurz: Whats­app an Schwei­zer Schu­len sicher nicht: nicht sicher.

Subsumiert: Staatliche Institutionen sind an Grundrechte gebunden. Datenschutz ist die gesetzliche Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Schulen sind i.d.R staatlich. Whatsapp in der jetztigen Funktionsform verletzt den Datenschutz durch die Weitergabe aller Telefonkontakte, die in diese Datenverarbeitung NICHT eingewilligt haben. Schul-MitarbeiterInnen als RepräsentantInnen des Staates dürfen folglich kein Whatsapp verwenden, zumal es sich bei Personendaten von Minderjährigen darüber hinaus um besonders schützenwerte handelt!

SchülerInnen unter 16 Jahren, welche untereinander als Private mit Whatsapp kommunizieren, verstossen wiederum "nur" gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook/Whatsapp und begehen eine privatrechtliche Vertragsverletzung, mit oder ohne Folgen. Fast gewiss ist, die grosse Mehrheit der Whatsapp-NutzerInnen verstösst gegen irgendetwas. Warum also sollte man diese Software weiter einsetzen, wo es doch genügend datenschutz-konforme Alternativen gibt?




Alter­na­ti­ven — So geht’s auch ohne Face­book & Co.

Der Datenskandal bei Facebook offenbart schonungslos, wie gross unsere Abhängigkeit von IT-Konzernen ist. Haben wir wirklich keine andere Wahl, als grossen amerikanischen Firmen unsere Daten «anzuvertrauen»? Ein Blick in den Dschungel der Technologien und Anbieter fördert Werkzeuge zu Tage, welche unsere Daten besser schützen, kostenlos sind und trotzdem einfach zu bedienen sind. Anbei erhalten Sie einen Überblick über Software und Webdienste, welche Ihnen ihre Freiheit und Unabhängigkeit zurückgeben. Nutzen wir diese wunderbaren Tools doch einfach! Weitere grossartige Projekte stehen in den Startlöchern.

SUCHMASCHINEN



Logo by Startpage: Google ohne Google und ohne Tracking



Logo by Qwant: gute Suchmaschine, die Ihre Privatsphäre respektiert.



Logo by Duckduckgo: gute Suchmaschine, die keine persönlichen Daten speichert.


 

CLOUD



Logo by Syncthing: Daten auf all Ihren Computern direkt abgleichen. Keine Firma, kein zentraler Server. Ihre Daten bleiben bei Ihnen.



Logo by Nextcloud.com: mächtige Open-Source-Cloud für Privatpersonen und Firmen. Kann auf einem eigenen Server installiert werden. Nextcloud unterstützt ab Version 13 End-to-End-Encryption (E2EE).



Logo by Owncloud: Fast wie Nextcloud. Die beiden Projekte haben denselben Ursprung.


 

MESSENGER



Logo by Signal: Verschlüsselte Nachrichten-App. Gilt als sehr sicher.



Logo by Ring: Verschlüsselte, verteilte Nachrichten- und Telefon-App für Smartphones und Desktops.



Logo by Wire.com: Sichere Kollaborations-Plattform. Messenger aus der Schweiz. Eher für Business-Kunden.



Logo by Threema.ch: Verschlüsselter Messenger aus der Schweiz


 

SOCIAL MEDIA



Logo by Diaspora: Föderierte Social-Media-Plattform ohne Firma und zentrale Server. Funktioniert wie Facebook.



Logo by Mastodon: Föderiertes Twitter ohne zentrale Server. Dahinter steht keine Firma.


 

BETRIEBSSYSTEME



Logo by Ubuntu: Linux-Betriebssystem für Einsteiger. Kann im im Live-Modus getestet werden.



Logo by Manjaro: Sehr solide Linux-Distribution. Kann wie ubuntu live von einem USB-Stick aus getestet werden.



Logo by Linux Mint: Linux Mint ist eine äussert einsteigerfreundliche Linux-Distribution.


 

KLASSIKER zum Schluss

Abschliessende Erwähnungen: Libreoffice, Gimp, Krita, Inkscape, Openshot, Kdenlive, Blender, Firefox, VLC, Tribler, Tor Browser




Die Schweiz im geis­ti­gen Réduit — Euro­pa, Islam, Satan

Wer Europa sagt, tut sich schwer mit diesem Begriff, besonders in der Schweiz. Ob damit die EU als supranationale Institution, Europa als geographische Region oder der Schengenraum als Handels-und Rechts-Zone gemeint ist, bleibt meistens im Dunkeln. Europa ist für viele Schweizer etwas Dunkles, Böses, eigentlich der moderne Satan. Europa - so der gefühlte Bauch-Konsens - stehle uns unsere Identität, unsere Demokratie, unseren Wohlstand, unsere Jobs, unsere Berge, unsere Häuser und unsere Luft, also eigentlich alles. Damit nicht genug: Europa überflute uns zudem mit Sozialhilfe-Empfängern, die uns auf der Tasche liegen und unsere Kultur (des Abendlandes) zerstören. Da beginnt auch schon der Kulturkampf 2.0, und zwar gegen den Islam. Den ersten Kulturkampf haben wir gegen die katholische Kirche geführt, was gerne vergessen wird oder nie gelernt wurde. Als uns der Papst 1870 seine Unfehlbarkeit aufdrücken wollte, haben die Schweizer sich gegen die katholische Kirche aufgebäumt. Unfehlbar in unserer jungen Demokratie konnte schliesslich nur der Souverän sein. Wenn heute christlich-konservative Politiker die «Kultur des Abendlandes» beschwören, handelt es sich also genau um jene christlich-katholische Kultur, der wir einmal eine Abfuhr erteilt haben.

An religiösen, wirtschaftlichen, kulturellen, politischen Fronten stellen Schweizer ihre Wehrhaftigkeit unter Beweis. Veränderungen unserer kleinen Welt sind hier ebenso wenig willkommen, wie jene, welche diese personifizieren. Eine Frau, die seit Ewigkeiten in der Schweiz wohnt und keine Kirchen- und Kuhglocken mag, wird nicht eingebürgert. Im Tessin gilt neu das Burka-Verbot. Im Baselbiet werden muslimische Schüler mit staatlichem Zwang zum Handschlag mit der Lehrerin ermuntert. Per Volksinitiative haben wir den Bau von Minaretten untersagt. Ein IS-Sympathisant soll ausgebürgert und die Schweizer Staatsbürgerschaft also an Bedingungen geknüpft werden - ein Novum. Die nächste Forderung nach Einführung der Todesstrafe wird früher oder später wieder vorgebracht. Kuscheljustiz lautet der Vorwurf an unsere Rechtsprechung (eine der härtesten in Europa). Dem Ermessenspielraum von Richtern und Behörden wird der Riegel geschoben. Das Gesetz sei nach dem Wortlaut auszulegen. Der Rechtsstaat ist zum Ägernis geworden, das sich gefälligst der Demokratie zu unterwerfen hat. Und wenn dann noch Richter, fremde Richter in Strassburg, die der Schweiz in 99 Prozent aller Fälle recht geben, wagen ein Urteil des Bundesgerichtes zu kassieren, gibt es kein Halten mehr für Kommentarschreiber in Online-Zeitungen. Der Volkszorn tobt, wann immer unser austariertes System Minderheiten vor der Herrschaft der Mehrheit schützt. Die Demokratie, die Herrschaft des Volkes, wird gerade zur Schreckensherrschaft des Pöbels. Wem etwas nicht passt, soll gehen, so der Grundtenor. Das gilt für Ausländer und andersdenkende Schweizer. Brüssel einfach. Moskau einfach. Mekka einfach. Einfach weg.

Europa sagen ist das eine, doch den Begriff "EU" in den Mund zu nehmen das andere. Letzteres wird eigentlich noch schlimmer als der Islam empfunden. EU steht für Bürokraten, Normierer, Gewinnmaximierer, Undemokraten, Globalisierer, Gleichmacher, so das herrschende Bauchgefühl. Partei-übergreifend wagt fast niemand mehr einen EU-Beitritt zu befürworten. Zu sehr fürchtet man von rechts bis links die eigene Parteibasis. Für die Linken bedeutet die EU Turbo-Kapitalismus. Den will man abschaffen. Für Umweltschützer ist grenzenloses Wachstum gleichbedeutend mit dem Raubbau an der Natur. Hier verbündet man sich auch einmal mit den Rechten, da mehr Zuwanderung auch eine Belastung für die Umwelt darstellt. Die Rechten wiederum sehen in der Zuwanderung nur eine Schlechterstellung der Einheimischen. Der Sonderfall Schweiz wird beschworen. Hier soll alles anders sein, hier können nicht die gleichen Regeln gelten, z.B. für die Landwirtschaft, das vermeintliche Bollwerk unserer Unabhängigkeit. Wir subventionieren die Landwirtschaft mit Milliarden. Was wir Subventionen nennen, nennen andere Protektionismus. Das ist innovations- und handelshemmender Schutz einer Branche vor ausländischer Konkurrenz. Oft vergessen: Subventionen sind Steuergelder.

Die Schweiz leistet sich den Franken, koste es was es wolle. Seit Jahren leidet der Tourismus und die Export-Industrie unter der Frankenstärke. Die Nationalbank investiert Milliarden zur Schwächung des Frankens in Krisenzeiten. Der Franken ist ein einziges Verlustgeschäft. Doch die Schweiz nimmt alle Abstriche und Verluste hin wie ein Land, das sich im Belagerungszustand wähnt. Wir sind umzingelt von der EU, die wir übrigens brauchen und doch nicht wollen. Deshalb wird gejubelt, wenn eine völlig fehlgeleitete Volksbefragung zum Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU führt. Viele glauben, dass die Belagerung nun zu Ende ist. Endlich ist wieder ein Verbündeter in Sicht, endlich könnte die EU infolge einer Kettenreaktion zerbrechen. Das wird nicht geschehen. Im besten Falle wird sich die EU demokratischer gestalten. Im schlechtesten Falle wird sie sich gegenüber Sonderlingen wie der Schweiz verschliessen. Die Schweiz lebt weiterhin im geistigen Réduit und leistet sich das Verlustgeschäft «Alleingang» so lange wie möglich. Momentan sind die Bilateralen wegen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiave gefährdet. Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt, die Personenfreizügigkeit (auch Schweizer haben die), die Teilnahme an Forschungs- und Bildungsprogrammen stehen auf dem Spiel. Die Schweizer Volkspartei (SVP) wähnt sich nach dem Brexit in der Position, die Bilateralen aufzukünden. Die Schweiz hätte dann in Europa denselben Status wie Sierra Leone oder Paraguay.

Die Kündigung der Bilateralen könnte jedoch der Boomerang sein, der uns direkt in die EU führt. Die Auswirkungen eines vertragslosen Zustandes mit der EU wären für unsere Wirtschaft und unseren Arbeitsmarkt dermassen verheerend, dass sich die Schweiz sofort für einen EU-Beitritt entscheiden würde. Erst wenn der Leidensdruck wächst, kehrt hier Vernunft ein. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Die Zeit der geistigen Erstarrung und Umnachtung erlebt gerade ihren Höhepunkt. Blindwütiger Nationalismus macht sich breit. Die Schweiz den Schweizern! Nein, die Schweiz den Eidgenossen. Den Schweizer Pass könne sich ja jeder heute erschleichen. Und eine Fussballnationalmannschaft hätte man auch nicht mehr. Man schaue sich mal die Namen der Spieler an. So tönt es landauf, landab. Das meinen diese Eidgenossen ernst. Sie kritisieren, dass die Nationalhymne nicht gesungen wird, obwohl sie diese selber nicht singen können. Dass freilich aus verfehlten Nationalismus schnell auch Rechtsextremismus werden könnte, wird unterschätzt. In ländlichen, sozial schwächeren und bildungsfernen Schichten der Gesellschaft brodelt dieser bereits seit einiger Zeit. Dieser Tendenz gilt es mit allen Mitteln Einhalt zu gebieten.

Die Schweiz wird gerade von Emotionalität und Irrationalität regiert. Eine Demokratie, die so tickt, ist nicht in der Lage auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren. Wo sich sich bewegen müsste, igelt sich sich ein und verpasst den Anschluss. Probleme machen nicht halt an unseren Grenzen, mit oder ohne Stacheldraht. Die Schweiz muss teilnehmen am Projekt Europa. Sie kann beitragen zu einem demokratischeren Europa, welches für sie überlebenswichtig ist. Es führt keine Weg an Europa vorbei, früher oder später.




Fall Rup­pers­wil: Gedan­ken und Spekulationen

Der abscheuliche Vierfach-Mord von Rupperswil ist geklärt. Wir alle schulden der Kantonspolizei Aargau unseren tiefsten Dank. Sie haben die Welt ein Stück sicher gemacht, zumal der Verdacht besteht, dass der mutmassliche Täter weitere Morde geplant hat. Das Ausmass der Brutalität und die Abgeklärtheit dieses Verbrechens hinterlässt einen tiefen Schock. Was wir unter Menschlichkeit verstehen und als selbstverständlich erachten, löst sich plötzlich auf. Zurück bleibt Fassungslosigkeit und Entsetzen. Wir müssen uns davon erholen und langsam unser Vertrauen in unsere Mitmenschen und Nachbarn wieder finden.

Dieses unfassbare Ereignis ist eine absolute Anomalie. Ein bislang unauffälliger Mann tötet kaltblütig vier Menschen. Er schneidet Ihnen die Kehle durch. Man wagt sich kaum vorzustellen, dass einige der Opfer dies noch mitansehen mussten. Zuvor erpresst er Geld und vergeht sich an einem 13jährigen Jungen. Unmöglich. Unmenschlich. Unfassbar. Räuberische Erpressung, Geiselnahme, Vergewaltigung, eventuell auch Folter und Mord sowieso sind nur einge der Kapital-Verbrechen, die der mutmassliche Täter begeht. Er erfüllt ein ganzes Delikts-Arsenal. Er missachtet die Gebote der Menschlichkeit in jeder Hinsicht. Doch kann man ihn deswegen - wie ein Boulevard-Blatt das getan hat - als Bestie bezeichnen? Eine Bestie wütet blind, instinktiv und unkontrolliert. Das scheint hier nicht zuzutreffen. Kaltblütigkeit und Kalkül, gepaart mit Perversion, Sadismus und Mordlust sprechen nicht für eine Bestie, sondern für einen menschlichen Schlächter. "Anti-Mensch" ist wohl eine treffendere, aber weniger plakative Bezeichnung.

Die psychiatrisch-psychologischen Abklärungen könnten tiefe Störungen der Persönlichkeit offenbaren: Emotionslosigkeit, Absenz von Empathie, Mitgefühl und Gewissen, eine Macht- und Kontroll-Obsession, Egozentrik, eventuell Narzissmus, Sadismus, sexuelle Perversion. Dazu kommt der unbedingte Wille, seine gestörten Bedürfnisse auszuleben und in die Tat umzusetzen. Er hat Blut geleckt. Sehr wahrscheinlich wäre er zum Wiederholungstäter geworden. Wenn es zutrifft, dass Wiederholungtäter die Brutalität und das Ausmass Ihrer Verbrechen mit jeder Tat steigern, wagt man sich kaum auszumalen, was als nächstes geschehen wäre. Das nächste Gemetzel und Blutbad wurde zum Glück durch die Verhaftung des geständigen Täters verhindert. Angemerkt sei, dass der mutmassliche Täter aus prozessrechtlicher Sicht bis zum Beweis seiner Schuld und einer letztinstanzlichen Verurteilung durch ein Gericht trotz Geständnis und erdrückender Beweislast als unschuldig zu gelten hat. In diesem Fall dürfte das eine rechtsstaatliche Floskel bleiben.

Es bleibt eine grosse Frage: Wie ist es möglich, dass der Täter bislang nicht auffiel. Er hatte eine Vermeidungs-Strategie. Trainer haben Strategien. Er mied Menschen und blieb Einzelgänger. Als Fussballtrainer und Koordinator stand seine Funktion und nicht sein Wesen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Solange er diese Funktion wahrnahm und die damit verbundenen Aufgaben erfüllte, fielen seine massiven Defizite nicht auf. Die Umgebung nahm ihn als Funktionär und nicht als Mensch wahr. Unter Freunden wären seine Störungen offensichtlich geworden. Er hätte Stimmungen nicht verstanden und nicht darauf reagieren können. Die Emotionen der anderen wären für ihn nicht lesbar, uninteressant oder sogar abstossend gewesen. Er hätte keine emotionalen Bindungen knüpfen können. Interessenbasierte Freundschaften wären hingegen nicht auszuschliessen gewesen, denn dabei wären nicht Emotionen und Wesenszüge, sondern eben Interessen vordergründig gewesen. Feststeht, dass er sich als Einzelgänger und Funktionär verstecken und so unter dem Radar durchgekommen konnte.

Das weitere Schicksal dieses Mannes liegt nun in den Händen der Gerichte. Diese werden kompetent genug sein, ein weiteres Risiko für die Gesellschaft auszuschliessen. Dieses Vertrauen dürfen wir in unsere Rechtsprechung haben.

Doch wie kamen die Ermittler dem Täter auf die Schliche? Dazu sagen die zuständigen Behörden aus ermittlungstaktischen, vielleicht auch aus politisch-rechtlichen Gründen nichts. Dies öffnet natürlich der Spekulation Tür und Tor. Da es dem besseren Verständnis und der Verarbeitung dieser ungeheuerlichen Ereignisse dient, wird auch hier nicht auf eine mögliche Erklärung und Klärung dieses Mordfalles verzichtet. Einen Anspruch auf Richtigkeit haben die nachfolgenden Ausführungen nicht. Sie basieren jedoch auf der Faktenlage und dem gesunden Menschenverstand. Wer mutmassliche Details dieses blutigen Verbrechens nicht erträgt, wird angehalten, die Lektüre an diesem Punkt zu beenden.

Zuallerst erstaunt der Umstand, dass es keine Augenzeugen gibt, die vor den sichtbaren Zeichen eines Brandes einen Flüchtigen oder Auffälligen in der Nähe des Hauses an der Lenzhardstrasse 53 in Rupperswil gesehen haben. Google Maps zeigt, dass es etwa drei bis vier Häuser gibt, die ein Blickfeld auf den Eingang jenes Hauses haben. Eine Flucht durch die angrenzenden Gärten ist nahezu ausgeschlossen. In Eile über Zäune zu klettern und fremde Grundstücke zu durchqueren, wäre für den Täter viel zu riskant gewesen. Er hätte gesehen und erkannt werden können. Er musste das Haus schnell und unauffällig verlassen, bevor der Brand die Aufmerksamkeit auf das Haus lenkte. Der Täter verliess das Haus durch die Vordertüre und die angrenzende Lenzhardstrasse. Das wirft die Frage auf, wer sich schnell fortbewegen kann, ohne dabei aufzufallen.

Die Antwort liegt auf der Hand: Ein Jogger. Circa um elf Uhr morgens verliess der Täter das Haus, in dem sich bereits ein Brand ausbreitete, joggend im Traineranzug, den Kopf wahrscheinlich mit Kapuze bedeckt, in Richtung des angrenzenden Waldstückes. Von diesem Waldstück aus hatte er im übrigen das Haus seiner Opfer vor der Tat beobachtet. Dort kannte er sich schliesslich blendend aus, da ihn seine Spaziergänge mit den Hunden regelmässig in den Wald zwischen Rupperswil und Wildegg führten.

Ein Jogger an einem verhangenen, grauen Wintertag fiel niemandem auf. Er verschwand einfach. Im Wald weit abseits des Tatortes verfolgte er die Entwicklung vom bislang ausgeschalteten Mobiltelefon aus. Er wollte wissen, ob das Haus abgebrannt ist oder die Leichen gefunden wurden. War die Polizei vor Ort? Gab es Zeugen oder Hinweise auf Mord und seine Täterschaft? Als er sich in Sicherheit wähnte, kehrte er im grossen Bogen, wahrscheinlich joggend ohne Kopfbedeckung nach Hause zurück. Seine Mutter war nicht zu Hause. Davon kann ausgegangen werden, denn ihr wäre aufgefallen, dass der Täter in anderen Kleidern zurückkehrte.

Er hatte das Haus am Morgen wahrscheinlich in normaler Strassenkleidung verlassen, in seinem Rucksack die Mord- und Fessel-Utensilien sowie Joggingkleider. Wenn er bereits wusste, dass er seine Opfer "bestialisch" abschlachten würde, brauchte er Ersatzkleidung. Denn die Morde würden nicht nur leise, sondern auch blutig sein. Das Blutbad, welches er anrichtete, musste auf seiner gesamten Kleidung und Haut sichtbare Spuren hinterlassen haben, vorausgesetzt er war während der Tat überhaupt bekleidet. Blutspritzer im Gesicht und auf der Kleidung wären jedem Passanten sofort aufgefallen. Gewiss trug er Handschuhe. Es war schliesslich Winter. So würde er nicht auffallen und auch keine Fingerabdrücke hinterlassen. Er zog er die Tatkleider aus, legte diese zu den Leichen und übergoss alles mit Brandbeschleuniger. Dann zog er die Jogging-Kleider und Jogging-Schuhe an, packte minutiös, legte Feuer und verliess das Haus unmittelbar danach joggend in Richtung des angrenzenden Waldes.

Er hatte Glück. Weder hatte ihn jemand gesehen noch war er jemandem aufgefallen. Darüber musste er aber zuerst Gewissheit erlangen. Sein Mobiltelefon trug er deshalb während der Tat sich auf sich. Nur war dieses ausgeschaltet, denn eine Sichtung der Verbindungsdaten hätte viel früher zum Täter geführt. Er musste sich schliesslich etwa ein bis zwei Stunden im Haus seiner Opfer aufgehalten haben. Der längere stätionäre Aufenthalt eines unbekannten Mobiltelefones dürfte aus den Verbindungsdaten klar ersichtlich und triangulierbar sein. Der Täter war sich dessen bewusst. Doch das Mobiltelefon war in ausgeschaltetem Zustand dabei. Denn es sollte ihm nach der Tat helfen, eine Entscheidung zu treffen: Selbstmord, Flucht oder Rückkehr. Alles deutet darauf hin, dass der Täter nichts dem Zufall überliess und alles bis in kleinste Detail geplant hatte und auch jede Eventualiät berücksichtigte. Wieso sollte er also nach der Tat auf hilfreiche Informationen und Neuigkeiten aus dem Internet verzichten?

Dass Handy-Ortung und die Analyse von Verbindungsdaten die Polizei zum Täter führte ist also eher unwahrscheinlich. Die entscheidenden Hinweise kamen wahrscheinlich von Profilern, die den Täterkreis entscheidend eingrenzen konnten und Hinweise auf ein lokale Täterschaft gaben. Nur war der infrage kommende Täterkreis bei einer Eingrenzung auf Männer zwischen 15 und 35 Jahren, welche wohnhaft und ortskundig in Rupperswil sind, sehr gross. Bei einer Einwohnerzahl von 5'200 Rupperswilern dürften etwa 300 bis 500 junge Männer in den Fokus der Ermittlungen gelangt sein. Es ist wahrscheinlich, dass aufgrund fehlender Beweise, Indizien und Zeugen jeder einzelne dieser jungen Männer akribisch durchleuchtet wurde. In einem Auscheidungsverfahren grenzte die Sonderkommission den Täterkreis weiter ein, bis nur noch wenige mögliche Täter übrig blieben. Diese wurden beschattet und observiert. Auch eine komplette Überwachung der Telekommunikation der Verdächtigen wäre naheliegend. Als sich die Hinweise auf zwei bis drei Männer verdichtete, schlug die Polizei zu. Deshalb kam es zu mehreren Zugriffen und Hausdurchsuchungen. Die Polizei hatte noch keine Gewissheit und wagte den Schuss ins Blaue. Es ist wahrscheinlich, dass bis zum Geständnis des Täters noch von mehreren Tätern ausgegangen wurde. Der Erfolg gibt der Polizei recht. Sie hat vieles richtig gemacht und mutige Entscheidungen getroffen. Auch wenn grenzwertige Ermittlungsmethoden zum Einsatz gekommen wären, müssen wir das in diesem Fall wohl oder übel in Kauf nehmen. Der Erfolg rechtfertigt in diesem Fall die Mittel.

Unwahrscheinlich ist, dass aufgrund der DNA ein Phantombild erstellt wurde. Dies ist Zukunftsmusik. Die Ermittler streuten dieses Gerücht möglicherweise bewusst, um den Täter aufzuschrecken. Das Aussehen eines Menschen wird wesentlich durch Lebenstil, Ernährung, Sport, Krankheiten, Unfälle und weitere äussere Einflüsse mitbestimmt. Eine Phantom-Zeichnung, die lediglich auf die DNA abstellt, kann dem wirklichen Aussehen des DNA-Trägers nur in seltenen Fällen entsprechen, sofern der Stand der Technik überhaupt soweit ist. Sogar eineiige Zwillinge entfernen sich im Alterungsprozess visuell voneinander. Wissenschaftsgläubige sind diesbezüglich freilich einer anderen Meinung.

Wir können zu Recht von einem Erfolg sprechen. Eine abscheuliche Tat wurde aufgeklärt und weitere Abscheulichkeiten womöglich verhindert. Neben der Erleichterung bleibt aber auch das mulmige Gefühl zurück, dass das absolut Böse unter uns weilt und wir es weder wahrnehmen noch verhindern können. Damit müssen wir leben. Im Umkehrschluss können wir aber auch aufatmen, denn der grösste Teil unserer Bekannten, Nachbarn und Mitarbeiter ist trotz allem menschlich und zu solchen Taten nicht fähig.

Ich spreche allen Betroffenen dieses Verbrechens mein Beileid aus. Darin schliesse ich die Verwandschaft des Täters ein.




Gekauf­te Pres­se — über die Rol­le der Medi­en bei Wahlen

Unabhängig soll die Presse sein, lautet der Grundtenor. Die vierte Macht im Staat werden die Medien gerne genannt. Die Presse selbst bezeichnet Unabhängigkeit als ihre Maxime. Trotzdem wird sie nicht müde diese eigenhändig aufzuweichen. Nicht nur Eigenwerbung wie «meinungsstark» sondern auch tendenziöse Berichterstattung vor Nationalratswahlen werfen ein schlechtes Licht auf die Neutralität der Presse.

Wer ist eigentlich Philipp Müller? Noch vor Wochen hätten viele geantwortet, dass sie diesen Namen schon einmal gehört hätten, dass sie aber keine Ahnung hätten, was der eigentlich tut. Mittlerweile kennen alle die Farbe von Müllers Unterhosen. Müller, der Hemdsärmlige. Müller, der Anpacker. Müller, der Macher. Müller, der Problemlöser. Müller, der Erlöser. Mit solchen Schlagzeilen hat uns die Presse in den letzten Wochen zuge-müll-ert.

Sogar das SVP-Blatt «Weltwoche» widmet der FDP eine prominente Titelstory: "Die FDP gibt Gas". Die Titelseite zeigt einen karikierten Müller, der im Kinderauto den Konkurrenten davonbraust. Müller ist im Trend, reitet auf der Welle des Erfolges und gibt sofort das sportliche Ziel von 18 Prozent Wähleranteil heraus. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den 18-Prozent-Möllemann (FDP) aus Deutschland? Tief ist er gefallen, in Prozenten. Unser Müllermann aber startet raketenhaft durch und kennt nur eine Richtung. Hoffentlich spielt ihm die politische Gravitation keinen Streich.

Auf der anderen Seite tobt die Köppel-Mania. Medien werden von diesem Polarisierer angezogen wie die Motten vom Licht. Nicht nur seine Anhänger sondern auch seine politischen Gegner sind fasziniert und angewidert zugleich von seiner Art und seinen Aussagen. Köppel ist gefragt. Er repräsentiert die neue intellektuelle Elite der SVP, einer ehemaligen Bauernpartei. Dieser Reizfigur wird eine mediale Plattform nach der anderen geboten. Köppel garantiert Einschaltquoten. Es ist aus Sicht der Medienverantwortlichen ziemlich egal, was er inhaltlich absondert.

Sind es nur die Quoten, welche zählen und die Omnipräsenz solcher Figuren ausmachen? Es gibt einen anderen Faktor, der gerne übersehen wird. Die grossen Parteien pumpen Unmengen Geld in die Verlage und Medienhäuser - in Form von Werbung und Inseraten. Die gebeutelte Presse schwimmt endlich wieder im Geld. Inserate-Abteilung und Redaktion sind strikte getrennt, lautet das Mantra der Medienschaffenden. Doch psychologisch ist es mehr als wahrscheinlich, dass man die politischen Investoren nicht verägern wird oder ihnen sogar zusätzlichen Raum verschafft - in der Hoffnung auf weitere Investitionen.

Das erklärt, warum Kleinparteien sozusagen aus der politischen Berichterstattung verschwinden. Vor den Wahlen veranstaltet die Presse gerne ein Kleinparteien-Schauen. Dort stellt man diese Wilden in Käfigen vor das belustigte Publikum. Vielleicht bittet man sie, ein Tänzchen aufzuführen: «Tanz, Exot, tanz!». In der entscheidenden Wahlphase blendet die Presse diese Parteien dann komplett aus. Plötzlich gibt es beispielsweise im Aargau nur noch sieben Parteien, obwohl 16 Listen zur Wahl antreten. Umfragen ignorieren Kleinparteien generell oder führen komplett falsche Listen. Nach einer 20-Minuten-Umfrage treten im Aargau die AL (Alternative Liste) und die SD (Schweizer Demokraten) an. Das ist absoluter Unsinn. Parteien, welche tatsächlich antreten, werden nicht genannt. Ist das Kalkül oder Stümperei? Beides ist nicht zu entschuldigen.

Der Wähler kann sich ein Bild der politischen Landschaft machen, heisst es. Leider zeigt die Presse dem Wähler aber nur einen kleinen Ausschnitt. Die Presse schwört den Leser und Wähler auf die etablierten Parteien ein. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Kleinparteien auch in Zukunft klein bleiben. Die "unabhängige" Presse trägt ihren Teil dazu bei. Nun bleibt die grosse Frage: Ist die Presse käuflich?

Ja. Nur handelt es sich nicht um Korruption sondern um ein intertemporales Tauschgeschäft. Verliererin ist die Demokratie.




Aus Ver­schwö­rungs­theo­rien lernen

Verschwörungstheorien gibt es wie Sand am Meer. Doch wie jedes Märchen enthalten auch Verschwörungstheorien einen Funken Wahrheit. Allzu leichtfertig werden solche Theorien als Hirngespinste oder paranoide Konstrukte gebrandmarkt und ins Lächerliche gezogen. Doch es lohnt sich, nicht nur bei jeder Verschwörungstheorie sondern auch bei der ihr widersprechenden Erklärung der Wissenschaft zwischen den Zeilen zu lesen. Denn viele Erklärungen der Wissenschaft sind nicht wasserdicht oder verstecken Unerklärliches hinter wissenschaftlichen Worthülsen.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Kontroverse um das sogenannte Atacama-Alien, welches in der gleichnamigen Wüste gefunden wurde. Für die weltweite Gemeinde der Alien-Gläubiger war sofort klar, dass der Fund dieses entstellten humanoiden Zwergskelettes der Beweis schlechthin war, dass Ausserirdische tatsächlich hier auf der Erde gelandet sind. Genforscher haben sich der Klärung dieses Falles angenommen. Das erklärte Ziel der Untersuchung war, "zu widerlegen, dass irgendetwas unüblich oder paranormal war". Die Untersuchung zielte also nicht auf eine unvoreingenommene Erklärung des Phänomens sondern auf eine Widerlegung der Verschwörungstheorie ab, sprich es musste gezeigt werden, dass das Skelett menschlich war. Mit dem Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom war schnell ein Gen-Defekt gefunden, der die Deformationen des Skelettes erklärte. Dabei handelt es sich um ein äusserst seltenes, unverstandenes Krankheitsbild. Gerade 25 bis 30 Fälle sind weltweit bekannt. Die meisten Betroffenen sterben als Fötus. Doch passte es auch in das Bild, dass das vorliegende 13 Zentimeter lange Skelett nur zehn statt der üblichen zwölf Rippen hatte? Dass die Wissenschaftler jedoch mehr an einer Widerlegung der Alientheorie als an einer wissenschaftlichen Erklärung interessiert waren, zeigte sich darin wie sie mit widersprüchlichen Ergebnissen umgingen. Eines der Untersuchungsergebnissse ergab, dass dieser entstellte Zwergmensch sechs Jahre gelebt haben musste, wohingegen ein anderes auf einen Tod als Fötus hinwies. Es steht ausser Frage, für welche Variante sich die Forscher entschieden haben. Die Erklärung der Genforscher lautete: Es handelt sich um das Skelett eines Menschen mit einem fatalen Gendefekt, welcher noch im Mutterleib gestorben ist. Anders ausgedrückt: Es ist kein Ausserirdischer. Quod erat demonstrandum - was zu beweisen war.

Die Menschheit kann also wieder zum Alltag übergehen, weiter arbeiten und weiter konsumieren. Unser rationales Weltbild wurde wieder erfolgreich bestätigt und gegen dunkle Verschwörungstheorien und Spinner verteidigt. Es gibt keinen Nikolaus, keine Monster im Schrank und schon gar keine Ausserirdischen, zumindest nicht auf der Erde. Die meisten Astronomen und Kosmologen sind sich aber mittlerweile einig, dass die Wahrscheinlichkeit für die Existenz intelligenten ausserirdischen Lebens im Kosmos hundert Prozent beträgt. Es gibt sie... irgendwo da draussen, nicht hier. Wir können durchatmen trotz Abertausenden von Spinnern, welche Ausserirdische und UFOS gesehen haben wollen oder sogar behaupten, von solchen entführt worden zu sein. Die haben halt alle einen Knall wie z.B. dieser Rentner namens Dr. Edgar Mitchell, der allen Ernstes behauptet, die us-amerikanische Regierung verfüge über ausserirdische Technologie. Es macht diesen Doktor zwar sympathischer, aber nicht glaubwürdiger, dass er Erich von Däniken "nicht für einen der herausragenden Forscher" hält. Was aber machen wir mit der Tatsache, dass eben dieser Edgar Mitchell einer der wenigen Menschen war, der über die Oberfläche des Mondes spazierte? Er war Pilot der Apollo-14-Mission. Erhöht oder schmälert dies seine Glaubwürdigkeit? Ist es nicht das Beste, wenn wir einfach davon ausgehen, dass Mr. Mitchell bei seinen Spaziergängen auf dem Mond einfach zuviel kosmische Strahlung abbekommen hat?

Was auch immer dieser Mitchell da von Roswell und abgestürzten UFO faselt, ist doch Unsinn und Urban Legend. Jedes Kind weiss doch, dass es keine fliegenden Untertassen gibt. Manche gestandene Jet-Piloten - darunter auch ehemalige Swissair-Piloten - können sich dieser Meinung jedoch nicht mehr anschliessen. UFO-Sichtungen von Piloten sind keine Seltenheit. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass UFOs nicht gleichbedeutend sind mit ausserirdischen Flugkörpern. Es handelt sich primär um Unbekannte, nicht-identifizierte FlugObjekte. Das US-Militär weiss meistens sofort, dass es sich bei vermeintlichen UFOS um Wetterballone oder Leuchtspur-Munition handeln muss. Der Wetterballon hat seit dem Roswell-Zwischenfall von 1947 als Erklärung für UFO-Sichtungen grosse Tradition. Das US-Militär hat sich bei Medienmitteilungen zu diesem Vorfall mehrfach in Widersprüche verstrickt und somit wesentlich dazu beigetragen, dass eine der wohl grössten Verschwörungstheorien überhaupt entstanden ist. Roswell-Verschwörungstheoretiker sind absolut überzeugt, dass ein ausserirdisches UFO in der Wüste von New Mexico abgestürzt ist und dies von der US-Regierung oder mächtigen Kreisen seit Jahrzehnten vertuscht wird. Einer, der von diesem Regierungs-Komplott fest überzeugt ist, ist eben jener Apollo-14-Astronaut, Dr. Edgar Mitchell.

Die Anhänger der Roswell-Verschwörungstheorie sind zahlreich. Sie drücken mit dem Glauben an den Roswell- Absturz zuallererst einmal ein tiefes Misstrauen gegenüber der Zentralregierung in Washington aus. Sie trauen der Regierung, Verschwörung, Vertuschung, Manipulation, Täuschung, Intransparenz und Geheimniskrämerei ohne weiteres zu. Zugegebenermassen ist dieses Misstrauen stark begründet und aktueller denn je angesichts des gigantischen Überwachungsapparates, den die us-amerikanische Regierung nicht nur gegen die Welt sondern das eigene Land gerichtet hat. Edward Snowden hat der Welt die Augen geöffnet. Es scheint nur plausibel, dass ein Land, welches immer geheimere Institutionen und Gremien züchtet, an demokratischer Legitimation und Glaubwürdigkeit verliert. Wie sieht es eigentlich bei uns aus? Vertrauen wir denen da oben in Bern noch? Und was macht die Bande in Brüssel eigentlich?

Es stellt sich die Frage, ob wir den Glauben an unsere demokratischen Institutionen nicht schon lange verloren haben, und es scheint fast, dass wir ohnmächtig von einem unbarmherzigen Räderwerk des Überwachungs- und Verwaltungsstaates zermalmt werden. Ohnmacht ist ein sehr geeigneter Nährboden für Verschwörungstheorien, welche vorwiegend Regierungen oder geheime Gruppierungen für Vertuschungen und Manipulationen verantwortlich machen. Verschwörer täuschen und manipulieren die Menschen zu einem bestimmten Zweck, wie z.B. zu nichts Geringerem als der Erlangung der Weltherrschaft. Dies ist die gängige Ansicht von Verschwörungstheoretikern, die durch Arkanpolitik der Bilderberg-Konferenz oder der Rive-Reine-Tagung in ihrem Glauben nur bestärkt werden. Es zweifelsfrei nicht nur ungeschickt sondern auch dumm, wenn die Mächtigen der Welt sich in Geheimpolitik versuchen. Solche Gruppierungen schreien förmlich danach in den Kontext einer Verschwörung gestellt zu werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Illuminati-Verschwörungstheorie zu nennen. Die Illuminati sollen ein Kreis von mächtigen Verschwörern sein, welche in diesem Moment die Weltherrschaft an sich reissen wollen. Die historische Sicht sieht freilich ein bisschen anders aus. Bevor wir diese Verschwörungstheorie als Unsinn abtun, muss die Frage erlaubt sein, was das Siegel des Illuminatenordens auf der Ein-Dollar-Note verloren hat. Sogar das Motto (Novus ordo seclorum) und das Gründungsdatum (1776) des Geheimordens sind darauf einwandfrei zu identifizieren. Das sind harte Fakten und keine Verschwörungstheorie. Würde man dem Pfad der Verschwörungstheorie folgen, befände man sich alsbald in einem halluzinierten Dickicht von Geheimbünden, welche zur Erlangung der Weltherrschaft auch vor den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahre 2001 nicht zurückgeschreckt wären. Dort tun sich nicht nur Abgründe sondern auch Unkenntnisse und Wahrnehmungsstörungen auf. Dehalb endet dieser Pfad hier.

Verschwörungstheorien als puren Unsinn zu verurteilen, wird dem Phänomen aber nicht gerecht. Darin enthalten sind ein ernstzunehmendes Misstrauen und eine grosse Ohnmacht gegenüber dem Staat und den Mächtigen. Dieses Misstrauen ist nach der Enthüllung der globalen, massenhaften, verdachtsunabhängigen Überwachung durch Geheimdienste mehr als gerechtfertigt. Und dann gibt es immer noch Dinge und Ereignisse, die sich nicht einfach in unsere rationales wissenschaftliches Weltbild einordnen lassen. Denn manchmal erklärt die Wissenschaft das Aussergewöhnliche bloss mit einer kryptischen Bezeichnung für das Unerklärliche. Davon gibt es immer noch genug. Voreilige Schlussfolgerungen führen jedoch nur zur nächsten abstrusen Verschwörungstheorie. Es ist davon auszugehen, dass Anhänger von Verschwörungstheorien nicht willens oder nicht in der Lage sind, die erschreckende Komplexität der Welt zu erkennen. Verschwörungstheorien werden weiterleben als tiefer Ausdruck menschlicher Ängste und Hoffnungen. Wiederum bleibt die Realität zuweilen rätselhafter als uns manche Wissenschaftler und Wissenschaftsgläubige weismachen wollen.

Weiterführende Links:
- 10 Verschwörungstheorien, die sich als wahr herausgestellt haben
- Perhaps the world's conspiracy theorists have been right all along (16. Juni 2015, Englisch)




Red­tu­be-Mas­sen­ab­mah­nun­gen: Ein Betrugs­fall von inter­na­tio­na­lem Ausmass?

Interaktive Timeline im «Redtube»-Fall

  Vollbild-Ansicht

Timeline in eigene Webseite einbinden:

Zusammenfassung der Ereignisse

Redtube - möglicher Betrug und SkandalDie in der Schweiz registrierte Firma «The Archive AG» mahnt in Deutschland durch die Anwaltskanzlei «Urmann + Collegen» Zehntausende Deutsche mit dem Vorwurf ab, ihre Urheberrechte an mehreren auf dem Porno-Portal Redtube zum Download verfügbaren Porno-Filmen verletzt zu haben. Diese mittlerweile nicht mehr verfügbaren Porno-Filme wurden als sogenannter Daten-Stream zum Download angeboten. Das Anschauen eines solchen Streams ist nach geltender deutschen Rechtslehre keine unerlaubte Kopie, da aus technischer Notwendigkeit nur Teile des Films auf dem Computer des Betrachters zwischengespeichert werden. Umso erstaunlicher ist es, dass das Landesgericht Köln auf Antrag der Abmahnkanzlei «Urmann + Collegen» die Anschlusshaber der IP-Adressen ermitteln liess. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Landesgericht Köln einfach nur aus beschämender Unkenntnis handelte oder aber getäuscht wurde. Von emminenter Bedeutung ist auch die Frage, wie die Schweizer Firma «The Archive AG» an die IP-Adressen der mutmasslichen Porno-Konsumenten gelangte. «The Archive AG» hat dazu angegeben, die us-amerikanische Firma itGuards Inc. mit der Erhebung der IP-Adressen beauftragt zu haben. »itGuards Inc.» habe mit einer ominösen Software namens GladII 1.1.3 die IP-Adressen der vermeintlichen Urheberrechtsverletzer ausfindig gemacht. Aus technischer Sicht ist dies absolut unglaubwürdig, da es sich bei Daten-Streams nicht um Dateien handelt, welche in Tauschbörsen öffentlich angeboten werden. Die IP-Adressen von Stream-Betrachtern können deshalb nur auf vier möglichen Wegen beschafft worden sein.

  1. Ein Mitarbeiter von Redtube oder Redtube selber hat die Daten verkauft.
  2. Eine Software kompromitiert den Server, stiehlt die Logfiles oder loggt selber mit.
  3. Eine Software kompromitiert den Computer des Stream-Konsumenten und protokolliert dessen Aktivitäten.
  4. Durch Zwischenschaltung eines IP-loggenden Servers werden die IP-Adressen der Konsumenten erfasst.

Die erste Möglichkeit ist, wie die nähere Betrachtung der Akteure zeigen wird, nahezu auszuschliessen. Die Möglichkeiten 2 und 3 wären in fast allen beteiligten Ländern strafrechtlich relevant. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Rechteinhaber auf dieses gefährliche Glatteis gewagt haben. Es gibt mittlerweile klare Indizien, dass hier die Methode 4 angewandt wurde und die IP-Adressen mit einem sogenannten Man-In-The-Middle-Angriff in Verbindung mit einer Weiterleitung abgegriffen wurden. Wie die Erhebung der IP-Adressen im Detail abgelaufen sein könnte, wird später errötert. Zuerst wird das Augenmerk auf die beteiligten Akteure gerichtet. Daraus lassen sich einige Erkenntnisse gewinnen.
Update vom 19. Dezember 2013: Die Kommentare zu diesem Artikel wollen diese Herangehensweise nicht widerspruchslos gelten lassen.
Update vom 24. Dezember 2013: Die Abmahnwelle erregt die Aufmerksamkeit des deutschen Datenschutzbeauftragten.
Update vom 24. Dezember 2013: Ausführlicher Beitrag zu den technischen Aspekten der Überwachung eines Portals.
Update vom 8. Januar 2014: Die deutsche Bundesregierung vertritt den Standpunkt, dass das Betrachten von Streams keine Urheberrechtsverletzung darstellt, will aber eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abwarten [Link auf heise.de]. Der Politikerin der Linken, Halina Wawzyniak, geht diese Position zu wenig weit [Link auf golem.de].

Update vom 18. Januar 2014: Lage Schweiz

  In der Schweiz sind gemäss einem Bericht des Beobachters noch keine Strafanzeigen eingegangen. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da nur Deutsche von der Abmahnwelle betroffen sind. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn ein Betroffener kurzfristig seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegen und bei den hiesigen Behörden im Kanton Zürich Anzeige erstatten würde. Die «guten» Anwälte aus Deutschland und der Schweiz könnten bei den Formalitäten behilflich sein. Auf jeden Fall ist die Abmahnwelle beim Eidgenössischen Datenschützer zur Kenntnis genommen worden. Der Fall werde geprüft, wie der findige Jounalist des Beobachters, Michael Küng, berichtet. (Anmerkung des Autors: Ich hoffe, Dir hat das Bier geschmeckt.)
Nachtrag: Den Zürcher Behörden scheint zu entgehen, dass gewerbsmässiger Betrug nach Art. 146 Abs. 2 STGB ein Offizialdelikt ist und von Amtes wegen verfolgt werden muss. Wenn die Schweizer Behörden in diesem Fall den Straftatbestand des Betruges nicht hinreichend erfüllt sehen, könnte die Lektüre dieses Dossiers den Zuständigen auf die Sprünge helfen.
Nachtrag: Auch der Schweizer Lanbote berichtet, dass sich die Schweizer Behörden nach wie vor im Winterschlaf befinden.

Die Akteure

«Redtube», USA

Redtube ist ein Portal für Porno-Filme. Auf eine Verlinkung dieses Portals wird bewusst verzichtet. Da diese Firma an den DMCA gebunden ist, scheint sie ihren Sitz in den USA zu haben. Dieses Portal ist durchaus mit Googles Youtube zu vergleichen. Redtube bietet Filme für Erwachsene an. Das Geschäftsmodell besteht darin, mit Werbung und Weiterleitungen zu kostenpflichtigen Sex-Angeboten Geld zu verdienen. Redtube hat mittlerweile versichert, dass sie keine IP-Adressen verkaufen. Diese Aussage ist durchaus glaubhaft, da Redtube daran interessiert ist, möglichst vielen Konsumenten einen vertrauenswürdigen Rahmen zu bieten. Wenn sich die Konsumenten nicht mehr sicher fühlen, werden sie dem Angebot fernbleiben. Daran ist Redtube definitiv nicht interessiert. Deshalb hat der Vizedirektor von Redtube bereits rechtliche Schritte angekündigt. Es bleibt die Möglichkeit, dass ein Mitarbeiter von Redtube, welcher sein Gehalt aufbessern wollte, die IP-Adressen verkauft hat. Auch diese Möglichkeit wird sicherlich geprüft werden müssen. Ein interessanter Fakt ist, dass Verletzungen von Urheberrechten dem Portal jederzeit mitgeteilt werden können. Dies führt zu einer Löschung des betreffenden Films. Sehr erstaunlich ist, dass die «The Archive AG» als Rechteinhaber nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat und eine viel umständlichere, aber auch lukrativere Vorgehensweise gewählt hat.
Update vom 17. Dezember 2013: Redtube ist gemäss vorherrschender Meinung nicht als offensichtlich illegale Quelle nach deutscher Rechtsprechung zu qualifizieren.
Update vom 20. Dezember 2013: Der Redtube-Vizepräsident nimmt auf Spiegel Online Stellung zu den Vorwürfen, seine Firma sei in die Weitergabe der IP-Adressen verwickelt.
Update vom 23. Dezember 2013: Redtube hat weitere Abmahnungen gegen Nutzer des Portals per Einstweiliger Verfügung stoppen lassen. Sh. dazu auch die Aktualisierungen zu «The Archive AG».

«The Archive AG» aus Bassersdorf ZH, Schweiz

«The Archive AG» ist eine in der Schweiz registrierte Firma mit Sitz in Bassersdorf, Zürich. Hier laufen die Fäden zusammen. Warum erstaunt es nicht, dass die Inhaber der Firma zwei Deutsche sind? Die Webseite gibt keinen sehr tiefen Einblick in die Geschäftstätigkeit der Firma. Es ist die Rede von der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen mittels einer modulbasierten Software. Kein Wort wird aber darüber verloren, dass sie selber Rechteinhaber sind. Im Juli 2013 erwerben sie die Verwertungsrechte an zwei oder drei Porno-Filmen. Fast eine Woche später taucht einer dieser Filme auf Redtube auf und die Zugriffszahlen schnellen überproportional in die Höhe. Das gleiche trifft auf einen anderen Film zu, der bereits auf Redtube verfügbar war. Dies wurde hier auf heise.de eindrücklich dokumentiert. Kurz darauf wird scheinbar die us-amerikanische Firma «itGuards Inc.» beauftragt, die IP-Adressen der Betrachter jener Filme ausfindig zu machen. Die «The Archive AG» erhält Zehntausende IP-Adressen (alles deutsche?) und gibt diese an die Abmahnkanzlei «Urmann + Collegen» nach Deutschland weiter mit dem Auftrag, die Anschlussinhaber der IP-Adressen gerichtlich ermitteln zu lassen und kostenpflichtig abzumahnen. Ein pikantes Detail kann man darin sehen, dass die Webseite von «The Archive AG» und jene der «itGuards Inc.» mit der selben Baustein-Software von Wix.com erstellt wurden und auf dem selben Server gehostet werden. Es darf natürlich jetzt gefragt werden, wie die beiden Firmen miteinander verbandelt sind.
Update vom 21. Dezember 2013: In einem Interview vom 18. Dezember verteidigt Ralf Reichert, Verwaltungsrat der «The Archive AG», die Methoden und die Technologie, mit denen die IP-Adressen ermittelt wurden. Er kündigt weitere «wahrheitsgemässe» Informationen an. Werden diese mehr Unterhaltung als Aufklärung bieten, wenn sie denn jemals vorgelegt werden?
Update vom 21. Dezember 2013: Redtube erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen «The Archive AG» und stoppt weitere Abmahnungen gegen Nutzer des Porno-Portals. [Link auf lawblog.de]
Update vom 23. Dezember 2013: Verwaltungsrat der «The Archive AG» R. Reichert hat wieder «wahrheitsgemässe» Informationen verlautbart [Link auf heise.de]. Wir erfahren nichts Neues zu der ominösen Software GladII 1.1.3. Die einzige mögliche Verteidigung bestünde in einer Demonstration dieser Software.
Update vom 27. Dezember 2013: Die einzigen spärlichen Informationen über den Geschäftsführer P.R.W der «The Archive AG» fanden sich auf der ziemlich alten Webseite seiner Schwester (fiadelfia.de). Diese Webseite wurde mittlerweile vom Netz genommen. Dieser Webseite liessen sich folgende Informationen entnehmen: Der Geschäftsführer hat Jahrgang 1976 und stammt aus Münster DE. Er ist Unternehmensberater und hat in den Staaten studiert (welch Zufall!). Er ist anscheinend häufig im Flugzeug unterwegs. Die Informationen zu dieser Person sind noch bei web.archive.org verfügbar.
Update vom 28. Dezember 2013: In der Verlautbarung vom 23. Dezember hat sich ein gewisser Herr Hausner für die «The Archive AG» zu Wort gemeldet. Kurios, dass eine gewisse «Hausner Productions» anscheinend die ehemalige Rechteinhaberin der besagten Porno-Filme war! Die Ordnungsmässigkeit der IP-Adressen-Ermittlung zu beweisen kann ferner nicht darin bestehen, die Software GladII 1.1.3 zu demonstrieren oder ein fragwürdiges Gutachten zu zitieren sondern den Nachweis zu erbringen, dass die IP-Adressen tatsächlich mit dieser Software «beweissicher», legal und datenschutzkonform gesammelt wurden. Dieser Nachweis würde aber immer noch nichts an der Tatsache ändern, dass Streaming aus einer offensichtlich nicht illegalen Quelle nicht als unerlaubte Kopie, sprich nicht als Urheberrechtsverletzung gilt in Deutschland.
Update vom 29. Dezember 2013: Gemäss Informationen, die Welt.de vorliegen, besitzt die «The Archive AG» die Filmrechte womöglich gar nicht. Sie wäre somit nicht Rechteinhaberin, hätte keine Aktivlegitimation und sowieso gar keinen Anspruch. Es fehlt allem Anschein nach einfach an allem: an den Filmrechten, an der Urheberrechtsverletzung(en), an der Ordnungsmässigkeit der IP-Adressen-Ermittlung. «Epic Fail»?
Update vom 7. Januar 2014: Die Webseite «http://www.the-archive.ch» ist nicht mehr erreichbar. Sie wurde anscheinend entfernt. Ein aufmerksamer Zeitgenosse hat es nicht versäumt, ein Backup der ehemaligen Webseite zu erstellen [Link zu achive.is].
Update vom 8. Januar 2014: Die Firma «The Archive AG» scheint gemäss dem Blog kowabit.de umzuziehen. Hängt dieser Umzug mit dem rechtlichen und sozialen Druck zusammen, dem die Firma momentan ausgesetzt ist?
Update vom 14. Januar 2014: Nicht nur gegen den Geschäftsführer der «The Archive AG» sondern auch gegen den Rechtsanwalt Sebastian, der beim LG Köln den Antrag zur Ermittlung der Anschlussinhaber gestellt hat, als auch gegen Fr. Jutta Schilling, welche die vermeintlichen exklusiven Verwertungsrechte an den abgemahnten Filmen beanspruchte und verkaufte, wurde beim LG Köln Strafanzeige wegen «rechtswidriger bandenmässiger Bereicherung» gestellt, wie das Blog kowabit.de berichtet. Die Rechtekette als Fundament der Abmahnwelle bricht auseinander. Die Massen-Abmahnungen werden offensichtlich zu einem gefährlichen Bumerang für die Abmahner. Da alle drei Beschuldigten ihren Wohnsitz in Deutschland zu haben scheinen, unterstehen sie deutscher Jurisdiktion und dem Zugriff der deutschen Behörden. Zum ersten Mal erscheint auch der Geschäftsführer der «The Archive AG» auf dem rechtlichen Radar. Mit welchen Manövern werden die Beschuldigten versuchen, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Feststeht, dass der Druck auf die Abmahner nach ungefähr sechs Wochen eine ungeahnte Dimension angenommen hat. Hier in der Schweiz warten wir nach wie vor gespannt darauf, wie der Eidgenössische Datenschützer (EDÖB) die Weitergabe der IP-Adressen aus der Schweiz nach Deutschland beurteilt.
Update vom 14. Januar 2014: Die Rechtekette im Überblick. Ungeklärt ist die Weitergabe der Rechte durch den Urheber «Combat Zone».

FilmverwertungsrechteGrafik by Par-Salian, CC-by-sa 3.0/de, aus: Wikipedia

Update vom 15. Januar 2014

Foto mit freundlicher Genehmigung von Michael Küng, @Graudesch
Foto mit freundlicher Genehmigung von Michael Küng, @Graudesch

  Die «The Archive AG» wird kurzerhand umstrukturiert. Der Volksmund würde sich vielleicht erdreisten zu sagen: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Der Geschäftsführer P.R.W. scheidet aus, wie das Blog kowabit.de berichtet. Der entsprechende Handelsregistereintrag wurde geändert. Er wird sich trotzdem für die Ungereimtheiten, welche sich während seiner Geschäftsführung ereignet haben, verantworten müssen. Neuer Firmensitz ist Weisslingen, ZH. Zum neuen Geschäftsführer wurde «Djengue Nounagnon Sedjro Crespin» aus Benin, Afrika, ernannt. Gewiss werden alle notwendigen Papiere wie Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsbewilligung vorhanden sein. Anfragen werden künftig wohl auf Französisch beantwortet werden. Warum nur entsteht der Eindruck, dass hier eine Marionette vorgeschoben wird? Verantwortlicher Verwaltungsrat bleibt der deutsche Staatsbürger Ralf Reichert. Verwaltungsräte haften in der Schweiz u.U. auch persönlich und unbeschränkt.
Update vom 16. Januar 2014: Welt.de berichtet darüber, dass sich die Verantwortlichen aus dem Staub machen.

Update I vom 16. Januar 2014

  Die Rechtsanwälte «Wild Beuger Solmecke» haben gegen den Geschäftsführer der «The Archive AG» Strafanzeige wegen besonders schwerem Betrug eingereicht. Diese Strafanzeige muss sich wohl gegen den mittlerweile ausgeschiedenen Geschäftsführer Philipp Raphael Wiik richten, der die Massenabmahnungen zu verantworten hat. Der neue Direktor der «The Archive AG» aus Benin dürfte vorerst nicht gemeint sein.

Update IV vom 17. Januar 2014

  Die Bonität des neuen Geschäftsführers von «The Archive AG» sieht ungefähr so übel aus wie die Beschriftung des neuen Firmensitzes, wie die Handelszeitung berichtet. Anscheinend wurde ihm kurzfristig finanziell ausgeholfen mit der Annahme des Posten des Geschäftsführers der «The Archive AG». Er ist auf jeden Fall der richtige Mann, die Firma in den Ruin und somit zur Liquidation zu führen. Ein anderes Ziel kann mit seiner Ernennung nicht verbunden sein.

Update I vom 9. Februar 2014: Interview mit Ralf Reichert

  Verwaltungsrat der «The Archive AG», Ralf Reichert, beharrt in einem Interview mit Zeit Online entgegen der einstimmigen Meinung von Experten darauf, dass die IP-ermittelnde Software «GladII 1.1.3» rechtlich und technisch einwandfrei funktioniere. Er habe aber kein technisches Verständnis. Er beruft sich ferner auf ein bislang unbekanntes Gutachten zu den rechtlichen Aspekten der IP-Ermittlung. Nach seinen Aussagen werde dies geheim bleiben. Es fällt auf, dass er selber die betreffende Software nie in Aktion gesehen hat. Zu den womöglich nicht vorhandenen Filmrechten meint er, er habe ja nur branchenüblich einen Vertrag unterzeichnet. Ein voraussehbarer Rückzug auf Branchenbräuche und Gutgläubigkeit. Er sagt aus, dass die Firma «itGuards Inc.» über eine weltweit einmalige Technologie verfüge. Dass sich genau diese Firma seit Erstellung des Gutachtens im Untergrund und hinter Briefkästen versteckt, will dieser Aussage widersprechen. Denn mit dieser Technologie könnte «itGuards Inc.» sogar die NSA in den Schatten stellen.

«itGuards Inc.» aus San Jose CA, USA

«itGuards Inc.» ist die us-amerikanische Firma, welche die IP-Adressen der vermeintlichen Urheberrechtsverletzer ermittelt haben soll mittels der geheimnisumwitterten Software GladII 1.1.3. Wir statten der Firma in San Jose mittels den Karten von Google einen Besuch ab. Die Adresse lautet «97 South Second Street #156 San Jose, Silicon Valley, CA 95113 United States of America». Google ist der Meinung, dass, diese Adresse in der Mitte einer Kreuzung liegt. Wenn man hineinzoomt und mit Google Street View weiter fahndet, findet man... rein gar nichts. Es gibt an der Kreuzung eine Hausnummer 96, dahinter liegt ein Parking, dort ein Park, dort eine Kirche. Aber nirgends ist die Hausnummer 97 N 2nd St #156 zu finden. Die Hausnummer 96 scheint komplett von einer Innenarchitektur Firma belegt zu sein. Nicht einmal ein Briefkasten ist zu sehen. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Firma «itGuards Inc.» nicht nur keine Firma ist sondern überhaupt nicht existiert. Auch das Handelsregister des Staates Kalifornien will keine solche Firma kennen. Wurden die IP-Adressen also von einer Firma ermittelt, welche gar nicht existiert? Es ist auf jeden Fall sehr wahrscheinlich, dass die IP-Adressen andersweitig ermittelt wurden. Da fällt auch plötzlich noch auf, dass die Schwester eines der Inhaber der «The Archive AG» auf ihrer persönlichen Webseite ihren Bruder erwähnt, der in den USA studiert haben soll. Hat er vielleicht in San Jose studiert? Die Universität läge nur ein paar Häuserblocks von der inexistenten Adresse in San Jose entfernt. Vielleicht ist die «itGuards Inc.» aber auch nur sehr geheim und im Untergrund tätig. In dieser Sache könnten sich das FBI und die NSA einmal nützlich machen.
Update vom 17. Dezember 2013: Hinweise deuten darauf hin, dass es sich bei der «itGuards Inc.» um eine Briefkasten-Firma handelt. Es ist nicht möglich, eine verantwortliche Ansprechperson ausfindig zu machen. Die Spur verläuft im Sand. «itGuards Inc.» möchte nicht gefunden werden. Darf vermutet werden, dass hier eine Schein-Firma vorgeschoben wurde, um eine illegale IP-Adressen-Erhebung in der Schweiz zu vertuschen? Gemäss dem «Logistep»-Urteil dürfen in der Schweiz keine IP-Adressen mehr erhoben werden.
Zitat von Schnuffeltier aus dem heise-Forum: "Der Registrar der Firma ist eine Business Filings Incorporated, 108 West 13th St, Wilmington, DE 19801. Diese scheint in Delaware wie ein registriertes Office bei einer englischen Ltd. zu fungieren. Ist also weder Firmensitz, noch Büro der eigentlichen Firma."
Update vom 19. Dezember 2013: Es wird noch komplizierter. Google zeigte eine falsche Stelle. Ein aufmerksamer Leser hat den richtigen Standort der Firma «itGuards Inc.» lokalisiert. Der richtige Standort des Briefkastens ist an der 2nd South 97 in San Jose. Eine Firma Nextspace ist dort einquartiert. Im Mitgliederverzeichnis erscheint ein gewisser Andreas Roschu. Zufall, dass dieser Herr der Gutachter der ominösen Software GladII 1.1.3 ist?
Update vom 19. Dezember 2013: Die Spur führte nach Wilmington, Delaware. Dort kommen auf 800'000 Einwohner 900'000 Firmen, die dort nur Briefkästen betreiben. Diese Dokumentation bei Youtube veranschaulicht dies ab Filmspielzeit 20:40. Der eigentliche Firmensitz ist also eine Briefkastenkastenfirma des Briefkastens in San Jose. Verantwortliche Personen sind weit und breit keine auszumachen. Muss man in den USA studiert haben, um solche Verschleierungs-Konstrukte zu erschaffen?
Update vom 27. Dezember 2013: Die Firma «itGuards Inc.» wurde am 21. März 2013 in Delaware gegründet (File Number: 5309169). Bereits am 22. März 2013 beglaubigte die Müncher Kanzlei «Diehl & Partner» ein Gutachten für die Software GladII 1.1.3, welche scheinbar von «itGuards Inc.» programmiert worden sein soll [Link zu T-online.de]. Ein Gutachten für ein Software-Produkt einer us-amerikanischen Firma, welches nur einen Tag nach der Gründung dieser Firma in Deutschland vorliegt, ist äusserst bemerkenswert. Es scheinen sowohl die Gründung der US-Briefkastenfirma, das Auftauchen der ominösen Software als auch das Gutachten nur hinsichtlich der Massenabmahnungen in Deutschland inszeniert worden zu sein. Gutachter ist übrigens jener Andreas Roschu, der am Standort des Briefkastens in San Jose im Mitgliederverzeichnis der Firma Nextspace erscheint. Mitgliedschaft bedeutet, dass ein Kunde kostenpflichtige Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Ein Briefkasten bei Nextspace in San Jose ist ab $49.00 pro Monat zu haben. Nextspace empfängt die Briefe und hat die Berechtigung, Pakete entgegenzunehmen. Der Kunde, auch Mitglied genannt, muss dort niemals anwesend sein. Es ist offensichtlich, wen die deutschen Ermittler anpeilen müssen.

Update II vom 16. Januar 2014

  Auch die Webseite der Firma «itGuards Inc.» hat sich in Luft aufgelöst. Webseiten und Firmen scheinen im Moment wie Fliegen wegzusterben. Die Firma mit der Wunderwaffe «GladII 1.1.3», die nie gefunden werden wollte, ist endgültig vom Erdboden verschwunden. Natürlich existiert auch von dieser Webseite eine Sicherung auf archive.is. Das Internet vergisst so schnell nicht.

Update III vom 16. Januar 2014

  Am 1. März 2014 muss die «itGuards Inc.» zum ersten Mal seit ihrer Gründung im März 2013 ihren jährlichen Bericht (annual report) in Delaware einreichen. Für eine Gebühr kann dann der Jahresbericht der «itGuards Inc.» inklusive Namen der Verantwortlichen von jedermann aus aller Welt erworben werden. Fusionen oder Firmenauflösungen sind erst nach Einreichen des Jahresberichtes möglich. Die Namen der Schattenmänner von «itGuards Inc.» werden spätestens im März bekannt. Ihre Zeit läuft ab. Dies ist vor allem hinsichtlich der jetzt eingegangenen Strafanzeige der Rechtsanwälte «Wild Beuger Solmecke» gegen «itGuards Inc.» relevant.
Nachtrag: Es liegt nun auf der Hand, warum die «itGuards Inc.» erst im März 2013 gegründet wurde. Hätten die Hintermänner die Gründung nach Erstellung des Gutachtens im Dezember 2012 oder im Januar 2013 vollzogen, hätten sie schon im März 2013 ihre Identität im Jahresbericht, zu dem sie der Staat Delaware verpflichtet, preisgeben müssen. Mit der Gründung nach dem Stichtag des 1. Märzes 2013 haben sie sich Zeit bis zum 1. März 2014 verschafft. Dieser Tag kommt jedoch unausweichlich. Es ist absehbar, dass die «itGuards Inc.» nie einen Jahresbericht einreichen wird. Dies führt dann hoffentlich zur Veröffentlichung der Namen der Verantwortlichen von Gesetzes wegen. In den Vereinigten Staaten ist zwar viel möglich, aber auch dort gilt das Öffentlichkeitsprinzip im Firmenrecht.

Update I vom 17. Januar 2014: Das Gutachten

  Das Gutachten zur Software GladII 1.1.3 wurde veröffentlicht. Eine seriöse Bewertung wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Es fällt auf, dass im dritten Jahrtausend noch mit Schreibmaschine gearbeitet wird. Es passt zu all den Kuriositäten, dass jemand, der ein Software-Produkt analysiert, die Analyse auf einer Schreibmaschine verfasst.

Update III vom 17. Januar 2014: Kurzanalyse

  Das Gutachten stammt von einem Physiker.
Stutzig macht, dass der Auftraggeber drei für die Analyse geeignete Porno-Clips bestimmt hat, obwohl die Software «GladII 1.1.3» Medienhoster global überwachen können soll.
Ferner scheint der Gutachter den Unterschied zwischen Streaming und Download nicht zu kennen, wie das in den Punkten 5.2, 7.1, 7.2 zum Ausdruck kommt.
In Punkt 7.2 wird beschrieben, dass Medienhoster anscheinend global überwacht werden. Warum wurden dann nur die drei vom Auftraggeber benannten Filme getestet? Der Gutachter hätte so kritisch sein dürfen, andere Filme auf diesen Medienhostern zu testen.
Die Test-Umgebung wurde nicht verändert. Man muss davon ausgehen, dass Fremd-Cookies, Tracking-Cookies und Werbung zu keinem Zeitpunkt geblockt wurden.
Im Punkt 7.3 wird das Interface beschrieben. Es wird jedoch nicht erklärt, wie der Gutachter unter der Fülle von IP-Adressen seine eigene ausfindig machen konnte. Es ist unwahrscheinlich, dass nur der Gutachter diese Filme aufgerufen hat. Tausende von IP-Adressen hätten dort erfasst sein müssen. Es scheinen jedoch nur jene zwei IP-Adressen des Gutachters aufgelistet worden zu sein. Liegt hier des Pudels Kern begraben?
Die drei getesteten Filme sind heute noch verfügbar. Weit und breit sind jedoch keine «Thumbnails» zu sehen, wie dies in Punkt 6.4.2 beschrieben wird. Auf welche Miniatur-Vorschaubilder bezieht sich der Gutachter? Hatte er etwas ganz Anderes als das, was wir heute sehen, zu Gesicht bekommen?
Verblüffend ist auch, dass die Software nicht nur das Starten und Stoppen des Datenstreams sondern auch den Aufruf der Hauptseite protokollieren konnte. Was mit «Hauptseite» gemeint ist, steht in den Sternen. Ist damit die Webseite, die den jeweiligen Film enthält, oder die Start- oder Übersichtsseite des Medienhosters gemeint?
Bei zwei Filmen tauchen die Tracker von «Adult Webmaster Empire» auf. «Adult Webmaster Empire» ermöglicht eine Video-Kontaktaufnahme mit Damen. Bei allen dreien trackt Google Analytics. War auch bei «xvideos.com» im Jahre 2012 der Tracker und der Webservice von «Adult Webmaster Empire» implementiert?
Bei einer Virenprüfung eines der Porno-Filme konnten keine Viren oder sonstige Ungewöhnlichkeiten festgestellt werden.
Die Tests zum Gutachten wurden am 11. und 21. Dezember 2012 durchgeführt. Die Firma «itGuards Inc.» wurde aber erst drei Monate später am 21. März 2013 gegründet.
Schliesslich stellt sich die Frage, warum keine Screenshots angefertigt wurden. Aber vielleicht ist das zuviel verlangt von jemandem, der ein Gutachten auf einer Schreibmaschine verfasst.
Ansonsten scheint das Gutachten schlüssig. Es bleibt uns aber natürlich die Antwort schuldig, wie die Software «GladII 1.1.3» die IP-Adressen der Streaming-Nutzer «beweissicher», legal und datenschutzkonform sammeln konnte.
Nachtrag: Im Dezember 2012 war Adobes Flash Player ein gewaltiges Sicherheitsrisiko [Link auf golem.de].
Nachtrag: Natürlich hat sich auch «Hacker» und «Reverend» Klemens Kowalski vertieft mit dem Gutachten beschäftigt. Fazit: Es ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Zu dieser Einschätzung gelangt auch ein einschlägiger Artikel auf heise online.

Update vom 19. Januar 2014: Nachtrag zur Kurzanalyse

  Der wirkliche Schwachsinn beginnt im Testverfahren unter Punkt 6.4. Der Gutachter sagt aus, dass die Websites der Medienhoster angesurft wurden. Dort sei er dann erstmals auf «Thumbnails» gestossen. Er hat also nach Adam Riese die Startseiten der Medienhoster aufgerufen, also in diesem Falle drtuber.com, tnaflix.com und xvideos.com. Dort sei er auf die vom Auftraggeber «itGuards Inc.» bestimmten, durch «Vorschaubilder» repräsentierten Porno-Clips gestossen. Wer diese Webseiten besucht, wird schnell realisieren, dass die Startseiten dynamisch gerendert werden, und die auf die Porno-Filme verlinkenden Vorschaubilder stündlich oder täglich ändern. Wie will unser über jedes Mass hinaus befähigter Gutachter auf allen drei dynamisch gerenderten Startseiten ausgerechnet jene drei Porno-Filme sofort gesichtet haben? Es ist zufällig, was dort gerade dargestellt wird. Der gesunde Menschenverstand warnt uns sofort, dass die bezeichneten Filme unter Tausenden anderen dort niemals gleichzeitig auf der Medienhoster-Startseite als Vorschaubilder repräsentiert werden können. Die Möglichkeit, dass die Auftraggeber alle drei benannten Filme auf allen drei Webseiten zum exakt gleichen Zeitpunkt irgendwie auf der Startseite erscheinen liessen, ist nicht ganz ausszuschliessen. Dieses Kunststück ist auf jeden Fall nicht erklärt. Sie hätten dann die bezeichneten Filme während des gesamten Test-Zeitraums von 10 Tagen auch dort forcieren müssen. Auch wenn diese verschwindend kleine Möglichkeit besteht, wäre immer noch nicht geklärt, wie der Gutatcher die benannten Filme identifiziert hat. Er kannte ja gemäss eigenen Angaben nur die URLs der Filme. Warum er diese URLs nicht direkt aufgerufen hat und den beschwerlichen Umweg über «Thumbnails» genommen hat, erläutert er nicht. Dann behauptet der Gutachter in Punkt 6.4.2, dass die Filme durch Anklicken der «Thumbnails» gestartet werden. Das kann überhaupt nicht nachvollzogen werden. Zuerst wird der Besucher nämlich auf eine den Porno-Clip beinhaltende Seite geführt (sh. die drei URLs). Erst dort kann der Flash-Film gestartet werden. Entweder stellt der Gutachter hier irgendwelche Übersprungs-Beobachtungen an, oder er schildert etwas, das sich auch im Dezember 2012 so unter keinen Umständen ereignet haben kann. Alle drei Medienhoster funktionieren vollkommen identisch. Was in Punkt 6.4 geschildert wird, ist absolut hanebüchener Schwachsinn. Die Glaubwürdigkeit des Gutachtens dürfte damit sogar in den Minusbereich abrutschen.

Update I vom 22. Januar 2014: Stellungnahme von «Diehl & Partner»

  «Diehl & Partner» äussern sich zur Kritik am Gutachten. Sie rechtfertigen sich, dass man lediglich nachvollzogen habe, wozu man vom nicht genannten Auftraggeber beauftragt worden sei. Die Abmahnwelle habe man nicht zu verantworten. In diesem Geflecht von verteilten Verantwortlickeiten werden sich alle Parteien in dieses Refugium zurückziehen. Ob es dem Ansehen eines Wissenschaftlers zuträglich ist, ein so dünnes und unkritisches Gutachten zu verfassen, ist eine andere Frage.

Update II vom 22. Januar 2014: Kommentar von SemperVideo


Quelle: Youtube / SemperVideo

Update vom 23. Januar 2013: Szenario zu «GladII 1.1.3»

»GladII 1.1.3» muss eine Software sein, die intensiv entwickelt wird. Das suggeriert zumindest die Versionsnummer «1.1.3». Im Dezember 2012 begutachtete «Diehl & Partner», dass die Software irgendwie IP-Adressen von Streaming-Konsumenten zeitgenau erfassen könne (inkl. Starten und Stoppen des Datenstreams.) Im August 2013 versicherte jemand eidesstattlich, dass «GladII 1.1.3» diese Funktionaliät tatsächlich erbringt. Acht Monate lang stand also die Entwicklung dieser Wundersoftware still, denn sie steht auch im August 2013 immer noch bei derselben Versionsnummer. Acht Monate lang wurde «GladII 1.1.3» nicht mehr entwickelt. Das ist äusserst ungewöhnlich für ein Software-Produkt, welches es aus dem Nichts die Versionsnummer 1.1.3 erreicht hatte. Entweder hat die Software apotheotische Perfektion erreicht oder sie ist schlichtweg nicht mehr brauchbar. Deshalb wurde womöglich die Entwicklung eingestellt. Natürlich könnte auch sein, dass man einem Etwas einfach eine Versionsnummer, welche eine fortgeschrittene und stabile Entwicklungsstufe suggeriert, gegeben hat. Das tönt so wichtig wie die Bezeichnung der ominösen Hersteller-Firma aus dem innovativen und bahnbrechenden Silicon Valley. Es handelt sich um eine Briefkastenfirma aus Deutschland...
Am wahrscheinlichsten ist dieses Szenario: Im Jahre 2012 fand jemand heraus, dass es möglich ist, mit Flash und LSOs (local shared object) irgendetwas zu tricksen. Vielleicht konnte mittels auf der Webseite geschalteter Werbung auf die local gespeicherten Informationen, welche der Video-Player auf der Festplatte hinterlegt hat, zugegriffen werden. Vielleicht begünstigte auch eine Sicherheitslücke im Flash Player das Erstellen und Abgreifen dieser Informationen. Im Dezember 2012 ermöglichten Sicherheitslücken in Adobes Flash Player sogar die feindliche Übernahme entfernter Computer, wie dies bei golem.de nachgelesen werden kann. Am 11. und 21. Dezember 2012 wurde das Gutachten erstellt. Die Software konnte unter ganz bestimmten Umständen tatsächlich die angepriesene Funktionaliät erbringen. Um eine funktionierende Cross-Site-Scripting-Attacke mittels geschalteter Werbung durchzuführen, wäre die absolute Kontrolle über die beim jeweiligen Film geschaltete Werbung eine unabdingbare Voraussetzung für die Funktionalität der Software gewesen. Das hat vielleicht geklappt bei einigen Filmen, welche ganz spezifische Eigenschaften aufwiesen, z.B. dass keine anderen Werbenden dort Werbung schalten wollten. Damit wären wir indirekt wieder bei den Ladenhütern angelangt. Hätten also andere beim betreffenden Film Werbung geschaltet, wäre «GladII 1.1.3» erblindet. Es wäre absolut unmöglich zu beweisen, dass die GladIIisten die absolute Kontrolle über die geschaltete Werbung haben. Die Funktionalität basierte somit auf nur unzureichend zu kontrollierenden Faktoren, und die Ergebnisse wären somit ein pures Zufallsprodukt. Es fehlt schon an der Kontrolle darüber, welche Werbenetzwerke von den Portalbetreibern eingebunden oder auch wieder entfernt werden. «GladII» wäre auch nicht in der Lage, Besucher, welche Werbung blockieren, zu erkennen. «GladII» steht auf zwei sehr wackligen Beinen.
Dass die Software einer tieferen Prüfung nicht standhalten würde, war den Entwicklern absolut bewusst. Das Gutachten, welche sie im Dezember 2012 anfertigen liessen, bestätigte dann auch nur, dass dieser Trick unter ganz spezifischen Voraussetzungen funktionierte. Hätte der Tester Werbung blockiert, wäre das Ergebnis höchstwahrscheinlich negativ ausgefallen. «GladII» ist ein Trick, die den Namen Software nicht verdient.
Fehlerhafte Software wird irgendwann gepacht, vor allem wenn es sich dabei um Adobes Flash Player handelt. Ein Patch für den Flash Player könnte bereits im Januar 2013 «GladII» auf den digitalen Schrottplatz geschickt haben. Die Entwickler von «GladII», welche kurz vor der Erlangung der Weltherrschaft standen, wurden kurz vor der Ziellinie schockgefroren. Die Wunderwaffe funktionierte nicht mehr, die Entwicklung stoppte, die Versionsnummer blieb die gleiche, «GladII» war Alteisen. Aber sie hatten ja immerhin noch das Gutachten, welche die einwandfreie Funktionstauglichkeit der Software bestätigte. Jetzt mussten nur noch irgendwie IP-Adressen beschafft werden. “Wir sagen dann einfach, das war GladII 1.1.3.“ Also zogen die Genies von «itGuards Inc.» irgendein Umleitungskonstrukt hoch. Sie leiteten die ahnungslosen Internetnutzer einfach über eine IP-erfassende Webseite (vermutlich retdube.net oder movefile.net) automatisch auf die betreffenden Filme weiter. Voilà, man hatte die IP-Adressen. Jetzt konnte die Abmahnwelle beginnen. Der Rubel würde rollen. Auf den Abmahnschreiben, welche die Betroffenen erhielten, wird der abgemahnte Film und die Aufrufzeit erwähnt. Warum aber stehen denn dort nicht alle Informationen, welche die Wunderwaffe «GladII 1.1.3» hätte «beweissicher» erfassen können, nämlich Aufruf der Webseite, Starten und Stoppen des Films, Verlassen der Webseite? Das LG Köln sollte von den Abmahnern verlangen, dass diese Informationen nachgereicht werden. «GladII 1.1.3» soll ja gemäss einem Gutachten in der Lage sein, diese Informationen zeitgenau und «beweissicher» zu erfassen. Also her damit!
Nachtrag: «Diehl & Partner» konnten auf Nachfrage des c't-Magazins den Einsatz von Werbebannern nicht feststellen. Diese Aussage ist so schwammig wie das ganze Gutachten. Sie müssen nur die Frage beantworten, ob auf diesen Filmportalen Werbung eingeblendet wurde. Dies ist in der Regel der Fall. Andernfalls haben sie nicht Filme auf diesen Portalen sondern auf einer ganz anderen Webseite aufgerufen und etwas von der Aufgabestellung Abweichendes begutachtet. Wenn sie einen Adblocker benutzt haben, wäre das auf jeden Fall eine Erwähnung wert gewesen. Aber auch dazu fehlen trifftige Angaben. Der Gutachter sollte endlich einmal Klartext reden und solche offensichtlichen Unschärfen vermeiden.

Update vom 27. Januar 2014: Nachbau von «GladII 1.1.3»

Nun hat ein cleverer Entwickler die Software «GladII 1.1.3» aufgrund des Gutachtens der Kanzlei «Diehl & Partner» rekonstruiert. Dieser Nachbau erklärt die nicht nachvollziehbaren und widersprüchlichen Aussagen des Gutachtens. Demnach wurde eine eigene Phishingseite erstellt, auf der die Streaming-Videos von Filmportalen in einen eigenen HTML5-Videoplayer eingebunden (embed) wurden. Die ahnungslosen Opfer wurden auf dieses Honeypot-Filmportal geleitet, wo angeklickte Streaming-Videos automatisch gestartet und die Aktionen der «Opfer» protokolliert wurden. Diese Honeypot-Seite war wahrscheinlich mit einem dem entsprechenden Filmportal zum Verwechseln ähnlichen Layout und einer Vertipperdomain (z.B retdube.net) getarnt. Dort konnten die Aktionen und IP-Adressen der unfreiwilligen Besucher problemlos aufgezeichnet werden. Die rechtlichen Implikationen dieser Aufzeichnungen wären gravierend. Die IP-loggende Firma hätte die Filme nicht nur selber angeboten, was die Urheberrechtsverletzung neben rechtlichen Überlegungen sowieso auschliessen würde, sondern sie hätten die IP-Adressen auch mittels einer Täuschung erfasst. Bei den vermeintlichen Urheberrechtsverletzern entfällt der Vorsatz gänzlich. Der Tatbestand des Betrugs rückt weiter in den Bereich des Wahrscheinlichen. Dieser «GladII»-Klon liefert eine Erklärung für alle Ungereimtheien und Unschärfen des Gutachtens und erklärt, was der Gutachter tatsächlich gesehen hat. Er war nie auf den «überwachten» Filmportalen sondern auf Phishingseiten. Dort war keine Werbung geschaltet, und die Anordnung der «Thumbnails» war im Gegensatz zu den echten Filmportalen statisch. Denn nur auf einer statischen Übersichts- oder Startseite war eine eindeutige Identifikation der bezeichnten Filme möglich. Eine dringend notwendige Stellungnahme des Gutachters steht aus. Aus technischer Sicht erhärtet sich der Anfangsverdacht des sogenannten «Man in the Middle»-Angriffs. Rechtlich dürfte diese Art der IP-Adressen-Erfassung in europäischen Ländern als illegal qualifiziert werden. Kein Wunder, versteckt sich «itGuards Inc.» in den Vereinigten Staaten. Journalisten und Anwälte von Abgemahnten können einen Zugang zur funktionstüchtigen Nachbau-Software beantragen.
(Anmerkung: Video im Vollbild-Modus anschauen)
[Link auf youtube mit Erklärungen des Entwicklers]
Quelle: Youtube / Martin Eisengardt

Die deutsche Anwaltskanzlei «Urmann + Collegen»

Die Anwaltskanzlei «Urmann + Collegen», verdient ihr Geld mit massenhaften kostenpflichtigen Abmahnungen. «The Archive AG» beauftragte die Abmahnkanzlei, die Anschlussinhaber der IP-Adressen ausfindig zu machen und kostenpflichtig abzumahnen. Ohne gerichtliche Klärung und Beweise werden dabei Abgemahnte aufgefordert, eine Unterlassungerklärung zu unterschreiben und einen Unkostenbeitrag an die abmahnende Kanzlei zu zahlen. Dieser wurde im vorliegenden Fall auf 250 € angesetzt. Selbstverständlich fliesst ein Teil der Abmahngelder zurück an die Auftrag erteilende Firma, in diesem Fall an «The Archive AG». Bei Zehntausenden Betroffenen liegt es nahe, dass es hier um sehr viel Geld geht, auch wenn nur ein Bruchteil der Abgemahnten tatsächlich bezahlt. An dieser Stelle wird nicht weiter darauf eingegangen, dass die Abmahnindustrie ein Kreuz des deutschen Rechtssystems ist. Wie aber liessen die Abmahnanwälte von «Urmann + Collegen» entgegen der geltenden deutschen Rechtslehre die Anschlussinhaber der IP-Adressen ermitteln? Sie haben in ihrem Antrag zur Ermittlung der Anschlussinhaber ganz einfach nicht erwähnt, dass es sich um Streams handelt. Sie haben von Download-Portalen gesprochen. Dies ist geeignet, bei deutschen Gerichten den Eindruck von illegalen Vervielfältigungen zu erwecken. Haben die Abmahnanwälte das Landesgericht Köln bewusst in die Irre geführt? Es ist auf jeden Fall nicht davon auszugehen, dass auf Urheberrechts-Abmahnungen spezialisierte Anwälte fahrlässig solche groben Fehler machen. Das Vorgehen der Anwälte wird sicher Gegenstand von Ermittlungen werden. Niemand wird trauern, wenn sie dadurch finanziellen und persönlichen Schaden erleiden würden.
Update vom 17. Dezember 2013: Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt bereits [Link auf golem.de].
Update vom 19. Dezember 2013: Die Anträge zur Ermittlung der Anschlussinhaber der IP-Adressen wurden ursprünglich von Rechtsanwalt Sebastian eingereicht, der sich dann an «Urmann + Collegen» wandte, weil er sich scheinbar mit der ungeheuren Anzahl von Abmahnungen überfordert sah. Antragsteller und Abmahnanwälte sind somit nicht identisch. Die Abmahnanwälte können sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass sie mit den dubiosen Anträgen nichts zu tun haben. Rechtsanwalt Sebabstian hat seinerseits nichts mit den Abmahnungen zu tun. Ein Winkelzug?
Update vom 21. Dezember 2013: In einem Interview mit der Zeit vom 17. Dezember bezeichnet Rechtsanwalt Urmann die Abmahnungen als Experiment. Meint er ein Experiment mit Zehntausenden von Deutschen, den deutschen Gerichten und dem Rechtstaat?
Update vom 21. Dezember 2013: Mittlerweile sind diverse Strafanzeigen eingegangen, wie ITespresso.de berichtet.
Update vom 23. Dezember 2013: Gemäss dem deutschen Strafrechtsexperten Ulf Buermeyer befindet sich das Vorgehen der Kanzlei «Urmann + Collegen» als auch deren Auftraggeber «The Archive AG» im Bereich des Straftatbestandes des Betruges [Link auf heise.de].
Update vom 4. Januar 2014: In der Zwischenzeit hat die Staatsanwaltschaft Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der «Urmann + Collegen» eingeleitet.
Update vom 7. Januar 2014: Rechtsanwalt Carl C. Müller, der Strafanzeige gegen «Urmann + Collegen» gestellt hat, äussert sich ausführlich in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Update vom 10. Januar 2014: Auch «Urmann + Collegen» scheinen es mit dem Firmensitz nicht so genau zu nehmen oder ziehen, wie es im Trend liegt, gerade mal um [Link auf focus.de].
Update vom 13. Januar 2014: Geschäftsführer Urmann zündet in einem Interview noch ein paar Nebelkerzen und ein Strohfeuer [Link auf zeit.de].

Update IV vom 16. Januar 2014

  Die Rechtsanwälte «Wild Beuger Solmecke» haben nicht nur gegen den Geschäftsführer der «The Archive AG» und die Schattenmänner von «itGuards Inc.» sondern auch gegen den Geschäftsführer von «Urmann + Collegen» Strafanzeige, in diesem Fall wegen Nötigung, eingereicht.

Update II vom 17. Januar 2014

  Nun ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen «Urmann + Collegen» wegen Betruges. Gemäss dem Geschäftsführer Urmann hat sich die Situation bei seinem Auftraggeber «The Archive AG» nicht verändert. Das obige Bild des neuen Briefkastens der «The Archive AG» sollte ihn jedoch eines Besseren belehren.

Update II vom 9. Februar 2014: Interview mit Daniel Sebastian

  Der antragstellende Rechtsanwalt Sebastian äussert sich in einem Interview mit Zeit Online. Er versucht Redtube.com zu einer offensichtlich illegalen Quelle umzumünzen. Er bezieht sich dabei auf altersschutzrechtliche und inhaltliche, nicht aber auf urheberrechtliche Aspekte. Das war ein schwacher Versuch. Schliesslich verhöhnt er die Abmahnopfer. Es handle sich um Menschen, "die bewusst Urheberrechte verletzt haben, um Geld zu sparen." Die Abmahnopfer haben auf einer nicht offensichlich illegalen Quelle irgend etwas geklickt. Soviel weiss man heute. Diesen Menschen eine bewusste Urheberrechtsverletzung aus niedrigen Motiven zu unterstellen, ist blanker Zynismus.

Das Landesgericht Köln

Alle fragen sich, welcher Teufel das Landesgericht Köln geritten hat, als es dem Antrag obiger Anwaltskanzlei zur Ermittlung der Anschlussinhaber der IP-Adressen stattgab. Gewiss enthielt der Antrag unklare Formulierungen. Es war von einem Gutachten die Rede, welche die Tauglichkeit der IP-Adressen ermittelnden Software GladII 1.1.3 beglaubigte. Wenn diese Software denn existiert, ist sie allenfalls in der Lage, die IP-Adressen von Tauschbörsenbenutzern zu loggen. Wenn das Gericht genau geprüft hätte, wäre schnell klar geworden, dass es hier nicht um Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen geht. Bei dem enormen Ausmass der Abmahnungen hätte man eine genauere technische Analyse des Antrages durch das Gericht erwarten dürfen. Lag es an der Weihnachtszeit, an schlichtem fachlichen Unverständnis oder sogar an einer mutmasslichen Täuschung durch die Abmahnanwälte, dass das LG Köln hier die Anschlussinhaber der IP-Adressen ermitteln liess? Das LG Köln wird dazu gewiss noch Red und Antwort stehen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass deutsche Gerichte in Zukunft mehr Vorsicht walten lassen, bevor sie deutsche Internet-Nutzer Abmahnanwälten und Abmahnbetrügern zum Frass vorwerfen.
Update vom 20. Dezember 2013: Inzwischen zweifelt das Landesgericht Köln an der Ordnungsmässigkeit der Ermittlung der IP-Adressen, wie golem.de berichtet.
Update vom 23. Dezember 2013: LG Köln veröffentlicht ablehnenden Beschluss gegen urheberrechtlichen Auskunftsanspruch von «The Archive AG» [Link auf kanzlei.biz]
Update vom 7. Januar 2014: Das Landesgericht Köln stellt klar, dass der Abruf von Videostreams in Deutschland keine Urheberrechtsverletzung darstellt [Link auf hagendorff.org].
Update vom 14. Januar 2014: Das LG Köln prüft zurzeit, ob das Gutachten, welches die Tauglichkeit der IP-ermittelnden Software GladII 1.1.3 feststellte, der Presse übergeben werden soll [Link auf sueddeutsche.de]. Es ist zu erwarten, dass die Veröffentlichung dieses Gutachtens hohe Wellen wirft. Die Experten stehen bereits in den Startlöchern.

Update II vom 27. Januar: Gericht gibt Beschwerden statt

  Das Landesgericht Köln beginnt, Beschwerden gegen die Ermittlung der Anschlussinhaber stattzugeben [Link auf heise.de]. Rechtlich dürften somit Streaming-Abmahnungen in Deutschland bis auf weiteres vom Tisch sein. Einem neuen Betätigungsfeld und einer neuen Einnahmequelle für Abmahnanwälte wird vorzeitig der Riegel geschoben. Würde man mit den Worten des abmahnenden Rechtsanwalts Urmann sprechen, müsste man wohl sagen, dass das Experiment in Bausch und Bogen gescheitert ist. Rechtliche und finanzielle Konsequenzen für die Abmahner sind aber nach wie vor im Bereich des Möglichen.

Die vermeintlichen Porno-Urheberrechtsverletzer

Es ist sehr erstaunlich, dass nur deutsche Internet-Nutzer von der Abmahnwelle betroffen sind. Dies kann einerseits daran liegen, dass nur in Deutschland ein lukratives Abmahnwesen existiert, oder auch daran, dass bewusst nur deutsche IP-Adressen erfasst wurden. Und: es könnte auch sein, dass nur deutsche Internetnutzer auf die besagten Porno-Filme mittels einer weiterleitenden und IP-loggenden Webseite umgeleitet worden sind. Die Community ist bei letzerer Möglichkeit vor allem auf dem Techportal heise.de in der Browser-History von Betroffenen fündig geworden. Dieser Artikel erklärt dies detailiert. Allem Anschein nach wurden die ahnungslosen Internetnutzer über eine Werbe-Umleitung durch trafficholder.com auf eine IP-loggende und weiterleitende Webseite namens retdube.net weitergeleitet. Diese Domain ist derjenigen von redtube.com zum Verwechseln ähnlich. Die Scheindomain retdube.net existiert heute noch und leitet tatsächlich nur auf redtube.com weiter. Es ist sehr wahrscheinlich, dass an dieser Stelle die IP-Adressen der Internetnutzer erfasst wurden. Die Weiterleitung führte natürlich prompt auf die Porno-Filme der «The Archive AG». Ohne ihr Zutun landeten deutsche Internetnutzer also auf den Porno-Filmen, welche sie scheinbar nicht hätten anschauen dürfen. Ist es ein Zufall, dass die Schein-Domain retdube.net just drei Tage, nachdem die «The Archive AG» die Rechte an den Filmen erworben hatte registriert wurde? Ist es ferner ein Zufall, dass die Registrierung dieser Domain anonym in Panama durch die whoisguard.com erfolgte? Es lässt sich somit nicht nachvollziehen, wer die Domain retdube.net registriert hat. Eine gerichtliche Ermittlung der Hintermänner in Panama dürfte nahezu aussichtslos sein. Wenn dieses Konstrukt zur Ermittlung von IP-Adressen bewusst geschaffen wurde, muss eine gewaltige kriminelle Energie dahinter vermutet werden. Sollten sich diese Spekulationen bewahrheiten, bedeutet dies für alle Abgemahnten, dass eigentlich alle Ansprüche gegen sie haltlos sind. Auf breiter Front wird allen Betroffenen geraten, nicht auf die Abmahnung der Anwaltskanzlei «Urmann + Collegen» einzugehen.
Update vom 29. Dezember 2013: Schätzungen von Zeit.de zufolge wurden ca. 30'000 - 50'000 Deutsche abgemahnt. Alle sind Kunden der Deutschen Telekom. Dies könnte der entscheidende Hinweis sein, wie die IP-Adressen tatsächlich ermittelt wurden. Wurden nur Telekom-Kunden über Trafficholder.com weitergeleitet, da sich der «IP-Range» der Telekom-Kunden sehr präzis eingrenzen lässt?

Update vom 25. Januar 2014: Umfrage für Betroffene

  Betroffene können jetzt an dieser Umfrage teilnehmen. Personenbezogene Daten wie IP-Adressen werden vertraulich behandelt.

Die Trittbrettfahrer

Am Rande seien auch noch die Trittbrettfahrer erwähnt, welche sofort nach dem Bekanntwerden der Abmahnwelle gefälschte Abmahnungen per E-Mail an beliebige Internetnutzer versenden. Diese erhoffen sich ihrerseits von dem ganzen Skandal zu profitieren. Abmahnungen per E-mail sind grundsätzlich zu ignorieren. In diesem Fall sind auch Menschen aus Deutschlands Nachbarländern betroffen [Link]. Es zeigt sich erneut, dass Ereignisse, welche die breite Öffentlichkeit erreichen, sofort kriminelle Trittbettfahrer auf den Plan rufen. Ihre Methode ist die Angst.

Wichtige Fragen

Die Betrachtung der Akteure dieses Skandals und ihrer Handlungen hat einige Fragen aufgeworfen, welche zur Klärung dieses Falles beitragen können.

  1. Wer hat die Porno-Filme auf redtube.com hochgeladen? Es könnte sein, dass Redtube ein Interesse hat, diesen Uploader ausfindig zu machen.
  2. War ein Mitarbeiter von Redtube an der Weitergabe der IP-Adressen beteiligt? Auch zu dieser Frage wird Redtube an einer Klärung interessiert sein.
  3. Was hat es mit «itGuards Inc.» und insbesondere mit ihrer ominösen Software GladII 1.1.3 auf sich. Existieren am Ende beide gar nicht?
  4. Welche Beziehungen gibt es zwischen der «itGuards Inc.» und «The Archive AG»?
  5. Wurde das Landesgericht Köln bewusst getäuscht durch die Abmahnanwälte «Urmann + Collegen»?
  6. Wer ist für die Weiterleitung und das vermutete IP-Logging auf retdube.net verantwortlich?
  7. Wie beurteilt der Schweizer Datenschützer (EDÖB) die Weitergabe von IP-Adressen aus der Schweiz nach Deutschland?
  8. Wer sind die Profiteure dieser vermeintlichen Urheberrechtsverletzung? «The Archive AG» und «Urmann + Collegen», evt. weitere?
  9. Wer hat auf trafficholder.com eine Umleitung auf retdube.net gekauft?
  10. Wer steckt hinter retdube.net und was hat es damit genau auf sich?
  11. Update vom 21. Dezember 2013: Warum explodierten die Zugriffszahlen jener Porno-Filme?
  12. Update vom 21. Dezember 2013: Warum das ganze Theater, wenn gemäss dem deutschen Medienrechtsprofessor Gerald Spindler gar keine Urheberrechte verletzt wurden?

Abschliessende Bemerkungen

Wenn auch nur einige dieser Fragen beantwortet werden können, wird sich das Puzzle sehr schnell zu einem aufklärenden Bild zusammenfügen. Feststeht, dass die Sache zum Himmel stinkt. Dieses Konstrukt wackelt auf jeden Fall enorm und wird im besten Fall noch vor dem Beginn des neuen Jahres in sich zusammenbrechen. Hoffentlich werden zügig weitere Erkenntnisse ans Tageslicht kommen. Zu begrüssen wäre, wenn hier ein Whistleblower weitere Fakten beisteuern würde. Auch wäre es ein schönes Weihnachtsgeschenk, wenn sich dieses internationale Firmengeflecht endgültig entwirren lassen würde. Ein grosses Dankeschön geht auch an die nimmermüde Community, welche laufend neue Fakten zu diesem Skandal zu Tage fördert. Immerhin sind sehr viele Menschen - sehr wahrscheinlich zu Unrecht - in eine sehr unangenehme und missliche Lage geraten.

[d.z.]

Weiterführende Links:

 




Hal­lo, ich bin neu hier!

Hier werde ich Gedanken zu aktuellen Themen festhalten und versuchen, meine alte und fast eingerostete Leidenschaft für das Schreiben wieder zu entfachen. Ich werde mich auf eine Vielzahl von Themen einlassen, seien es tagespolitsche, seien es philosophische oder fachspezifische.

[d.z]